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Burdel, Édouard: Die Trunksucht. (Übers. Heinrich Gauss). Weimar, 1855.

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dem ganzen Körper mittheilt. Ein allgemeines Wohlbehagen macht sich fühlbar, der Appetit wird geschärft, alle Lebenskräfte werden aufgeregt, die Stirne verliert ihre Falten, die ganze Physiognomie wird belebter, offener; bald gewinnen nun auch die Augen an Glanz, werden feuchter, die Wangen schwellen an und färben sich, der Mund wird beweglich und nimmt eine lächelnde Miene an. Man fühlt sich stärker, kräftiger, die Bewegungen werden leichter, elastischer. Auch die geistigen Eigenschaften entwickeln sich mehr und mehr, das Begreifen geht rascher von Statten, die Gedanken kommen schneller und die Einbildungskraft schmückt sie mit ihren verführerischsten und täuschendsten Farben. Selbst der sonst ruhige, schweigsame Mensch wird redselig und unruhig, während der von Natur mit einem lebhaften und heftigen Character Begabte sich einer närrischen und lauten Fröhlichkeit hingiebt, welche mitunter auch wohl in Gereiztheit und Jähzorn ausartet.

Das ist es, was man den ersten Grad der Trunkenheit nennen kann und was man im gemeinen Leben einen kleinen Spitz haben *) heißt. Dieser Grad ist es denn auch, welchen die Dichter besungen haben, und in der That, es würde derselbe sich auch fast niemals schädlich erweisen, wenn die Menschen nur stets so gescheidt wären, es dabei bewenden zu lassen und keinen Mißbrauch damit zu treiben. Aber ach! zu Allem, was Genuß schafft, kehrt man nur zu gern, ja für immer zurück.

Nach jenen ersten Erscheinungen macht sich übrigens in dem Zustande der Trinker sofort eine Nuance bemerkbar, welche, in dem Maße, als sie hervortritt, sich als

*) Es würde einen bedeutenden Raum einnehmen, wenn alle die mitunter komisch genug klingenden Namen in unserem lieben Deutschland für den fraglichen Zustand hier aufgeführt werden sollten; ein Beweis übrigens, wie sehr derselbe überall seine Liebhaber findet.
Der Uebers.

dem ganzen Körper mittheilt. Ein allgemeines Wohlbehagen macht sich fühlbar, der Appetit wird geschärft, alle Lebenskräfte werden aufgeregt, die Stirne verliert ihre Falten, die ganze Physiognomie wird belebter, offener; bald gewinnen nun auch die Augen an Glanz, werden feuchter, die Wangen schwellen an und färben sich, der Mund wird beweglich und nimmt eine lächelnde Miene an. Man fühlt sich stärker, kräftiger, die Bewegungen werden leichter, elastischer. Auch die geistigen Eigenschaften entwickeln sich mehr und mehr, das Begreifen geht rascher von Statten, die Gedanken kommen schneller und die Einbildungskraft schmückt sie mit ihren verführerischsten und täuschendsten Farben. Selbst der sonst ruhige, schweigsame Mensch wird redselig und unruhig, während der von Natur mit einem lebhaften und heftigen Character Begabte sich einer närrischen und lauten Fröhlichkeit hingiebt, welche mitunter auch wohl in Gereiztheit und Jähzorn ausartet.

Das ist es, was man den ersten Grad der Trunkenheit nennen kann und was man im gemeinen Leben einen kleinen Spitz haben *) heißt. Dieser Grad ist es denn auch, welchen die Dichter besungen haben, und in der That, es würde derselbe sich auch fast niemals schädlich erweisen, wenn die Menschen nur stets so gescheidt wären, es dabei bewenden zu lassen und keinen Mißbrauch damit zu treiben. Aber ach! zu Allem, was Genuß schafft, kehrt man nur zu gern, ja für immer zurück.

Nach jenen ersten Erscheinungen macht sich übrigens in dem Zustande der Trinker sofort eine Nuance bemerkbar, welche, in dem Maße, als sie hervortritt, sich als

*) Es würde einen bedeutenden Raum einnehmen, wenn alle die mitunter komisch genug klingenden Namen in unserem lieben Deutschland für den fraglichen Zustand hier aufgeführt werden sollten; ein Beweis übrigens, wie sehr derselbe überall seine Liebhaber findet.
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[9/0019] dem ganzen Körper mittheilt. Ein allgemeines Wohlbehagen macht sich fühlbar, der Appetit wird geschärft, alle Lebenskräfte werden aufgeregt, die Stirne verliert ihre Falten, die ganze Physiognomie wird belebter, offener; bald gewinnen nun auch die Augen an Glanz, werden feuchter, die Wangen schwellen an und färben sich, der Mund wird beweglich und nimmt eine lächelnde Miene an. Man fühlt sich stärker, kräftiger, die Bewegungen werden leichter, elastischer. Auch die geistigen Eigenschaften entwickeln sich mehr und mehr, das Begreifen geht rascher von Statten, die Gedanken kommen schneller und die Einbildungskraft schmückt sie mit ihren verführerischsten und täuschendsten Farben. Selbst der sonst ruhige, schweigsame Mensch wird redselig und unruhig, während der von Natur mit einem lebhaften und heftigen Character Begabte sich einer närrischen und lauten Fröhlichkeit hingiebt, welche mitunter auch wohl in Gereiztheit und Jähzorn ausartet. Das ist es, was man den ersten Grad der Trunkenheit nennen kann und was man im gemeinen Leben einen kleinen Spitz haben *) heißt. Dieser Grad ist es denn auch, welchen die Dichter besungen haben, und in der That, es würde derselbe sich auch fast niemals schädlich erweisen, wenn die Menschen nur stets so gescheidt wären, es dabei bewenden zu lassen und keinen Mißbrauch damit zu treiben. Aber ach! zu Allem, was Genuß schafft, kehrt man nur zu gern, ja für immer zurück. Nach jenen ersten Erscheinungen macht sich übrigens in dem Zustande der Trinker sofort eine Nuance bemerkbar, welche, in dem Maße, als sie hervortritt, sich als *) Es würde einen bedeutenden Raum einnehmen, wenn alle die mitunter komisch genug klingenden Namen in unserem lieben Deutschland für den fraglichen Zustand hier aufgeführt werden sollten; ein Beweis übrigens, wie sehr derselbe überall seine Liebhaber findet. Der Uebers.

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Zitationshilfe: Burdel, Édouard: Die Trunksucht. (Übers. Heinrich Gauss). Weimar, 1855, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burdel_trunksucht_1855/19>, abgerufen am 29.03.2024.