Nobili einen Vorschlag, der Staat solle jährlich 70,000 Du-1. Abschnitt. caten zur Vertröstung derjenigen armen Adlichen auswerfen welche kein Amt hätten; die Sache war nahe daran vor den großen Rath zu kommen, wo sie eine Majorität hätte erhalten können -- als der Rath der Zehn noch zu rechter Zeit eingriff und die beiden auf Lebenszeit nach Nicosia auf Cypern verbannte. 1) Um diese Zeit wurde ein So- ranzo auswärts als Kirchenräuber gehenkt, und ein Con- tarini wegen Einbruchs in Ketten gelegt; ein anderer von derselben Familie trat 1499 vor die Signorie und jammerte, er sei seit vielen Jahren ohne Amt, habe nur 16 Ducaten Einkünfte und 9 Kinder, dazu 60 Ducaten Schulden, ver- stehe kein Geschäft und sei neulich auf die Gasse gesetzt worden. Man begreift, daß einzelne reiche Nobili Häuser bauten um die armen darin gratis wohnen zu lassen. Der Häuserbau um Gotteswillen, selbst in ganzen Reihen, kommt in Testamenten als gutes Werk vor. 2)
Wenn die Feinde Venedigs auf Uebelstände dieser ArtDie gesunden Kräfte. jemals ernstliche Hoffnungen gründeten, so irrten sie sich gleichwohl. Man könnte glauben, daß schon der Schwung des Handels, der auch dem Geringsten einen reichlichen Gewinn der Arbeit sicherte, daß die Colonien im östlichen Mittelmeer die gefährlichen Kräfte von der Politik abgelenkt haben möchten. Hat aber nicht Genua, trotz ähnlicher Vor- theile, die sturmvollste politische Geschichte gehabt? Der Grund von Venedigs Unerschütterlichkeit liegt eher in einem Zusammenwirken von Umständen, die sich sonst nirgends vereinigten. Unangreifbar als Stadt, hatte es sich von je- her der auswärtigen Verhältnisse nur mit der kühlsten Ueber- legung angenommen, das Parteiwesen des übrigen Italiens fast ignorirt, seine Allianzen nur für vorübergehende Zwecke
1)Malipiero, im Arch. stor. VII, II. p. 691. Vgl. 694. 713 und I, 535.
2)Marin Sanudo, vite de' Duchi, Murat. XXII, Col. 1194.
Cultur der Renaissance. 5
Nobili einen Vorſchlag, der Staat ſolle jährlich 70,000 Du-1. Abſchnitt. caten zur Vertröſtung derjenigen armen Adlichen auswerfen welche kein Amt hätten; die Sache war nahe daran vor den großen Rath zu kommen, wo ſie eine Majorität hätte erhalten können — als der Rath der Zehn noch zu rechter Zeit eingriff und die beiden auf Lebenszeit nach Nicoſia auf Cypern verbannte. 1) Um dieſe Zeit wurde ein So- ranzo auswärts als Kirchenräuber gehenkt, und ein Con- tarini wegen Einbruchs in Ketten gelegt; ein anderer von derſelben Familie trat 1499 vor die Signorie und jammerte, er ſei ſeit vielen Jahren ohne Amt, habe nur 16 Ducaten Einkünfte und 9 Kinder, dazu 60 Ducaten Schulden, ver- ſtehe kein Geſchäft und ſei neulich auf die Gaſſe geſetzt worden. Man begreift, daß einzelne reiche Nobili Häuſer bauten um die armen darin gratis wohnen zu laſſen. Der Häuſerbau um Gotteswillen, ſelbſt in ganzen Reihen, kommt in Teſtamenten als gutes Werk vor. 2)
Wenn die Feinde Venedigs auf Uebelſtände dieſer ArtDie geſunden Kräfte. jemals ernſtliche Hoffnungen gründeten, ſo irrten ſie ſich gleichwohl. Man könnte glauben, daß ſchon der Schwung des Handels, der auch dem Geringſten einen reichlichen Gewinn der Arbeit ſicherte, daß die Colonien im öſtlichen Mittelmeer die gefährlichen Kräfte von der Politik abgelenkt haben möchten. Hat aber nicht Genua, trotz ähnlicher Vor- theile, die ſturmvollſte politiſche Geſchichte gehabt? Der Grund von Venedigs Unerſchütterlichkeit liegt eher in einem Zuſammenwirken von Umſtänden, die ſich ſonſt nirgends vereinigten. Unangreifbar als Stadt, hatte es ſich von je- her der auswärtigen Verhältniſſe nur mit der kühlſten Ueber- legung angenommen, das Parteiweſen des übrigen Italiens faſt ignorirt, ſeine Allianzen nur für vorübergehende Zwecke
1)Malipiero, im Arch. stor. VII, II. p. 691. Vgl. 694. 713 und I, 535.
2)Marin Sanudo, vite de' Duchi, Murat. XXII, Col. 1194.
Cultur der Renaiſſance. 5
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Nobili einen Vorſchlag, der Staat ſolle jährlich 70,000 Du-
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welche kein Amt hätten; die Sache war nahe daran vor
den großen Rath zu kommen, wo ſie eine Majorität hätte
erhalten können — als der Rath der Zehn noch zu rechter
Zeit eingriff und die beiden auf Lebenszeit nach Nicoſia
auf Cypern verbannte. 1) Um dieſe Zeit wurde ein So-
ranzo auswärts als Kirchenräuber gehenkt, und ein Con-
tarini wegen Einbruchs in Ketten gelegt; ein anderer von
derſelben Familie trat 1499 vor die Signorie und jammerte,
er ſei ſeit vielen Jahren ohne Amt, habe nur 16 Ducaten
Einkünfte und 9 Kinder, dazu 60 Ducaten Schulden, ver-
ſtehe kein Geſchäft und ſei neulich auf die Gaſſe geſetzt
worden. Man begreift, daß einzelne reiche Nobili Häuſer
bauten um die armen darin gratis wohnen zu laſſen. Der
Häuſerbau um Gotteswillen, ſelbſt in ganzen Reihen, kommt
in Teſtamenten als gutes Werk vor. 2)
1. Abſchnitt.
Wenn die Feinde Venedigs auf Uebelſtände dieſer Art
jemals ernſtliche Hoffnungen gründeten, ſo irrten ſie ſich
gleichwohl. Man könnte glauben, daß ſchon der Schwung
des Handels, der auch dem Geringſten einen reichlichen
Gewinn der Arbeit ſicherte, daß die Colonien im öſtlichen
Mittelmeer die gefährlichen Kräfte von der Politik abgelenkt
haben möchten. Hat aber nicht Genua, trotz ähnlicher Vor-
theile, die ſturmvollſte politiſche Geſchichte gehabt? Der
Grund von Venedigs Unerſchütterlichkeit liegt eher in einem
Zuſammenwirken von Umſtänden, die ſich ſonſt nirgends
vereinigten. Unangreifbar als Stadt, hatte es ſich von je-
her der auswärtigen Verhältniſſe nur mit der kühlſten Ueber-
legung angenommen, das Parteiweſen des übrigen Italiens
faſt ignorirt, ſeine Allianzen nur für vorübergehende Zwecke
Die geſunden
Kräfte.
1) Malipiero, im Arch. stor. VII, II. p. 691. Vgl. 694. 713 und
I, 535.
2) Marin Sanudo, vite de' Duchi, Murat. XXII, Col. 1194.
Cultur der Renaiſſance. 5
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Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860, S. 65. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860/75>, abgerufen am 25.11.2024.
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