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Burdel, Édouard: Die Trunksucht. (Übers. Heinrich Gauss). Weimar, 1855.

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That bereuen, sondern auch wie mitten aus einem bösen Traum erwachen.

Wenn wir wünschen, daß das Gesetz hinsichtlich der Trunksucht weniger tolerant sein möge, so ist damit nicht gemeint, daß die in der Trunkenheit begangenen Vergehen denen gleichgestellt werden sollen, welche mit Vorbedacht und kaltem Blute verübt werden. Nein, angenommen, ein in einen durchaus viehischen Zustand versunkener Trunkenbold stoße Beleidigungen und Drohungen aus, er schlage sogar und der von ihm geführte Schlag werde tödtlich, so ist ein solcher Mensch sicherlich nicht derselben Strafe schuldig, als wenn alle diese Handlungen bei kaltem Blute von ihm geschehen wären. Das Gesetz hat das nicht gewollt, und wir können die Weisheit desselben nur bewundern. Aber obgleich sein Fehler durch den Zustand seines Geistes in der Zeit, wo seine Hand nicht mehr durch einen gesunden Verstand geleitet wurde, an Gewicht verloren hat, so sollte man doch in ihm, wenn auch minder strenge, sowohl das Vergehen selbst, als die Veranlassungsursache desselben, nämlich die Trunksucht, bestrafen.

Die Trunkenheit verdient Strafe, sobald sie zu Störung der öffentlichen Ordnung, zu Begehung von Gewaltthätigkeiten, zu Angriffen gegen die Sittlichkeit geführt hat, oder wo sie zu einem öffentlichen Scandal geworden ist. "Die Schlaffheit der Sitten in Frankreich," sagt Herr Bergeret in seinem Werkchen über die Trunksucht, "ist von der Art, daß diese niedrige Gewohnheit dort nicht nur ihre scheußlichen Bilder in voller Freiheit zur Schau trägt, sondern unsere Gerichte auch die Schwachheit begehen, bei den in der Trunkenheit verübten Freveln und Verbrechen die Rechtswohlthat der mildernden Umstände in Anwendung zu ziehen."

Gesetze sind erlassen, um den Menschen zu bestrafen, der ein Lastthier auf offener Straße mißhandelt, und es giebt noch keine Strafe für die Aufführung dessen, der, nachdem er sich in eine Lage versetzt hat, welche ihn weit unter das Thier erniedrigt, sich in diesem Zustande

That bereuen, sondern auch wie mitten aus einem bösen Traum erwachen.

Wenn wir wünschen, daß das Gesetz hinsichtlich der Trunksucht weniger tolerant sein möge, so ist damit nicht gemeint, daß die in der Trunkenheit begangenen Vergehen denen gleichgestellt werden sollen, welche mit Vorbedacht und kaltem Blute verübt werden. Nein, angenommen, ein in einen durchaus viehischen Zustand versunkener Trunkenbold stoße Beleidigungen und Drohungen aus, er schlage sogar und der von ihm geführte Schlag werde tödtlich, so ist ein solcher Mensch sicherlich nicht derselben Strafe schuldig, als wenn alle diese Handlungen bei kaltem Blute von ihm geschehen wären. Das Gesetz hat das nicht gewollt, und wir können die Weisheit desselben nur bewundern. Aber obgleich sein Fehler durch den Zustand seines Geistes in der Zeit, wo seine Hand nicht mehr durch einen gesunden Verstand geleitet wurde, an Gewicht verloren hat, so sollte man doch in ihm, wenn auch minder strenge, sowohl das Vergehen selbst, als die Veranlassungsursache desselben, nämlich die Trunksucht, bestrafen.

Die Trunkenheit verdient Strafe, sobald sie zu Störung der öffentlichen Ordnung, zu Begehung von Gewaltthätigkeiten, zu Angriffen gegen die Sittlichkeit geführt hat, oder wo sie zu einem öffentlichen Scandal geworden ist. „Die Schlaffheit der Sitten in Frankreich,“ sagt Herr Bergeret in seinem Werkchen über die Trunksucht, „ist von der Art, daß diese niedrige Gewohnheit dort nicht nur ihre scheußlichen Bilder in voller Freiheit zur Schau trägt, sondern unsere Gerichte auch die Schwachheit begehen, bei den in der Trunkenheit verübten Freveln und Verbrechen die Rechtswohlthat der mildernden Umstände in Anwendung zu ziehen.“

Gesetze sind erlassen, um den Menschen zu bestrafen, der ein Lastthier auf offener Straße mißhandelt, und es giebt noch keine Strafe für die Aufführung dessen, der, nachdem er sich in eine Lage versetzt hat, welche ihn weit unter das Thier erniedrigt, sich in diesem Zustande

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[59/0069] That bereuen, sondern auch wie mitten aus einem bösen Traum erwachen. Wenn wir wünschen, daß das Gesetz hinsichtlich der Trunksucht weniger tolerant sein möge, so ist damit nicht gemeint, daß die in der Trunkenheit begangenen Vergehen denen gleichgestellt werden sollen, welche mit Vorbedacht und kaltem Blute verübt werden. Nein, angenommen, ein in einen durchaus viehischen Zustand versunkener Trunkenbold stoße Beleidigungen und Drohungen aus, er schlage sogar und der von ihm geführte Schlag werde tödtlich, so ist ein solcher Mensch sicherlich nicht derselben Strafe schuldig, als wenn alle diese Handlungen bei kaltem Blute von ihm geschehen wären. Das Gesetz hat das nicht gewollt, und wir können die Weisheit desselben nur bewundern. Aber obgleich sein Fehler durch den Zustand seines Geistes in der Zeit, wo seine Hand nicht mehr durch einen gesunden Verstand geleitet wurde, an Gewicht verloren hat, so sollte man doch in ihm, wenn auch minder strenge, sowohl das Vergehen selbst, als die Veranlassungsursache desselben, nämlich die Trunksucht, bestrafen. Die Trunkenheit verdient Strafe, sobald sie zu Störung der öffentlichen Ordnung, zu Begehung von Gewaltthätigkeiten, zu Angriffen gegen die Sittlichkeit geführt hat, oder wo sie zu einem öffentlichen Scandal geworden ist. „Die Schlaffheit der Sitten in Frankreich,“ sagt Herr Bergeret in seinem Werkchen über die Trunksucht, „ist von der Art, daß diese niedrige Gewohnheit dort nicht nur ihre scheußlichen Bilder in voller Freiheit zur Schau trägt, sondern unsere Gerichte auch die Schwachheit begehen, bei den in der Trunkenheit verübten Freveln und Verbrechen die Rechtswohlthat der mildernden Umstände in Anwendung zu ziehen.“ Gesetze sind erlassen, um den Menschen zu bestrafen, der ein Lastthier auf offener Straße mißhandelt, und es giebt noch keine Strafe für die Aufführung dessen, der, nachdem er sich in eine Lage versetzt hat, welche ihn weit unter das Thier erniedrigt, sich in diesem Zustande

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Zitationshilfe: Burdel, Édouard: Die Trunksucht. (Übers. Heinrich Gauss). Weimar, 1855, S. 59. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burdel_trunksucht_1855/69>, abgerufen am 24.11.2024.