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Buri, Maximilian von: Ueber Causalität und deren Verantwortung. Leipzig, 1873.

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Wissen des Handelnden, welche, wenn die Wahrscheinlichkeit
des Eintritts der Kraft selbst zu gegenwärtigem Bewußtsein
gekommen wäre, den Handelnden zum Ausschluß dieser Kraft
von seinem Willen bestimmt haben würden, so wäre doch die
hinzugetretene Kraft selbst nicht gewollt gewesen. Ein
Willenszusammenhang zwischen Handlung und Erfolg liegt
darum in solchem Falle nicht vor.

Uebrigens brauchen die fremden mitwirksam gewesenen
Kräfte nicht ihrem Ursprunge, ihrer näheren Beschaffenheit
nach, von dem Willen umfaßt gewesen zu sein, denn auf die
Form dieser Krafte kommt es nicht an, sondern nur auf
deren Wirksamkeit. Weiß daher Jemand aus seiner Er-
fahrung,
daß sich aus einer bestimmten Thätigkeit durch
den Hinzutritt einer fremden Kraft ein bestimmter Erfolg
ergibt, so kann er diesen Erfolg wollen, sollte ihm auch die
fremde Kraft selbst, die Art und Weise der Entwicklung des
Causalzusammenhangs, ganz unbekannt sein. Wird dann
durch seine Thätigkeit in Verbindung mit der fremden hinzu-
getretenen Wirksamkeit der Erfolg herbeigeführt, so haftet er
für denselben, insofern der Causalverlauf ein erfahrungs-
mäßiger geblieben ist -- der Causalverlauf sich in concreto
so gestaltet hat, daß der Handelnde darauf rechnen könnte,
er werde sich bei etwaiger nochmaliger Vornahme seiner
Thätigkeit in gleicher Weise wiederholen. -- Damit ist jedoch
nicht gesagt, daß, wie v. B. behauptet, der Handelnde stets
für die regelmäßige Entwicklung seiner Thätigkeit einstehen
müsse. Es erscheint zwar ohne besondere Anhaltspunkte nicht
glaubhaft, daß Jemand Das nicht gewußt haben sollte, was
Alle wissen; und es wird darum im Allgemeinen auf die
Versicherung, man habe die stattgefundene regelmäßige --
einigermaßen wahrscheinliche -- Entwicklung des Causal-
zusammenhangs nicht vorausgesehen oder voraussehen können,

Wiſſen des Handelnden, welche, wenn die Wahrſcheinlichkeit
des Eintritts der Kraft ſelbſt zu gegenwärtigem Bewußtſein
gekommen wäre, den Handelnden zum Ausſchluß dieſer Kraft
von ſeinem Willen beſtimmt haben würden, ſo wäre doch die
hinzugetretene Kraft ſelbſt nicht gewollt geweſen. Ein
Willenszuſammenhang zwiſchen Handlung und Erfolg liegt
darum in ſolchem Falle nicht vor.

Uebrigens brauchen die fremden mitwirkſam geweſenen
Kräfte nicht ihrem Urſprunge, ihrer näheren Beſchaffenheit
nach, von dem Willen umfaßt geweſen zu ſein, denn auf die
Form dieſer Krafte kommt es nicht an, ſondern nur auf
deren Wirkſamkeit. Weiß daher Jemand aus ſeiner Er-
fahrung,
daß ſich aus einer beſtimmten Thätigkeit durch
den Hinzutritt einer fremden Kraft ein beſtimmter Erfolg
ergibt, ſo kann er dieſen Erfolg wollen, ſollte ihm auch die
fremde Kraft ſelbſt, die Art und Weiſe der Entwicklung des
Cauſalzuſammenhangs, ganz unbekannt ſein. Wird dann
durch ſeine Thätigkeit in Verbindung mit der fremden hinzu-
getretenen Wirkſamkeit der Erfolg herbeigeführt, ſo haftet er
für denſelben, inſofern der Cauſalverlauf ein erfahrungs-
mäßiger geblieben iſt — der Cauſalverlauf ſich in concreto
ſo geſtaltet hat, daß der Handelnde darauf rechnen könnte,
er werde ſich bei etwaiger nochmaliger Vornahme ſeiner
Thätigkeit in gleicher Weiſe wiederholen. — Damit iſt jedoch
nicht geſagt, daß, wie v. B. behauptet, der Handelnde ſtets
für die regelmäßige Entwicklung ſeiner Thätigkeit einſtehen
müſſe. Es erſcheint zwar ohne beſondere Anhaltspunkte nicht
glaubhaft, daß Jemand Das nicht gewußt haben ſollte, was
Alle wiſſen; und es wird darum im Allgemeinen auf die
Verſicherung, man habe die ſtattgefundene regelmäßige —
einigermaßen wahrſcheinliche — Entwicklung des Cauſal-
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[20/0024] Wiſſen des Handelnden, welche, wenn die Wahrſcheinlichkeit des Eintritts der Kraft ſelbſt zu gegenwärtigem Bewußtſein gekommen wäre, den Handelnden zum Ausſchluß dieſer Kraft von ſeinem Willen beſtimmt haben würden, ſo wäre doch die hinzugetretene Kraft ſelbſt nicht gewollt geweſen. Ein Willenszuſammenhang zwiſchen Handlung und Erfolg liegt darum in ſolchem Falle nicht vor. Uebrigens brauchen die fremden mitwirkſam geweſenen Kräfte nicht ihrem Urſprunge, ihrer näheren Beſchaffenheit nach, von dem Willen umfaßt geweſen zu ſein, denn auf die Form dieſer Krafte kommt es nicht an, ſondern nur auf deren Wirkſamkeit. Weiß daher Jemand aus ſeiner Er- fahrung, daß ſich aus einer beſtimmten Thätigkeit durch den Hinzutritt einer fremden Kraft ein beſtimmter Erfolg ergibt, ſo kann er dieſen Erfolg wollen, ſollte ihm auch die fremde Kraft ſelbſt, die Art und Weiſe der Entwicklung des Cauſalzuſammenhangs, ganz unbekannt ſein. Wird dann durch ſeine Thätigkeit in Verbindung mit der fremden hinzu- getretenen Wirkſamkeit der Erfolg herbeigeführt, ſo haftet er für denſelben, inſofern der Cauſalverlauf ein erfahrungs- mäßiger geblieben iſt — der Cauſalverlauf ſich in concreto ſo geſtaltet hat, daß der Handelnde darauf rechnen könnte, er werde ſich bei etwaiger nochmaliger Vornahme ſeiner Thätigkeit in gleicher Weiſe wiederholen. — Damit iſt jedoch nicht geſagt, daß, wie v. B. behauptet, der Handelnde ſtets für die regelmäßige Entwicklung ſeiner Thätigkeit einſtehen müſſe. Es erſcheint zwar ohne beſondere Anhaltspunkte nicht glaubhaft, daß Jemand Das nicht gewußt haben ſollte, was Alle wiſſen; und es wird darum im Allgemeinen auf die Verſicherung, man habe die ſtattgefundene regelmäßige — einigermaßen wahrſcheinliche — Entwicklung des Cauſal- zuſammenhangs nicht vorausgeſehen oder vorausſehen können,

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Zitationshilfe: Buri, Maximilian von: Ueber Causalität und deren Verantwortung. Leipzig, 1873, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buri_causalitaet_1873/24>, abgerufen am 18.04.2024.