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Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860.

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quenter Ernst wurde damals noch nicht auf die Sache gewendet.6. Abschnitt.
Auf dem Boden des Kirchenstaates, im Hochapennin, undDie
Hexengegend
bei Norcia.

zwar in der Heimath des h. Benedict, zu Norcia, behaup-
tete sich ein wahres Nest des Hexen- und Zauberwesens. Die
Sache war völlig notorisch. Es ist einer der merkwürdig-
sten Briefe des Aeneas Sylvius 1), aus seiner frühern Zeit,
der hierüber Aufschluß giebt. Er schreibt an seinen Bruder:
"Ueberbringer dieses ist zu mir gekommen um mich zu fragen,
ob ich nicht in Italien einen Venusberg wüßte? in einem
solchen nämlich würden magische Künste gelehrt, nach welchen
sein Herr, ein Sachse und großer Astronom 2), Begierde
trüge. Ich sagte, ich kenne ein Porto Venere unweit Car-
rara an der ligurischen Felsküste, wo ich auf der Reise
nach Basel drei Nächte zubrachte, auch fand ich, daß in
Sicilien ein der Venus geweihter Berg Eryx vorhanden sei,
weiß aber nicht, daß dort Magie gelehrt werde. Unter dem
Gespräch jedoch fiel mir ein, daß in Umbrien, im alten
Herzogthum (Spoleto) unweit der Stadt Nursia eine Ge-
gend ist, wo sich unter einer steilen Felswand eine Höhle
findet, in welcher Wasser fließt. Dort sind, wie ich mich
entsinne gehört zu haben, Hexen (striges), Dämonen und
nächtliche Schatten, und wer den Muth hat, kann Geister
(spiritus) sehen und anreden und Zauberkünste lernen 3).
Ich habe es nicht gesehen noch mich bemüht es zu sehen,
denn was man nur mit Sünden lernt, das kennt man
besser gar nicht." Nun nennt er aber seinen Gewährsmann

1) Lib. I, ep. 46. Opera, p. 531, s. Statt umbra p. 532 ist
Umbria, statt lacum locum zu lesen.
2) Später nennt er ihn Medicus Ducis Saxoniae, homo tum dives
tum potens.
3) Eine Art von Höllenloch kannte man im XIV. Jahrh. unweit An-
sedonia in Toscana. Es war eine Höhle, wo man im Sande
Thier- und Menschenspuren sah, welche, auch wenn man sie ver-
wischte, des folgenden Tages doch wieder sichtbar waren. Uberti, il
Dittamondo, L. III, cap.
9.

quenter Ernſt wurde damals noch nicht auf die Sache gewendet.6. Abſchnitt.
Auf dem Boden des Kirchenſtaates, im Hochapennin, undDie
Hexengegend
bei Norcia.

zwar in der Heimath des h. Benedict, zu Norcia, behaup-
tete ſich ein wahres Neſt des Hexen- und Zauberweſens. Die
Sache war völlig notoriſch. Es iſt einer der merkwürdig-
ſten Briefe des Aeneas Sylvius 1), aus ſeiner frühern Zeit,
der hierüber Aufſchluß giebt. Er ſchreibt an ſeinen Bruder:
„Ueberbringer dieſes iſt zu mir gekommen um mich zu fragen,
ob ich nicht in Italien einen Venusberg wüßte? in einem
ſolchen nämlich würden magiſche Künſte gelehrt, nach welchen
ſein Herr, ein Sachſe und großer Aſtronom 2), Begierde
trüge. Ich ſagte, ich kenne ein Porto Venere unweit Car-
rara an der liguriſchen Felsküſte, wo ich auf der Reiſe
nach Baſel drei Nächte zubrachte, auch fand ich, daß in
Sicilien ein der Venus geweihter Berg Eryx vorhanden ſei,
weiß aber nicht, daß dort Magie gelehrt werde. Unter dem
Geſpräch jedoch fiel mir ein, daß in Umbrien, im alten
Herzogthum (Spoleto) unweit der Stadt Nurſia eine Ge-
gend iſt, wo ſich unter einer ſteilen Felswand eine Höhle
findet, in welcher Waſſer fließt. Dort ſind, wie ich mich
entſinne gehört zu haben, Hexen (striges), Dämonen und
nächtliche Schatten, und wer den Muth hat, kann Geiſter
(spiritus) ſehen und anreden und Zauberkünſte lernen 3).
Ich habe es nicht geſehen noch mich bemüht es zu ſehen,
denn was man nur mit Sünden lernt, das kennt man
beſſer gar nicht.“ Nun nennt er aber ſeinen Gewährsmann

