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Burdel, Édouard: Die Trunksucht. (Übers. Heinrich Gauss). Weimar, 1855.

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Lazarethe gesperrt hätte, um sie vor den Augen der Welt zu verbergen.

Da der Zweck dieses Schriftchens, wie schon gesagt, nicht dahin geht, ein wissenschaftliches Werk zu veröffentlichen, vielmehr nur, wie in einem Gemälde, die schrecklichen Leiden und Krankheiten, welche den Säufer verfolgen, darzustellen, so wollen wir uns hier über diese verschiedenen Puncte nicht weiter verbreiten. Indeß darf dieser Gegenstand doch nicht von uns verlassen werden, ohne daß wir auch noch ein letztes Wort über eine der furchtbaren Nachwehen der Trunksucht sagen, eine Nachwehe, worunter der Säufer ausnahmsweise nicht allein leidet, welche vielmehr auf seiner Familie, ja auf der ganzen öffentlichen Gesellschaft mit lastet, ich meine die zunehmende Schwäche der Generation.

Es leidet heutzutage keinen Zweifel mehr, daß die Trunksucht der Fähigkeit, Kinder zu erzeugen, bedeutend schadet, und daß sie dieselbe sogar ganz aufzuheben vermag. Die Familien der Säufer sind in der Regel dünne besetzt, wenig zahlreich an Mitgliedern. Man hat berechnet, daß das Ergebniß der ehelichen Verbindung eines Säufers selten die Zahl von einem bis drei Kindern übersteigt. Die Trunksucht erstickt daher schon im Keime zwei Dritttheile der Individuen, welche sonst geboren worden wären. Es giebt allerdings auch manche Trunkenbolde mit zahlreicher Familie, aus deren Mitte jedoch stets ein großer Theil frühzeitig dahingerafft wird; denn die Erfahrung hat bewiesen, daß die in der Trunkenheit erzeugten Kinder gewöhnlich schon beklagenswerthe Keime von Krankheiten mit auf die Welt bringen. Ihr Dasein ist nur ein siechendes, und fast alle fallen schon frühreif vom Baume des Lebens. L'ivrogne n'engedre rien qui vaille (der Trunkenbold erzeugt kein taugliches Kind), sagt Amyot in seiner veralteten Sprache, und in der That, man sieht nur zu oft die Kinder der Säufer mit Scropheln, englischer Krankheit, Blödsinn, Krämpfen und Gehirnleiden behaftet. Was werden das für Bürger, für Unterthanen! welche Hoffnung kann einer

Lazarethe gesperrt hätte, um sie vor den Augen der Welt zu verbergen.

Da der Zweck dieses Schriftchens, wie schon gesagt, nicht dahin geht, ein wissenschaftliches Werk zu veröffentlichen, vielmehr nur, wie in einem Gemälde, die schrecklichen Leiden und Krankheiten, welche den Säufer verfolgen, darzustellen, so wollen wir uns hier über diese verschiedenen Puncte nicht weiter verbreiten. Indeß darf dieser Gegenstand doch nicht von uns verlassen werden, ohne daß wir auch noch ein letztes Wort über eine der furchtbaren Nachwehen der Trunksucht sagen, eine Nachwehe, worunter der Säufer ausnahmsweise nicht allein leidet, welche vielmehr auf seiner Familie, ja auf der ganzen öffentlichen Gesellschaft mit lastet, ich meine die zunehmende Schwäche der Generation.

Es leidet heutzutage keinen Zweifel mehr, daß die Trunksucht der Fähigkeit, Kinder zu erzeugen, bedeutend schadet, und daß sie dieselbe sogar ganz aufzuheben vermag. Die Familien der Säufer sind in der Regel dünne besetzt, wenig zahlreich an Mitgliedern. Man hat berechnet, daß das Ergebniß der ehelichen Verbindung eines Säufers selten die Zahl von einem bis drei Kindern übersteigt. Die Trunksucht erstickt daher schon im Keime zwei Dritttheile der Individuen, welche sonst geboren worden wären. Es giebt allerdings auch manche Trunkenbolde mit zahlreicher Familie, aus deren Mitte jedoch stets ein großer Theil frühzeitig dahingerafft wird; denn die Erfahrung hat bewiesen, daß die in der Trunkenheit erzeugten Kinder gewöhnlich schon beklagenswerthe Keime von Krankheiten mit auf die Welt bringen. Ihr Dasein ist nur ein siechendes, und fast alle fallen schon frühreif vom Baume des Lebens. L’ivrogne n’engedre rien qui vaille (der Trunkenbold erzeugt kein taugliches Kind), sagt Amyot in seiner veralteten Sprache, und in der That, man sieht nur zu oft die Kinder der Säufer mit Scropheln, englischer Krankheit, Blödsinn, Krämpfen und Gehirnleiden behaftet. Was werden das für Bürger, für Unterthanen! welche Hoffnung kann einer

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[34/0044] Lazarethe gesperrt hätte, um sie vor den Augen der Welt zu verbergen. Da der Zweck dieses Schriftchens, wie schon gesagt, nicht dahin geht, ein wissenschaftliches Werk zu veröffentlichen, vielmehr nur, wie in einem Gemälde, die schrecklichen Leiden und Krankheiten, welche den Säufer verfolgen, darzustellen, so wollen wir uns hier über diese verschiedenen Puncte nicht weiter verbreiten. Indeß darf dieser Gegenstand doch nicht von uns verlassen werden, ohne daß wir auch noch ein letztes Wort über eine der furchtbaren Nachwehen der Trunksucht sagen, eine Nachwehe, worunter der Säufer ausnahmsweise nicht allein leidet, welche vielmehr auf seiner Familie, ja auf der ganzen öffentlichen Gesellschaft mit lastet, ich meine die zunehmende Schwäche der Generation. Es leidet heutzutage keinen Zweifel mehr, daß die Trunksucht der Fähigkeit, Kinder zu erzeugen, bedeutend schadet, und daß sie dieselbe sogar ganz aufzuheben vermag. Die Familien der Säufer sind in der Regel dünne besetzt, wenig zahlreich an Mitgliedern. Man hat berechnet, daß das Ergebniß der ehelichen Verbindung eines Säufers selten die Zahl von einem bis drei Kindern übersteigt. Die Trunksucht erstickt daher schon im Keime zwei Dritttheile der Individuen, welche sonst geboren worden wären. Es giebt allerdings auch manche Trunkenbolde mit zahlreicher Familie, aus deren Mitte jedoch stets ein großer Theil frühzeitig dahingerafft wird; denn die Erfahrung hat bewiesen, daß die in der Trunkenheit erzeugten Kinder gewöhnlich schon beklagenswerthe Keime von Krankheiten mit auf die Welt bringen. Ihr Dasein ist nur ein siechendes, und fast alle fallen schon frühreif vom Baume des Lebens. L’ivrogne n’engedre rien qui vaille (der Trunkenbold erzeugt kein taugliches Kind), sagt Amyot in seiner veralteten Sprache, und in der That, man sieht nur zu oft die Kinder der Säufer mit Scropheln, englischer Krankheit, Blödsinn, Krämpfen und Gehirnleiden behaftet. Was werden das für Bürger, für Unterthanen! welche Hoffnung kann einer

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Zitationshilfe: Burdel, Édouard: Die Trunksucht. (Übers. Heinrich Gauss). Weimar, 1855, S. 34. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burdel_trunksucht_1855/44>, abgerufen am 25.04.2024.