Hierzu genügt eigentlich ein mäßiger Kreis von Men- schen, weil ihre Denk- und Handlungsweise im Ganzen viel Uebereinstimmendes hat; allein theils um sich hiervon zu überzeugen, theils um einen äußern Stoß zu bekommen, welcher zur Erforschung des Menschen antreibt, ist die Wahrnehmung einer großen Menge von Menschen vortheil- haft. Daher ist es besser, wenn der Arzt in großen Städ- ten studirt, wo er Menschen von allen Nationen und Klas- sen, Vermögensumständen, Beschäftigungen etc. beobachten kann, oder wenn er Reisen macht. Doch bleibt dies immer nur die äußere Gelegenheit, Erfahrungen zu sammeln, und man kann die ganze Welt durchreiset seyn, ohne halb soviel vom Menschen zu wissen, als der aufmerksame Beobachter, welcher nie das Gebiet eines kleinen Städtchens überschritt.
§ 545.
Humanität ist die Frucht der Ausbildung des morali- schen Wesens im Menschen, und wahre Aufklärung durch Philosophie verleiht ihr Nahrung und Kraft.
§ 546.
Dadurch, daß der Arzt Theilnahme an dem Schick- sale des Kranken besitzt, wird er zu Anstrengung aller seiner Kräfte, um ihn zu heilen, ohne Rücksicht auf Belohnung, aufgefordert, und durch Aeußerung dieser Theilnahme ge- winut er das Zutrauen des Kranken, welches die erste, ja oft die einzige Bedingung zum glücklichen Erfolge der ärzt- lichen Bemühungen ausmacht.
Leidenschaftlosigkeit und Ruhe des Geistes ist eine eben so nöthige Eigenschaft des Arztes, weil er ohne
die-
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Bildung des Arztes.
§ 544.
Hierzu genuͤgt eigentlich ein maͤßiger Kreis von Men- ſchen, weil ihre Denk- und Handlungsweiſe im Ganzen viel Uebereinſtimmendes hat; allein theils um ſich hiervon zu uͤberzeugen, theils um einen aͤußern Stoß zu bekommen, welcher zur Erforſchung des Menſchen antreibt, iſt die Wahrnehmung einer großen Menge von Menſchen vortheil- haft. Daher iſt es beſſer, wenn der Arzt in großen Staͤd- ten ſtudirt, wo er Menſchen von allen Nationen und Klaſ- ſen, Vermoͤgensumſtaͤnden, Beſchaͤftigungen ꝛc. beobachten kann, oder wenn er Reiſen macht. Doch bleibt dies immer nur die aͤußere Gelegenheit, Erfahrungen zu ſammeln, und man kann die ganze Welt durchreiſet ſeyn, ohne halb ſoviel vom Menſchen zu wiſſen, als der aufmerkſame Beobachter, welcher nie das Gebiet eines kleinen Staͤdtchens uͤberſchritt.
§ 545.
Humanitaͤt iſt die Frucht der Ausbildung des morali- ſchen Weſens im Menſchen, und wahre Aufklaͤrung durch Philoſophie verleiht ihr Nahrung und Kraft.
§ 546.
Dadurch, daß der Arzt Theilnahme an dem Schick- ſale des Kranken beſitzt, wird er zu Anſtrengung aller ſeiner Kraͤfte, um ihn zu heilen, ohne Ruͤckſicht auf Belohnung, aufgefordert, und durch Aeußerung dieſer Theilnahme ge- winut er das Zutrauen des Kranken, welches die erſte, ja oft die einzige Bedingung zum gluͤcklichen Erfolge der aͤrzt- lichen Bemuͤhungen ausmacht.
Leidenſchaftloſigkeit und Ruhe des Geiſtes iſt eine eben ſo noͤthige Eigenſchaft des Arztes, weil er ohne
die-
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Bildung des Arztes.
§ 544.
Hierzu genuͤgt eigentlich ein maͤßiger Kreis von Men-
ſchen, weil ihre Denk- und Handlungsweiſe im Ganzen viel
Uebereinſtimmendes hat; allein theils um ſich hiervon zu
uͤberzeugen, theils um einen aͤußern Stoß zu bekommen,
welcher zur Erforſchung des Menſchen antreibt, iſt die
Wahrnehmung einer großen Menge von Menſchen vortheil-
haft. Daher iſt es beſſer, wenn der Arzt in großen Staͤd-
ten ſtudirt, wo er Menſchen von allen Nationen und Klaſ-
ſen, Vermoͤgensumſtaͤnden, Beſchaͤftigungen ꝛc. beobachten
kann, oder wenn er Reiſen macht. Doch bleibt dies immer
nur die aͤußere Gelegenheit, Erfahrungen zu ſammeln, und
man kann die ganze Welt durchreiſet ſeyn, ohne halb ſoviel
vom Menſchen zu wiſſen, als der aufmerkſame Beobachter,
welcher nie das Gebiet eines kleinen Staͤdtchens uͤberſchritt.
§ 545.
Humanitaͤt iſt die Frucht der Ausbildung des morali-
ſchen Weſens im Menſchen, und wahre Aufklaͤrung durch
Philoſophie verleiht ihr Nahrung und Kraft.
§ 546.
Dadurch, daß der Arzt Theilnahme an dem Schick-
ſale des Kranken beſitzt, wird er zu Anſtrengung aller ſeiner
Kraͤfte, um ihn zu heilen, ohne Ruͤckſicht auf Belohnung,
aufgefordert, und durch Aeußerung dieſer Theilnahme ge-
winut er das Zutrauen des Kranken, welches die erſte, ja
oft die einzige Bedingung zum gluͤcklichen Erfolge der aͤrzt-
lichen Bemuͤhungen ausmacht.
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eine eben ſo noͤthige Eigenſchaft des Arztes, weil er ohne
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Burdach, Karl Friedrich: Propädeutik zum Studium der gesammten Heilkunst. Leipzig, 1800, S. 167. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burdach_propaedeutik_1800/185>, abgerufen am 16.07.2024.
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