Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Burdel, Édouard: Die Trunksucht. (Übers. Heinrich Gauss). Weimar, 1855.

Bild:
<< vorherige Seite

Moralische Einwirkungen von Seiten der Privaten. - So fehlt es denn weder an staatlichen Einrichtungen, noch an sonstigen Mitteln, um das fragliche Laster zu ersticken, wohl aber daran, sie allgemeiner zu machen, sie weiter zu verbreiten. Und zu ihrer Verallgemeinerung, ihrer weitern Verbreitung bedarf es des Zusammenwirkens Aller; von der einen Seite, der unserer Arbeiter-Classen, ein Zurückgehen auf ihr besseres Selbst, ein Blick auf die Gegenwart, ein anderer in die Zukunft; von der andern Seite dagegen eine größere Selbstverläugnung, ein innigeres Dahingeben der höheren Stände, um den aufgeklärten, philantropischen Männern in ihrem guten Werke gehörig zur Hand zu gehen.

Wir haben zu Anfange gesagt, daß wir die unterrichteten Leute um ihre Mitwirkung bäten, weil es offenbar nicht hinreiche, Institute zu schaffen, Vereine zu gründen, daß es vielmehr auch nöthig sei, zu der Einsicht zu verhelfen, warum jene geschaffen, warum diese gegründet sind, und endlich das ganze Interesse offen darzulegen, was man davon zu erwarten hat. Nicht denen zu Liebe, welche, von Natur sparsam, mäßig, arbeitsam, aus eigenem Antriebe von diesen Institutionen Gebrauch machen, hat man seine Stimme zu erheben, sondern zu Nutz und Frommen derjenigen, welche, geistesbefangen oder zu unwissend, weder deren Zweck noch deren Nützlichkeit bisher eingesehen haben.

Die wahre Menschenliebe besteht, wie die Heilkunde, nicht nur darin, diejenigen, welche durch Krankheiten oder schlimme Leidenschaften leiden, davon zu heilen, sondern auch darin, denselben entgegenzukommen und sie vor den Uebeln, welche sie bedrohen, zu bewahren. Wie viele sind nicht, welche, obgleich wissend, daß Sparcassen, Vereine zu gegenseitiger Unterstützung etc. existiren, doch niemals davon Nutzen zu ziehen gelernt haben und alle Tage unbekümmert an diesen Anstalten vorübergehen, Anstalten, welche doch, wenn sie nur selbst

Moralische Einwirkungen von Seiten der Privaten. – So fehlt es denn weder an staatlichen Einrichtungen, noch an sonstigen Mitteln, um das fragliche Laster zu ersticken, wohl aber daran, sie allgemeiner zu machen, sie weiter zu verbreiten. Und zu ihrer Verallgemeinerung, ihrer weitern Verbreitung bedarf es des Zusammenwirkens Aller; von der einen Seite, der unserer Arbeiter–Classen, ein Zurückgehen auf ihr besseres Selbst, ein Blick auf die Gegenwart, ein anderer in die Zukunft; von der andern Seite dagegen eine größere Selbstverläugnung, ein innigeres Dahingeben der höheren Stände, um den aufgeklärten, philantropischen Männern in ihrem guten Werke gehörig zur Hand zu gehen.

Wir haben zu Anfange gesagt, daß wir die unterrichteten Leute um ihre Mitwirkung bäten, weil es offenbar nicht hinreiche, Institute zu schaffen, Vereine zu gründen, daß es vielmehr auch nöthig sei, zu der Einsicht zu verhelfen, warum jene geschaffen, warum diese gegründet sind, und endlich das ganze Interesse offen darzulegen, was man davon zu erwarten hat. Nicht denen zu Liebe, welche, von Natur sparsam, mäßig, arbeitsam, aus eigenem Antriebe von diesen Institutionen Gebrauch machen, hat man seine Stimme zu erheben, sondern zu Nutz und Frommen derjenigen, welche, geistesbefangen oder zu unwissend, weder deren Zweck noch deren Nützlichkeit bisher eingesehen haben.

Die wahre Menschenliebe besteht, wie die Heilkunde, nicht nur darin, diejenigen, welche durch Krankheiten oder schlimme Leidenschaften leiden, davon zu heilen, sondern auch darin, denselben entgegenzukommen und sie vor den Uebeln, welche sie bedrohen, zu bewahren. Wie viele sind nicht, welche, obgleich wissend, daß Sparcassen, Vereine zu gegenseitiger Unterstützung etc. existiren, doch niemals davon Nutzen zu ziehen gelernt haben und alle Tage unbekümmert an diesen Anstalten vorübergehen, Anstalten, welche doch, wenn sie nur selbst

