6. Abschnitt.bar fest; es war dem System offenbar gelungen, Bevöl- kerungen, welche irgendwie speciell disponirt waren, bleibend Sein Einfluß auf Oberitalien.mit seinem Wahn zu entzünden. Dieses wesentlich deutsche Hexenthum ist diejenige Nuance, an welche man bei Ge- schichten und Novellen aus Mailand, Bologna u. s. w. 1) zu denken hat. Wenn es in Italien nicht weiter um sich griff, so hing dieß vielleicht davon ab, daß man hier bereits eine ausgebildete Stregheria besaß und kannte, welche auf wesentlich andern Voraussetzungen beruhte. Die italienische Hexe treibt ein Gewerbe und braucht Geld und vor Allem Besinnung. Von jenen hysterischen Träumen der nordischen Hexen, von weiten Ausfahrten, Incubus und Succubus ist keine Rede; die Strega hat für das Vergnügen anderer Leute zu sorgen. Wenn man ihr zutraut, daß sie verschie- dene Gestalten annehmen, sich schnell an entfernte Orte ver- setzen könne, so läßt sie sich dergleichen insofern gefallen als es ihr Ansehen erhöht; dagegen ist es schon überwiegend gefährlich für sie, wenn die Furcht vor ihrer Bosheit und Rache, besonders vor der Verzauberung von Kindern, Vieh und Feldfrüchten überhand nimmt. Es kann für Inqui- sitoren und Ortsbehörden eine höchst populäre Sache werden, sie zu verbrennen.
Weit das wichtigste Feld der Strega sind und bleiben, wie schon angedeutet wurde, die Liebesangelegenheiten, wor- unter die Erregung von Liebe und Haß, das rachsüchtige Nestelknüpfen, das Abtreiben der Leibesfrucht, je nach Um- ständen auch der vermeintliche Mord des oder der Ungetreuen durch magische Begehungen und selbst die Giftküche 2) be-
1) Z. B. Bandello III, Nov. 29. 52. Prato, arch. stor. III, p. 408. -- Bursellis, ann. Bonon. ap. Murat. XXIII, Col. 897, erzählt bereits zum J. 1468 die Verurtheilung eines Priors vom Serviten- orden, welcher ein Geisterbordell hielt; cives Bononienses coire faciebat cum Daemonibus in specie puellarum. Er brachte den Dämonen förmliche Opfer.
2) Die ekelhaften Vorräthe der Hexenküche vgl. Macaroneide, Phant. XVI, XXI, wo das ganze Treiben erzählt wird.
6. Abſchnitt.bar feſt; es war dem Syſtem offenbar gelungen, Bevöl- kerungen, welche irgendwie ſpeciell disponirt waren, bleibend Sein Einfluß auf Oberitalien.mit ſeinem Wahn zu entzünden. Dieſes weſentlich deutſche Hexenthum iſt diejenige Nuance, an welche man bei Ge- ſchichten und Novellen aus Mailand, Bologna u. ſ. w. 1) zu denken hat. Wenn es in Italien nicht weiter um ſich griff, ſo hing dieß vielleicht davon ab, daß man hier bereits eine ausgebildete Stregheria beſaß und kannte, welche auf weſentlich andern Vorausſetzungen beruhte. Die italieniſche Hexe treibt ein Gewerbe und braucht Geld und vor Allem Beſinnung. Von jenen hyſteriſchen Träumen der nordiſchen Hexen, von weiten Ausfahrten, Incubus und Succubus iſt keine Rede; die Strega hat für das Vergnügen anderer Leute zu ſorgen. Wenn man ihr zutraut, daß ſie verſchie- dene Geſtalten annehmen, ſich ſchnell an entfernte Orte ver- ſetzen könne, ſo läßt ſie ſich dergleichen inſofern gefallen als es ihr Anſehen erhöht; dagegen iſt es ſchon überwiegend gefährlich für ſie, wenn die Furcht vor ihrer Bosheit und Rache, beſonders vor der Verzauberung von Kindern, Vieh und Feldfrüchten überhand nimmt. Es kann für Inqui- ſitoren und Ortsbehörden eine höchſt populäre Sache werden, ſie zu verbrennen.
