Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Burdach, Karl Friedrich: Propädeutik zum Studium der gesammten Heilkunst. Leipzig, 1800.

Bild:
<< vorherige Seite

Erster Theil.
in ihren Werken einen Widerspruch zu finden vermeynen, so
liegt der Fehler entweder an unserer Beobachtung, oder an
unserer Beurtheilung.

§ 86.

Haben wir daher ein Gesetz, nach welchem die allge-
meine Naturkraft würkt, entdeckt, und es nur in dem Kreisse
unserer Erfahrungen als hinlänglich bewährt und begründet
gefunden, so können wir mit Sicherheit urtheilen, daß das-
selbe in den unzähligen andern Fällen, welche wir noch nicht
beobachtet haben oder nicht beobachten können, eben so wür-
ken werde.

§ 87.

Die Beobachtung einer Erscheinung, welche einem
solchen Gesetze geradezu entgegen ist, und es aufhebt, kön-
nen wir mit Sicherheit als unrichtig verwerfen, denn die
Natur ist ein Einiges und streitet nie mit sich selbst.

§ 88.

Hierdurch wird also die Gewißheit einer jeden Natur-
wissenschaft möglich, und da die Heilkunst sich auf die Er-
kenntniß der Gesetze der in dem Menschen würkenden Natur-
kraft bezieht, so ist dadurch auch die Möglichkeit ihrer Ge-
wißheit begründet *).

*) Boerhaave de comparando certo in physicis. Lugd.
Bat.
715. 4.
§ 89.

Ueber die Krankheiten und ihre Heilart hat im Allge-
meinen die Heilkunst nur eine Stimme; sie bewahrt nämlich
die Beobachtungen auf, welche in den einzelnen Fällen sich
immer gleich sind, und gleich seyn müssen, und wendet sie

gehö-

Erſter Theil.
in ihren Werken einen Widerſpruch zu finden vermeynen, ſo
liegt der Fehler entweder an unſerer Beobachtung, oder an
unſerer Beurtheilung.

§ 86.

Haben wir daher ein Geſetz, nach welchem die allge-
meine Naturkraft wuͤrkt, entdeckt, und es nur in dem Kreiſſe
unſerer Erfahrungen als hinlaͤnglich bewaͤhrt und begruͤndet
gefunden, ſo koͤnnen wir mit Sicherheit urtheilen, daß daſ-
ſelbe in den unzaͤhligen andern Faͤllen, welche wir noch nicht
beobachtet haben oder nicht beobachten koͤnnen, eben ſo wuͤr-
ken werde.

§ 87.

Die Beobachtung einer Erſcheinung, welche einem
ſolchen Geſetze geradezu entgegen iſt, und es aufhebt, koͤn-
nen wir mit Sicherheit als unrichtig verwerfen, denn die
Natur iſt ein Einiges und ſtreitet nie mit ſich ſelbſt.

§ 88.

Hierdurch wird alſo die Gewißheit einer jeden Natur-
wiſſenſchaft moͤglich, und da die Heilkunſt ſich auf die Er-
kenntniß der Geſetze der in dem Menſchen wuͤrkenden Natur-
kraft bezieht, ſo iſt dadurch auch die Moͤglichkeit ihrer Ge-
wißheit begruͤndet *).

*) Boerhaave de comparando certo in physicis. Lugd.
Bat.
715. 4.
§ 89.

Ueber die Krankheiten und ihre Heilart hat im Allge-
meinen die Heilkunſt nur eine Stimme; ſie bewahrt naͤmlich
die Beobachtungen auf, welche in den einzelnen Faͤllen ſich
immer gleich ſind, und gleich ſeyn muͤſſen, und wendet ſie