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <pb facs="#f0092" n="82"/>
        <p><hi rendition="#g">Moralische Einwirkungen von Seiten der Privaten.</hi> &#x2013; So                     fehlt es denn weder an staatlichen Einrichtungen, noch an sonstigen Mitteln, um                     das fragliche Laster zu ersticken, wohl aber daran, sie allgemeiner zu machen,                     sie weiter zu verbreiten. Und zu ihrer Verallgemeinerung, ihrer weitern                     Verbreitung bedarf es des Zusammenwirkens Aller; von der einen Seite, der                     unserer Arbeiter&#x2013;Classen, ein Zurückgehen auf ihr besseres Selbst, ein Blick auf                     die Gegenwart, ein anderer in die Zukunft; von der andern Seite dagegen eine                     größere Selbstverläugnung, ein innigeres Dahingeben der höheren Stände, um den                     aufgeklärten, philantropischen Männern in ihrem guten Werke gehörig zur Hand zu                     gehen.</p>
        <p>Wir haben zu Anfange gesagt, daß wir die unterrichteten Leute um ihre Mitwirkung                     bäten, weil es offenbar nicht hinreiche, Institute zu schaffen, Vereine zu                     gründen, daß es vielmehr auch nöthig sei, zu der Einsicht zu verhelfen, warum                     jene geschaffen, warum diese gegründet sind, und endlich das ganze Interesse                     offen darzulegen, was man davon zu erwarten hat. Nicht denen zu Liebe, welche,                     von Natur sparsam, mäßig, arbeitsam, aus eigenem Antriebe von diesen                     Institutionen Gebrauch machen, hat man seine Stimme zu erheben, sondern zu Nutz                     und Frommen derjenigen, welche, geistesbefangen oder zu unwissend, weder deren                     Zweck noch deren Nützlichkeit bisher eingesehen haben.</p>
        <p>Die wahre Menschenliebe besteht, wie die Heilkunde, nicht nur darin, diejenigen,                     welche durch Krankheiten oder schlimme Leidenschaften leiden, davon zu heilen,                     sondern auch darin, denselben entgegenzukommen und sie vor den Uebeln, welche                     sie bedrohen, zu bewahren. Wie viele sind nicht, welche, obgleich wissend, daß                     Sparcassen, Vereine zu gegenseitiger Unterstützung etc. existiren, doch niemals                     davon Nutzen zu ziehen gelernt haben und alle Tage unbekümmert an diesen                     Anstalten vorübergehen, Anstalten, welche doch, wenn sie nur selbst
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[82/0092] Moralische Einwirkungen von Seiten der Privaten. – So fehlt es denn weder an staatlichen Einrichtungen, noch an sonstigen Mitteln, um das fragliche Laster zu ersticken, wohl aber daran, sie allgemeiner zu machen, sie weiter zu verbreiten. Und zu ihrer Verallgemeinerung, ihrer weitern Verbreitung bedarf es des Zusammenwirkens Aller; von der einen Seite, der unserer Arbeiter–Classen, ein Zurückgehen auf ihr besseres Selbst, ein Blick auf die Gegenwart, ein anderer in die Zukunft; von der andern Seite dagegen eine größere Selbstverläugnung, ein innigeres Dahingeben der höheren Stände, um den aufgeklärten, philantropischen Männern in ihrem guten Werke gehörig zur Hand zu gehen. Wir haben zu Anfange gesagt, daß wir die unterrichteten Leute um ihre Mitwirkung bäten, weil es offenbar nicht hinreiche, Institute zu schaffen, Vereine zu gründen, daß es vielmehr auch nöthig sei, zu der Einsicht zu verhelfen, warum jene geschaffen, warum diese gegründet sind, und endlich das ganze Interesse offen darzulegen, was man davon zu erwarten hat. Nicht denen zu Liebe, welche, von Natur sparsam, mäßig, arbeitsam, aus eigenem Antriebe von diesen Institutionen Gebrauch machen, hat man seine Stimme zu erheben, sondern zu Nutz und Frommen derjenigen, welche, geistesbefangen oder zu unwissend, weder deren Zweck noch deren Nützlichkeit bisher eingesehen haben. Die wahre Menschenliebe besteht, wie die Heilkunde, nicht nur darin, diejenigen, welche durch Krankheiten oder schlimme Leidenschaften leiden, davon zu heilen, sondern auch darin, denselben entgegenzukommen und sie vor den Uebeln, welche sie bedrohen, zu bewahren. Wie viele sind nicht, welche, obgleich wissend, daß Sparcassen, Vereine zu gegenseitiger Unterstützung etc. existiren, doch niemals davon Nutzen zu ziehen gelernt haben und alle Tage unbekümmert an diesen Anstalten vorübergehen, Anstalten, welche doch, wenn sie nur selbst

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription. (2013-11-01T10:28:26Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Benjamin Fiechter, Frank Wiegand: Bearbeitung der digitalen Edition. (2013-11-01T10:28:26Z)
Bayerische Staatsbibliothek München: Bereitstellung der Bilddigitalisate. (2013-11-01T10:28:26Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

Die Transkription erfolgte nach den unter http://de.wikisource.org/wiki/Wikisource:Editionsrichtlinien formulierten Richtlinien.

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

  • Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet
  • Druckfehler: dokumentiert
  • fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet
  • I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert
  • langes s (ſ): als s transkribiert
  • rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert
  • Silbentrennung: aufgelöst
  • Zeilenumbrüche markiert: nein



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/burdel_trunksucht_1855
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/burdel_trunksucht_1855/92
Zitationshilfe: Burdel, Édouard: Die Trunksucht. (Übers. Heinrich Gauss). Weimar, 1855, S. 82. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burdel_trunksucht_1855/92>, abgerufen am 07.05.2024.