in allen ihren Punkten nicht mehr als für einen einzigen Krankheitsfall passend seyn.
§ 198.
Wenn also die Erfahrung lehrt, daß bey einer gewissen Krankheit eine bestimmte Methode heilsam war, so findet bey einem ähnlichen Krankheitsfalle keine vollständige Ana- logie Statt, weil derselbe nothwendig durch andere Ursachen bestimmt seyn muß. Die Heilkunst sucht also die Abwei- chung des gegenwärtigen Falles von dem vormaligen auf, und ändert dem zufolge auch die Heilmethode ab.
§ 199.
Da aber diese Unterschiede oft äusserst sein, die Erschei- nungen oft äusserst verwickelt sind, und da die Entdeckung des Caussalverhältnisses in den Naturerscheinungen überhaupt mit großen Schwierigkeiten verbunden ist, so wird hierzu ebenfalls ein besonders hoher Grad von Scharfsinn und Be- urtheilungskraft erfordert.
§ 100.
Hieraus erhellet, daß die Heilkunst nicht nur (nach Hippokrates Ausspruche) von großem Umfange, sondern daß sie unermeßlich ist. So wie die Natur in allen ihren Wirkungen sich nie ganz gleich ist, ohngeachtet sie immer von denselben Gesetzen abhängen, so darf auch die Heil- kunst, welche einen Theil dieser Würkungen abzuändern be- zweckt, in mehrern Fällen sich nie ganz derselben Methode bedienen, ob sie gleich nach denselben Gesetzen würkt.
§ 101.
Die Form aber ist überhaupt mehr begränzt, leidet weniger Modificationen, als die Erscheinungen im engern
Sinne
Erſter Theil.
in allen ihren Punkten nicht mehr als fuͤr einen einzigen Krankheitsfall paſſend ſeyn.
§ 198.
Wenn alſo die Erfahrung lehrt, daß bey einer gewiſſen Krankheit eine beſtimmte Methode heilſam war, ſo findet bey einem aͤhnlichen Krankheitsfalle keine vollſtaͤndige Ana- logie Statt, weil derſelbe nothwendig durch andere Urſachen beſtimmt ſeyn muß. Die Heilkunſt ſucht alſo die Abwei- chung des gegenwaͤrtigen Falles von dem vormaligen auf, und aͤndert dem zufolge auch die Heilmethode ab.
§ 199.
Da aber dieſe Unterſchiede oft aͤuſſerſt ſein, die Erſchei- nungen oft aͤuſſerſt verwickelt ſind, und da die Entdeckung des Cauſſalverhaͤltniſſes in den Naturerſcheinungen uͤberhaupt mit großen Schwierigkeiten verbunden iſt, ſo wird hierzu ebenfalls ein beſonders hoher Grad von Scharfſinn und Be- urtheilungskraft erfordert.
§ 100.
Hieraus erhellet, daß die Heilkunſt nicht nur (nach Hippokrates Ausſpruche) von großem Umfange, ſondern daß ſie unermeßlich iſt. So wie die Natur in allen ihren Wirkungen ſich nie ganz gleich iſt, ohngeachtet ſie immer von denſelben Geſetzen abhaͤngen, ſo darf auch die Heil- kunſt, welche einen Theil dieſer Wuͤrkungen abzuaͤndern be- zweckt, in mehrern Faͤllen ſich nie ganz derſelben Methode bedienen, ob ſie gleich nach denſelben Geſetzen wuͤrkt.
§ 101.
Die Form aber iſt uͤberhaupt mehr begraͤnzt, leidet weniger Modificationen, als die Erſcheinungen im engern
Sinne
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Erſter Theil.
in allen ihren Punkten nicht mehr als fuͤr einen einzigen
Krankheitsfall paſſend ſeyn.
§ 198.
Wenn alſo die Erfahrung lehrt, daß bey einer gewiſſen
Krankheit eine beſtimmte Methode heilſam war, ſo findet
bey einem aͤhnlichen Krankheitsfalle keine vollſtaͤndige Ana-
logie Statt, weil derſelbe nothwendig durch andere Urſachen
beſtimmt ſeyn muß. Die Heilkunſt ſucht alſo die Abwei-
chung des gegenwaͤrtigen Falles von dem vormaligen auf,
und aͤndert dem zufolge auch die Heilmethode ab.
§ 199.
Da aber dieſe Unterſchiede oft aͤuſſerſt ſein, die Erſchei-
nungen oft aͤuſſerſt verwickelt ſind, und da die Entdeckung
des Cauſſalverhaͤltniſſes in den Naturerſcheinungen uͤberhaupt
mit großen Schwierigkeiten verbunden iſt, ſo wird hierzu
ebenfalls ein beſonders hoher Grad von Scharfſinn und Be-
urtheilungskraft erfordert.
§ 100.
Hieraus erhellet, daß die Heilkunſt nicht nur (nach
Hippokrates Ausſpruche) von großem Umfange, ſondern
daß ſie unermeßlich iſt. So wie die Natur in allen ihren
Wirkungen ſich nie ganz gleich iſt, ohngeachtet ſie immer
von denſelben Geſetzen abhaͤngen, ſo darf auch die Heil-
kunſt, welche einen Theil dieſer Wuͤrkungen abzuaͤndern be-
zweckt, in mehrern Faͤllen ſich nie ganz derſelben Methode
bedienen, ob ſie gleich nach denſelben Geſetzen wuͤrkt.
§ 101.
Die Form aber iſt uͤberhaupt mehr begraͤnzt, leidet
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Burdach, Karl Friedrich: Propädeutik zum Studium der gesammten Heilkunst. Leipzig, 1800, S. 34. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burdach_propaedeutik_1800/52>, abgerufen am 16.07.2024.
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