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Buri, Maximilian von: Ueber Causalität und deren Verantwortung. Leipzig, 1873.

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der Fall sein, wenn der Reisende in eine Höhle geschleppt
worden war, um in derselben ermordet zu werden, er aber,
noch ehe dies ausgeführt werden konnte, durch einen herunter-
fallenden Stein erschlagen wurde. Zu einem anderen Re-
sultate gelangt man jedoch hier, wenn man annimmt, daß
ein Willenszusammenhaug zwischen Handlung und Erfolg
bestehen müsse. Erhebt Jemand die Pistole, um sie sodann
auf seinen Gegner abzudrücken, die Pistole geht jedoch schon
bei der Erhebung des Arms von selbst los, so entspricht,
unerachtet der objectiven Regelmäßigkeit des Causalverlaufs,
die Bewegung des Arms dem Willen nur zum Theile ihrer
Wirksamkeit, während sie im Uebrigen von dem Willen nicht
umfaßt war und darum Haftbarkeit für Vollendung nicht
begründen konnte. Wußte der Handelnde aber, daß man
sich bei der schlechten Beschaffenheit der Pistole eines frei-
willigen Losgehens derselben verschen könne, so wird er für
Vollendung einstehen müssen. Wollte Jemand mit zwei
Schlägen auf den Kopf den Gegner tödten, oder die Ver-
giftung mit zwei Dosen bewerkstelligen, er erreicht aber seinen
Zweck schon mit dem ersten Schlage, der ersten Dosis, so
wird er die Verantwortlichkeit für Vollendung nicht von sich
ablehnen können, weil, wenn er auch momentan nicht daran
dachte, er doch wußte, daß bei der verschiedenen Körper-
beschaffenheit der Menschen, der Unberechenbarkeit der
Wirkungen des Gifts, er möglicher Weise schon mit seiner
ersten Handlung zur Vollendung kommen könne. Die Er-
wägung aber, daß der Handelnde, wenn er noch eine weitere
Handlung vor der Vollendung auszuführen gedachte, bis
dahin einen festen Willen noch nicht gehabt habel, kann
darum hier für die Entscheidung nicht releviren, weil sie
nicht überall zutreffen wird, und im Falle sie zutreffen sollte,
nicht einmal eine Strafe für Versuch am Platze wäre. Noch

der Fall ſein, wenn der Reiſende in eine Höhle geſchleppt
worden war, um in derſelben ermordet zu werden, er aber,
noch ehe dies ausgeführt werden konnte, durch einen herunter-
fallenden Stein erſchlagen wurde. Zu einem anderen Re-
ſultate gelangt man jedoch hier, wenn man annimmt, daß
ein Willenszuſammenhaug zwiſchen Handlung und Erfolg
beſtehen müſſe. Erhebt Jemand die Piſtole, um ſie ſodann
auf ſeinen Gegner abzudrücken, die Piſtole geht jedoch ſchon
bei der Erhebung des Arms von ſelbſt los, ſo entſpricht,
unerachtet der objectiven Regelmäßigkeit des Cauſalverlaufs,
die Bewegung des Arms dem Willen nur zum Theile ihrer
Wirkſamkeit, während ſie im Uebrigen von dem Willen nicht
umfaßt war und darum Haftbarkeit für Vollendung nicht
begründen konnte. Wußte der Handelnde aber, daß man
ſich bei der ſchlechten Beſchaffenheit der Piſtole eines frei-
willigen Losgehens derſelben verſchen könne, ſo wird er für
Vollendung einſtehen müſſen. Wollte Jemand mit zwei
Schlägen auf den Kopf den Gegner tödten, oder die Ver-
giftung mit zwei Doſen bewerkſtelligen, er erreicht aber ſeinen
Zweck ſchon mit dem erſten Schlage, der erſten Doſis, ſo
wird er die Verantwortlichkeit für Vollendung nicht von ſich
ablehnen können, weil, wenn er auch momentan nicht daran
dachte, er doch wußte, daß bei der verſchiedenen Körper-
beſchaffenheit der Menſchen, der Unberechenbarkeit der
Wirkungen des Gifts, er möglicher Weiſe ſchon mit ſeiner
erſten Handlung zur Vollendung kommen könne. Die Er-
wägung aber, daß der Handelnde, wenn er noch eine weitere
Handlung vor der Vollendung auszuführen gedachte, bis
dahin einen feſten Willen noch nicht gehabt habel, kann
darum hier für die Entſcheidung nicht releviren, weil ſie
nicht überall zutreffen wird, und im Falle ſie zutreffen ſollte,
nicht einmal eine Strafe für Verſuch am Platze wäre. Noch

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[24/0028] der Fall ſein, wenn der Reiſende in eine Höhle geſchleppt worden war, um in derſelben ermordet zu werden, er aber, noch ehe dies ausgeführt werden konnte, durch einen herunter- fallenden Stein erſchlagen wurde. Zu einem anderen Re- ſultate gelangt man jedoch hier, wenn man annimmt, daß ein Willenszuſammenhaug zwiſchen Handlung und Erfolg beſtehen müſſe. Erhebt Jemand die Piſtole, um ſie ſodann auf ſeinen Gegner abzudrücken, die Piſtole geht jedoch ſchon bei der Erhebung des Arms von ſelbſt los, ſo entſpricht, unerachtet der objectiven Regelmäßigkeit des Cauſalverlaufs, die Bewegung des Arms dem Willen nur zum Theile ihrer Wirkſamkeit, während ſie im Uebrigen von dem Willen nicht umfaßt war und darum Haftbarkeit für Vollendung nicht begründen konnte. Wußte der Handelnde aber, daß man ſich bei der ſchlechten Beſchaffenheit der Piſtole eines frei- willigen Losgehens derſelben verſchen könne, ſo wird er für Vollendung einſtehen müſſen. Wollte Jemand mit zwei Schlägen auf den Kopf den Gegner tödten, oder die Ver- giftung mit zwei Doſen bewerkſtelligen, er erreicht aber ſeinen Zweck ſchon mit dem erſten Schlage, der erſten Doſis, ſo wird er die Verantwortlichkeit für Vollendung nicht von ſich ablehnen können, weil, wenn er auch momentan nicht daran dachte, er doch wußte, daß bei der verſchiedenen Körper- beſchaffenheit der Menſchen, der Unberechenbarkeit der Wirkungen des Gifts, er möglicher Weiſe ſchon mit ſeiner erſten Handlung zur Vollendung kommen könne. Die Er- wägung aber, daß der Handelnde, wenn er noch eine weitere Handlung vor der Vollendung auszuführen gedachte, bis dahin einen feſten Willen noch nicht gehabt habel, kann darum hier für die Entſcheidung nicht releviren, weil ſie nicht überall zutreffen wird, und im Falle ſie zutreffen ſollte, nicht einmal eine Strafe für Verſuch am Platze wäre. Noch

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Zitationshilfe: Buri, Maximilian von: Ueber Causalität und deren Verantwortung. Leipzig, 1873, S. 24. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buri_causalitaet_1873/28>, abgerufen am 29.03.2024.