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Burdel, Édouard: Die Trunksucht. (Übers. Heinrich Gauss). Weimar, 1855.

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Das Alles ist keinesweges diesem Buche zu Liebe erfunden; vielmehr sind mir diese Thatsachen von einer Magistratsperson, als deren Augenzeugen, mitgetheilt worden, einem Manne, welcher gar oft die durch Trunksucht erzeugten Mißbräuche zu bejammern und, so sehr er denselben auch mit Strenge stets entgegengetreten war, doch die Lücken der Gesetzgebung in dieser Beziehung vielmals zu bedauern gehabt hatte.

Aus den betreffenden Fallen, welche meinen eigenen Augen vorgelegen haben, und deren sind eine große Zahl, will ich bloß des folgenden hier ausführlich erwähnen.

Es handelt sich dabei von einem geschickten Arbeiter in der Porcellan-Manufactur von Vierzon. Dieser Mann, Familienvater, verdiente monatlich mindestens 120 bis 140 Francs; aber, ohne allen Unterricht in der Manufactur aufgewachsen, worin er noch sehr jung in die Lehre getreten war, hatte er sich nach und nach die Lebensweise der Säufer, wie sie in den großen Werkstätten so gewöhnlich sich findet, ebenfalls angeeignet. Vierzehn Tage ämsig arbeitend, lebte er dann acht Tage lang ausschweifend, indem er während dieser Zeit die Hälfte oder wohl gar drei Viertheile seines Verdienstes im Wirthshause vertrank. Dieses Leben dauerte schon eine geraume Zeit, als endlich seine Gesundheit dabei zu leiden begann. Damals nun, als Arzt zu ihm gerufen, hielt ich es für passend, der körperlichen Behandlung auch eine moralische beizugesellen, von welcher letztern ich mir einen um so besseren Erfolg versprechen durfte, als dieser Mann, bei aller seiner fraglichen Untugend, doch ein gutes Herz und viel Gemüth besaß. Ich stellte ihm demnach ein Bild auf von all' dem Elend und den Leiden, denen er sich aussetzen werde, wenn er bei seiner traurigen Lebensweise beharrte, und welche um so unvermeidlicher ihn packen würden, als er schon jetzt die traurigen Vorwirkungen davon spürte. Ich ließ ihn einen Blick auf die Vergangenheit, einen in die Zukunft werfen, und so ward mir die Genugthuung, ihm zu der Einsicht zu verhelfen, um wie viel schöne Jahre

Das Alles ist keinesweges diesem Buche zu Liebe erfunden; vielmehr sind mir diese Thatsachen von einer Magistratsperson, als deren Augenzeugen, mitgetheilt worden, einem Manne, welcher gar oft die durch Trunksucht erzeugten Mißbräuche zu bejammern und, so sehr er denselben auch mit Strenge stets entgegengetreten war, doch die Lücken der Gesetzgebung in dieser Beziehung vielmals zu bedauern gehabt hatte.

Aus den betreffenden Fallen, welche meinen eigenen Augen vorgelegen haben, und deren sind eine große Zahl, will ich bloß des folgenden hier ausführlich erwähnen.

Es handelt sich dabei von einem geschickten Arbeiter in der Porcellan-Manufactur von Vierzon. Dieser Mann, Familienvater, verdiente monatlich mindestens 120 bis 140 Francs; aber, ohne allen Unterricht in der Manufactur aufgewachsen, worin er noch sehr jung in die Lehre getreten war, hatte er sich nach und nach die Lebensweise der Säufer, wie sie in den großen Werkstätten so gewöhnlich sich findet, ebenfalls angeeignet. Vierzehn Tage ämsig arbeitend, lebte er dann acht Tage lang ausschweifend, indem er während dieser Zeit die Hälfte oder wohl gar drei Viertheile seines Verdienstes im Wirthshause vertrank. Dieses Leben dauerte schon eine geraume Zeit, als endlich seine Gesundheit dabei zu leiden begann. Damals nun, als Arzt zu ihm gerufen, hielt ich es für passend, der körperlichen Behandlung auch eine moralische beizugesellen, von welcher letztern ich mir einen um so besseren Erfolg versprechen durfte, als dieser Mann, bei aller seiner fraglichen Untugend, doch ein gutes Herz und viel Gemüth besaß. Ich stellte ihm demnach ein Bild auf von all’ dem Elend und den Leiden, denen er sich aussetzen werde, wenn er bei seiner traurigen Lebensweise beharrte, und welche um so unvermeidlicher ihn packen würden, als er schon jetzt die traurigen Vorwirkungen davon spürte. Ich ließ ihn einen Blick auf die Vergangenheit, einen in die Zukunft werfen, und so ward mir die Genugthuung, ihm zu der Einsicht zu verhelfen, um wie viel schöne Jahre

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[88/0098] Das Alles ist keinesweges diesem Buche zu Liebe erfunden; vielmehr sind mir diese Thatsachen von einer Magistratsperson, als deren Augenzeugen, mitgetheilt worden, einem Manne, welcher gar oft die durch Trunksucht erzeugten Mißbräuche zu bejammern und, so sehr er denselben auch mit Strenge stets entgegengetreten war, doch die Lücken der Gesetzgebung in dieser Beziehung vielmals zu bedauern gehabt hatte. Aus den betreffenden Fallen, welche meinen eigenen Augen vorgelegen haben, und deren sind eine große Zahl, will ich bloß des folgenden hier ausführlich erwähnen. Es handelt sich dabei von einem geschickten Arbeiter in der Porcellan-Manufactur von Vierzon. Dieser Mann, Familienvater, verdiente monatlich mindestens 120 bis 140 Francs; aber, ohne allen Unterricht in der Manufactur aufgewachsen, worin er noch sehr jung in die Lehre getreten war, hatte er sich nach und nach die Lebensweise der Säufer, wie sie in den großen Werkstätten so gewöhnlich sich findet, ebenfalls angeeignet. Vierzehn Tage ämsig arbeitend, lebte er dann acht Tage lang ausschweifend, indem er während dieser Zeit die Hälfte oder wohl gar drei Viertheile seines Verdienstes im Wirthshause vertrank. Dieses Leben dauerte schon eine geraume Zeit, als endlich seine Gesundheit dabei zu leiden begann. Damals nun, als Arzt zu ihm gerufen, hielt ich es für passend, der körperlichen Behandlung auch eine moralische beizugesellen, von welcher letztern ich mir einen um so besseren Erfolg versprechen durfte, als dieser Mann, bei aller seiner fraglichen Untugend, doch ein gutes Herz und viel Gemüth besaß. Ich stellte ihm demnach ein Bild auf von all’ dem Elend und den Leiden, denen er sich aussetzen werde, wenn er bei seiner traurigen Lebensweise beharrte, und welche um so unvermeidlicher ihn packen würden, als er schon jetzt die traurigen Vorwirkungen davon spürte. Ich ließ ihn einen Blick auf die Vergangenheit, einen in die Zukunft werfen, und so ward mir die Genugthuung, ihm zu der Einsicht zu verhelfen, um wie viel schöne Jahre

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Zitationshilfe: Burdel, Édouard: Die Trunksucht. (Übers. Heinrich Gauss). Weimar, 1855, S. 88. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burdel_trunksucht_1855/98>, abgerufen am 28.11.2024.