1) Lib. I, ep. 46. Opera, p. 531, s. Statt umbra p. 532 iſt
Umbria, ſtatt lacum locum zu leſen.
2) Später nennt er ihn Medicus Ducis Saxoniæ, homo tum dives
tum potens.
3) Eine Art von Höllenloch kannte man im XIV. Jahrh. unweit An-
ſedonia in Toscana. Es war eine Höhle, wo man im Sande
Thier- und Menſchenſpuren ſah, welche, auch wenn man ſie ver-
wiſchte, des folgenden Tages doch wieder ſichtbar waren. Uberti, il
Dittamondo, L. III, cap.
9.
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[533/0543] quenter Ernſt wurde damals noch nicht auf die Sache gewendet. Auf dem Boden des Kirchenſtaates, im Hochapennin, und zwar in der Heimath des h. Benedict, zu Norcia, behaup- tete ſich ein wahres Neſt des Hexen- und Zauberweſens. Die Sache war völlig notoriſch. Es iſt einer der merkwürdig- ſten Briefe des Aeneas Sylvius 1), aus ſeiner frühern Zeit, der hierüber Aufſchluß giebt. Er ſchreibt an ſeinen Bruder: „Ueberbringer dieſes iſt zu mir gekommen um mich zu fragen, ob ich nicht in Italien einen Venusberg wüßte? in einem ſolchen nämlich würden magiſche Künſte gelehrt, nach welchen ſein Herr, ein Sachſe und großer Aſtronom 2), Begierde trüge. Ich ſagte, ich kenne ein Porto Venere unweit Car- rara an der liguriſchen Felsküſte, wo ich auf der Reiſe nach Baſel drei Nächte zubrachte, auch fand ich, daß in Sicilien ein der Venus geweihter Berg Eryx vorhanden ſei, weiß aber nicht, daß dort Magie gelehrt werde. Unter dem Geſpräch jedoch fiel mir ein, daß in Umbrien, im alten Herzogthum (Spoleto) unweit der Stadt Nurſia eine Ge- gend iſt, wo ſich unter einer ſteilen Felswand eine Höhle findet, in welcher Waſſer fließt. Dort ſind, wie ich mich entſinne gehört zu haben, Hexen (striges), Dämonen und nächtliche Schatten, und wer den Muth hat, kann Geiſter (spiritus) ſehen und anreden und Zauberkünſte lernen 3). Ich habe es nicht geſehen noch mich bemüht es zu ſehen, denn was man nur mit Sünden lernt, das kennt man beſſer gar nicht.“ Nun nennt er aber ſeinen Gewährsmann 6. Abſchnitt. Die Hexengegend bei Norcia. 1) Lib. I, ep. 46. Opera, p. 531, s. Statt umbra p. 532 iſt Umbria, ſtatt lacum locum zu leſen. 2) Später nennt er ihn Medicus Ducis Saxoniæ, homo tum dives tum potens. 3) Eine Art von Höllenloch kannte man im XIV. Jahrh. unweit An- ſedonia in Toscana. Es war eine Höhle, wo man im Sande Thier- und Menſchenſpuren ſah, welche, auch wenn man ſie ver- wiſchte, des folgenden Tages doch wieder ſichtbar waren. Uberti, il Dittamondo, L. III, cap. 9.

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Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860, S. 533. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860/543>, abgerufen am 04.05.2024.