gehoͤ-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="2">
        <div n="3">
          <div n="4">
            <div n="5">
              <p><pb facs="#f0048" n="30"/><fw place="top" type="header">Er&#x017F;ter Theil.</fw><lb/>
in ihren Werken einen Wider&#x017F;pruch zu finden vermeynen, &#x017F;o<lb/>
liegt der Fehler entweder an un&#x017F;erer Beobachtung, oder an<lb/>
un&#x017F;erer Beurtheilung.</p>
            </div><lb/>
            <div n="5">
              <head>§ 86.</head><lb/>
              <p>Haben wir daher ein Ge&#x017F;etz, nach welchem die allge-<lb/>
meine Naturkraft wu&#x0364;rkt, entdeckt, und es nur in dem Krei&#x017F;&#x017F;e<lb/>
un&#x017F;erer Erfahrungen als hinla&#x0364;nglich bewa&#x0364;hrt und begru&#x0364;ndet<lb/>
gefunden, &#x017F;o ko&#x0364;nnen wir mit Sicherheit urtheilen, daß da&#x017F;-<lb/>
&#x017F;elbe in den unza&#x0364;hligen andern Fa&#x0364;llen, welche wir noch nicht<lb/>
beobachtet haben oder nicht beobachten ko&#x0364;nnen, eben &#x017F;o wu&#x0364;r-<lb/>
ken werde.</p>
            </div><lb/>
            <div n="5">
              <head>§ 87.</head><lb/>
              <p>Die Beobachtung einer Er&#x017F;cheinung, welche einem<lb/>
&#x017F;olchen Ge&#x017F;etze geradezu entgegen i&#x017F;t, und es aufhebt, ko&#x0364;n-<lb/>
nen wir mit Sicherheit als unrichtig verwerfen, denn die<lb/>
Natur i&#x017F;t ein Einiges und &#x017F;treitet nie mit &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t.</p>
            </div><lb/>
            <div n="5">
              <head>§ 88.</head><lb/>
              <p>Hierdurch wird al&#x017F;o die Gewißheit einer jeden Natur-<lb/>
wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft mo&#x0364;glich, und da die Heilkun&#x017F;t &#x017F;ich auf die Er-<lb/>
kenntniß der Ge&#x017F;etze der in dem Men&#x017F;chen wu&#x0364;rkenden Natur-<lb/>
kraft bezieht, &#x017F;o i&#x017F;t dadurch auch die Mo&#x0364;glichkeit ihrer Ge-<lb/>
wißheit begru&#x0364;ndet *).</p><lb/>
              <note place="end" n="*)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">Boerhaave</hi> de comparando certo in physicis. Lugd.<lb/>
Bat.</hi> 715. 4.</note>
            </div><lb/>
            <div n="5">
              <head>§ 89.</head><lb/>
              <p>Ueber die Krankheiten und ihre Heilart hat im Allge-<lb/>
meinen die Heilkun&#x017F;t nur eine Stimme; &#x017F;ie bewahrt na&#x0364;mlich<lb/>
die Beobachtungen auf, welche in den einzelnen Fa&#x0364;llen &#x017F;ich<lb/>
immer gleich &#x017F;ind, und gleich &#x017F;eyn mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en, und wendet &#x017F;ie<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">geho&#x0364;-</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[30/0048] Erſter Theil. in ihren Werken einen Widerſpruch zu finden vermeynen, ſo liegt der Fehler entweder an unſerer Beobachtung, oder an unſerer Beurtheilung. § 86. Haben wir daher ein Geſetz, nach welchem die allge- meine Naturkraft wuͤrkt, entdeckt, und es nur in dem Kreiſſe unſerer Erfahrungen als hinlaͤnglich bewaͤhrt und begruͤndet gefunden, ſo koͤnnen wir mit Sicherheit urtheilen, daß daſ- ſelbe in den unzaͤhligen andern Faͤllen, welche wir noch nicht beobachtet haben oder nicht beobachten koͤnnen, eben ſo wuͤr- ken werde. § 87. Die Beobachtung einer Erſcheinung, welche einem ſolchen Geſetze geradezu entgegen iſt, und es aufhebt, koͤn- nen wir mit Sicherheit als unrichtig verwerfen, denn die Natur iſt ein Einiges und ſtreitet nie mit ſich ſelbſt. § 88. Hierdurch wird alſo die Gewißheit einer jeden Natur- wiſſenſchaft moͤglich, und da die Heilkunſt ſich auf die Er- kenntniß der Geſetze der in dem Menſchen wuͤrkenden Natur- kraft bezieht, ſo iſt dadurch auch die Moͤglichkeit ihrer Ge- wißheit begruͤndet *). *⁾ Boerhaave de comparando certo in physicis. Lugd. Bat. 715. 4. § 89. Ueber die Krankheiten und ihre Heilart hat im Allge- meinen die Heilkunſt nur eine Stimme; ſie bewahrt naͤmlich die Beobachtungen auf, welche in den einzelnen Faͤllen ſich immer gleich ſind, und gleich ſeyn muͤſſen, und wendet ſie gehoͤ-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/burdach_propaedeutik_1800
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/burdach_propaedeutik_1800/48
Zitationshilfe: Burdach, Karl Friedrich: Propädeutik zum Studium der gesammten Heilkunst. Leipzig, 1800, S. 30. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burdach_propaedeutik_1800/48>, abgerufen am 21.11.2024.