zuerst als ein notorisch Ungläubiger existiren, wenn man6. Abschnitt. nur keine unmittelbare Feindseligkeit gegen die Kirche übte. Der Beichtvater z. B. der einen politischen Delinquenten zum Tode vorbereiten soll, erkundigt sich vorläufig, ob der- selbe glaube? "denn es war ein falsches Gerücht gegangen, er habe keinen Glauben" 1).
Der arme Sünder, um den es sich hier handelt, jenerDie Beichte des Boscoli. S. 59, f. erwähnte Pierpaolo Boscoli, der 1513 an einem Attentat gegen das eben hergestellte Haus Medici Theil nahm, ist bei diesem Anlaß zu einem wahren Spiegelbild der damaligen religiösen Confusion geworden. Von Hause aus der Partei Savonarola's zugethan, hatte er dann doch für die antiken Freiheitsideale und anderes Heidenthum geschwärmt; in seinem Kerker aber nimmt sich jene Partei wiederum seiner an und verschafft ihm ein seliges Ende in ihrem Sinne. Der pietätvolle Zeuge und Aufzeichner des Herganges ist einer von der Künstlerfamilie della Robbia, der gelehrte Philologe Luca. "Ach, seufzt Boscoli, treibet mir den Brutus aus dem Kopf, damit ich meinen Gang als Christ gehen kann!" -- Luca: "wenn Ihr wollt, so ist das nicht schwer; Ihr wisset ja daß jene Römerthaten uns nicht schlicht, sondern idealisirt (con arte accresciute) überliefert sind". Nun zwingt Jener seinen Verstand, zu glauben, und jammert daß er nicht freiwillig glauben könne. Wenn er nur noch einen Monat mit guten Mönchen zu leben hätte, dann würde er ganz geistlich gesinnt werden! Es zeigt sich weiter, daß diese Leute vom Anhang Savo- narola's die Bibel wenig kannten; Boscoli kann nur Pater- noster und Avemaria beten, und ersucht nun den Luca drin- gend, den Freunden zu sagen, sie möchten die heilige Schrift studiren, denn nur was der Mensch im Leben erlernt habe, das besitze er im Sterben. Darauf liest und erklärt ihm
1)Narrazione del caso del Boscoli, arch. stor. I, p. 273, s. -- Der stehende Ausdruck war non aver fede, vgl. Vasari, VII, p. 122, vita di Piero di Cosimo.
zuerſt als ein notoriſch Ungläubiger exiſtiren, wenn man6. Abſchnitt. nur keine unmittelbare Feindſeligkeit gegen die Kirche übte. Der Beichtvater z. B. der einen politiſchen Delinquenten zum Tode vorbereiten ſoll, erkundigt ſich vorläufig, ob der- ſelbe glaube? „denn es war ein falſches Gerücht gegangen, er habe keinen Glauben“ 1).
Der arme Sünder, um den es ſich hier handelt, jenerDie Beichte des Boscoli. S. 59, f. erwähnte Pierpaolo Boscoli, der 1513 an einem Attentat gegen das eben hergeſtellte Haus Medici Theil nahm, iſt bei dieſem Anlaß zu einem wahren Spiegelbild der damaligen religiöſen Confuſion geworden. Von Hauſe aus der Partei Savonarola's zugethan, hatte er dann doch für die antiken Freiheitsideale und anderes Heidenthum geſchwärmt; in ſeinem Kerker aber nimmt ſich jene Partei wiederum ſeiner an und verſchafft ihm ein ſeliges Ende in ihrem Sinne. Der pietätvolle Zeuge und Aufzeichner des Herganges iſt einer von der Künſtlerfamilie della Robbia, der gelehrte Philologe Luca. „Ach, ſeufzt Boscoli, treibet mir den Brutus aus dem Kopf, damit ich meinen Gang als Chriſt gehen kann!“ — Luca: „wenn Ihr wollt, ſo iſt das nicht ſchwer; Ihr wiſſet ja daß jene Römerthaten uns nicht ſchlicht, ſondern idealiſirt (con arte accresciute) überliefert ſind“. Nun zwingt Jener ſeinen Verſtand, zu glauben, und jammert daß er nicht freiwillig glauben könne. Wenn er nur noch einen Monat mit guten Mönchen zu leben hätte, dann würde er ganz geiſtlich geſinnt werden! Es zeigt ſich weiter, daß dieſe Leute vom Anhang Savo- narola's die Bibel wenig kannten; Boscoli kann nur Pater- noſter und Avemaria beten, und erſucht nun den Luca drin- gend, den Freunden zu ſagen, ſie möchten die heilige Schrift ſtudiren, denn nur was der Menſch im Leben erlernt habe, das beſitze er im Sterben. Darauf liest und erklärt ihm
1)Narrazione del caso del Boscoli, arch. stor. I, p. 273, s. — Der ſtehende Ausdruck war non aver fede, vgl. Vasari, VII, p. 122, vita di Piero di Cosimo.
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Der Beichtvater z. B. der einen politiſchen Delinquenten
zum Tode vorbereiten ſoll, erkundigt ſich vorläufig, ob der-
ſelbe glaube? „denn es war ein falſches Gerücht gegangen,
er habe keinen Glauben“ 1).
6. Abſchnitt.
Der arme Sünder, um den es ſich hier handelt, jener
S. 59, f. erwähnte Pierpaolo Boscoli, der 1513 an einem
Attentat gegen das eben hergeſtellte Haus Medici Theil
nahm, iſt bei dieſem Anlaß zu einem wahren Spiegelbild
der damaligen religiöſen Confuſion geworden. Von Hauſe
aus der Partei Savonarola's zugethan, hatte er dann doch
für die antiken Freiheitsideale und anderes Heidenthum
geſchwärmt; in ſeinem Kerker aber nimmt ſich jene Partei
wiederum ſeiner an und verſchafft ihm ein ſeliges Ende in
ihrem Sinne. Der pietätvolle Zeuge und Aufzeichner des
Herganges iſt einer von der Künſtlerfamilie della Robbia,
der gelehrte Philologe Luca. „Ach, ſeufzt Boscoli, treibet
mir den Brutus aus dem Kopf, damit ich meinen Gang
als Chriſt gehen kann!“ — Luca: „wenn Ihr wollt, ſo
iſt das nicht ſchwer; Ihr wiſſet ja daß jene Römerthaten
uns nicht ſchlicht, ſondern idealiſirt (con arte accresciute)
überliefert ſind“. Nun zwingt Jener ſeinen Verſtand, zu
glauben, und jammert daß er nicht freiwillig glauben könne.
Wenn er nur noch einen Monat mit guten Mönchen zu
leben hätte, dann würde er ganz geiſtlich geſinnt werden!
Es zeigt ſich weiter, daß dieſe Leute vom Anhang Savo-
narola's die Bibel wenig kannten; Boscoli kann nur Pater-
noſter und Avemaria beten, und erſucht nun den Luca drin-
gend, den Freunden zu ſagen, ſie möchten die heilige Schrift
ſtudiren, denn nur was der Menſch im Leben erlernt habe,
das beſitze er im Sterben. Darauf liest und erklärt ihm
Die Beichte des
Boscoli.
1) Narrazione del caso del Boscoli, arch. stor. I, p. 273, s. —
Der ſtehende Ausdruck war non aver fede, vgl. Vasari, VII,
p. 122, vita di Piero di Cosimo.
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Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860, S. 551. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860/561>, abgerufen am 24.11.2024.
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