Weit das wichtigſte Feld der Strega ſind und bleiben, wie ſchon angedeutet wurde, die Liebesangelegenheiten, wor- unter die Erregung von Liebe und Haß, das rachſüchtige Neſtelknüpfen, das Abtreiben der Leibesfrucht, je nach Um- ſtänden auch der vermeintliche Mord des oder der Ungetreuen durch magiſche Begehungen und ſelbſt die Giftküche 2) be-
1) Z. B. Bandello III, Nov. 29. 52. Prato, arch. stor. III, p. 408. — Bursellis, ann. Bonon. ap. Murat. XXIII, Col. 897, erzählt bereits zum J. 1468 die Verurtheilung eines Priors vom Serviten- orden, welcher ein Geiſterbordell hielt; cives Bononienses coire faciebat cum Dæmonibus in specie puellarum. Er brachte den Dämonen förmliche Opfer.
2) Die ekelhaften Vorräthe der Hexenküche vgl. Macaroneide, Phant. XVI, XXI, wo das ganze Treiben erzählt wird.
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Hexenthum iſt diejenige Nuance, an welche man bei Ge-
ſchichten und Novellen aus Mailand, Bologna u. ſ. w. 1)
zu denken hat. Wenn es in Italien nicht weiter um ſich
griff, ſo hing dieß vielleicht davon ab, daß man hier bereits
eine ausgebildete Stregheria beſaß und kannte, welche auf
weſentlich andern Vorausſetzungen beruhte. Die italieniſche
Hexe treibt ein Gewerbe und braucht Geld und vor Allem
Beſinnung. Von jenen hyſteriſchen Träumen der nordiſchen
Hexen, von weiten Ausfahrten, Incubus und Succubus
iſt keine Rede; die Strega hat für das Vergnügen anderer
Leute zu ſorgen. Wenn man ihr zutraut, daß ſie verſchie-
dene Geſtalten annehmen, ſich ſchnell an entfernte Orte ver-
ſetzen könne, ſo läßt ſie ſich dergleichen inſofern gefallen
als es ihr Anſehen erhöht; dagegen iſt es ſchon überwiegend
gefährlich für ſie, wenn die Furcht vor ihrer Bosheit und
Rache, beſonders vor der Verzauberung von Kindern, Vieh
und Feldfrüchten überhand nimmt. Es kann für Inqui-
ſitoren und Ortsbehörden eine höchſt populäre Sache werden,
ſie zu verbrennen.
6. Abſchnitt.
Sein Einfluß
auf Oberitalien.
Weit das wichtigſte Feld der Strega ſind und bleiben,
wie ſchon angedeutet wurde, die Liebesangelegenheiten, wor-
unter die Erregung von Liebe und Haß, das rachſüchtige
Neſtelknüpfen, das Abtreiben der Leibesfrucht, je nach Um-
ſtänden auch der vermeintliche Mord des oder der Ungetreuen
durch magiſche Begehungen und ſelbſt die Giftküche 2) be-
1) Z. B. Bandello III, Nov. 29. 52. Prato, arch. stor. III, p. 408.
— Bursellis, ann. Bonon. ap. Murat. XXIII, Col. 897, erzählt
bereits zum J. 1468 die Verurtheilung eines Priors vom Serviten-
orden, welcher ein Geiſterbordell hielt; cives Bononienses coire
faciebat cum Dæmonibus in specie puellarum. Er brachte den
Dämonen förmliche Opfer.
2) Die ekelhaften Vorräthe der Hexenküche vgl. Macaroneide, Phant.
XVI, XXI, wo das ganze Treiben erzählt wird.
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Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860, S. 536. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860/546>, abgerufen am 23.11.2024.
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