selbe also die seiner Thätigkeit vorangegangenen, gleichzeitigen und nachfolgenden fremden Wirksamkeiten als mit einiger Wahrscheinlichkeit bereits vorhanden oder bevorstehend ein- gesehen haben muß, oder doch ohne Fahrlässigkeit eingesehen haben würde. Ob diese fremden Ursachen von einer mensch- lichen Handlung oder von bewußtlos wirkenden Kräften her- rühren, ist gleichgültig. Es kann für die subjective Ver- schuldung des Thäters nicht releviren, ob auch ein Anderer eine Verschuldung auf sich geladen, dolos fahrlässig oder ohne alle Verschuldung gehandelt hat. Ob die eine oder die andere Willensform bei einem Dritten vorliege, interessirt ihn nur insofern, als ihm die Bekanntschaft mit dessen Subjectivität darüber Aufschluß zu ertheilen vermag, ob er sich einer Mit- wirksamkeit von demselben versehen könne. Sollte er auch irrthümlich die fremden Wirksamkeiten bewußtlos wirkenden Kräften zugeschrieben haben, während ihnen menschliche Willkür zu Grunde lag, und umgekehrt, so thut das nichts zur Sache. -- Haftet aber hiernach Jeder von Mehreren für den durch das Zusammentreffen der Thätigkeit Aller hervorgebrachten Erfolg schon dann, wenn er die Thätigkeit der Andern lediglich vorausgesehen hat, so verliert hierdurch das Complott, in welchem durch das gegenseitige Bewußtsein das Voraussehen der mitwirkenden Kräfte nur potenzirt ent- halten ist, seine rechtliche Bedeutung (m. Abh. 1862. Gerichts- saal l. c.).
Zu abweichenden Resultaten kommt von Bar S. 22 flg. Er unterscheidet, ob für denjenigen, welcher eine regelwidrige Handlung vorgenommen habe, die spätere Handlung als eine nicht zu erwartende, also regelwidrige, anzusehen sei, oder nicht.
Jm ersteren Falle liege die Ursache lediglich in der letzten Handlung. Hätten aber beide Personen gleichzeitig
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ſelbe alſo die ſeiner Thätigkeit vorangegangenen, gleichzeitigen und nachfolgenden fremden Wirkſamkeiten als mit einiger Wahrſcheinlichkeit bereits vorhanden oder bevorſtehend ein- geſehen haben muß, oder doch ohne Fahrläſſigkeit eingeſehen haben würde. Ob dieſe fremden Urſachen von einer menſch- lichen Handlung oder von bewußtlos wirkenden Kräften her- rühren, iſt gleichgültig. Es kann für die ſubjective Ver- ſchuldung des Thäters nicht releviren, ob auch ein Anderer eine Verſchuldung auf ſich geladen, dolos fahrläſſig oder ohne alle Verſchuldung gehandelt hat. Ob die eine oder die andere Willensform bei einem Dritten vorliege, intereſſirt ihn nur inſofern, als ihm die Bekanntſchaft mit deſſen Subjectivität darüber Aufſchluß zu ertheilen vermag, ob er ſich einer Mit- wirkſamkeit von demſelben verſehen könne. Sollte er auch irrthümlich die fremden Wirkſamkeiten bewußtlos wirkenden Kräften zugeſchrieben haben, während ihnen menſchliche Willkür zu Grunde lag, und umgekehrt, ſo thut das nichts zur Sache. — Haftet aber hiernach Jeder von Mehreren für den durch das Zuſammentreffen der Thätigkeit Aller hervorgebrachten Erfolg ſchon dann, wenn er die Thätigkeit der Andern lediglich vorausgeſehen hat, ſo verliert hierdurch das Complott, in welchem durch das gegenſeitige Bewußtſein das Vorausſehen der mitwirkenden Kräfte nur potenzirt ent- halten iſt, ſeine rechtliche Bedeutung (m. Abh. 1862. Gerichts- ſaal l. c.).
Zu abweichenden Reſultaten kommt von Bar S. 22 flg. Er unterſcheidet, ob für denjenigen, welcher eine regelwidrige Handlung vorgenommen habe, die ſpätere Handlung als eine nicht zu erwartende, alſo regelwidrige, anzuſehen ſei, oder nicht.
Jm erſteren Falle liege die Urſache lediglich in der letzten Handlung. Hätten aber beide Perſonen gleichzeitig
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ſelbe alſo die ſeiner Thätigkeit vorangegangenen, gleichzeitigen
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Wahrſcheinlichkeit bereits vorhanden oder bevorſtehend ein-
geſehen haben muß, oder doch ohne Fahrläſſigkeit eingeſehen
haben würde. Ob dieſe fremden Urſachen von einer menſch-
lichen Handlung oder von bewußtlos wirkenden Kräften her-
rühren, iſt gleichgültig. Es kann für die ſubjective Ver-
ſchuldung des Thäters nicht releviren, ob auch ein Anderer
eine Verſchuldung auf ſich geladen, dolos fahrläſſig oder ohne
alle Verſchuldung gehandelt hat. Ob die eine oder die andere
Willensform bei einem Dritten vorliege, intereſſirt ihn nur
inſofern, als ihm die Bekanntſchaft mit deſſen Subjectivität
darüber Aufſchluß zu ertheilen vermag, ob er ſich einer Mit-
wirkſamkeit von demſelben verſehen könne. Sollte er auch
irrthümlich die fremden Wirkſamkeiten bewußtlos wirkenden
Kräften zugeſchrieben haben, während ihnen menſchliche
Willkür zu Grunde lag, und umgekehrt, ſo thut das nichts
zur Sache. — Haftet aber hiernach Jeder von Mehreren
für den durch das Zuſammentreffen der Thätigkeit Aller
hervorgebrachten Erfolg ſchon dann, wenn er die Thätigkeit
der Andern lediglich vorausgeſehen hat, ſo verliert hierdurch
das Complott, in welchem durch das gegenſeitige Bewußtſein
das Vorausſehen der mitwirkenden Kräfte nur potenzirt ent-
halten iſt, ſeine rechtliche Bedeutung (m. Abh. 1862. Gerichts-
ſaal l. c.).
Zu abweichenden Reſultaten kommt von Bar S. 22 flg.
Er unterſcheidet, ob für denjenigen, welcher eine regelwidrige
Handlung vorgenommen habe, die ſpätere Handlung als eine
nicht zu erwartende, alſo regelwidrige, anzuſehen ſei, oder
nicht.
Jm erſteren Falle liege die Urſache lediglich in der
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Buri, Maximilian von: Ueber Causalität und deren Verantwortung. Leipzig, 1873, S. 67. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buri_causalitaet_1873/71>, abgerufen am 22.07.2024.
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