Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860.

Bild:
<< vorherige Seite

Zu diesem Glauben gesellt sich nun der Wahn, daß6. Abschnitt.
der Mensch sich durch Beschwörung den Dämonen nähern,Beschwörung.
ihre Hülfe zu seinen irdischen Zwecken der Habgier, Macht-
gier und Sinnlichkeit benützen könne. Hiebei gab es wahr-
scheinlich viele Verklagte früher als es viele Schuldige gab;
erst als man vorgebliche Zauberer und Hexen verbrannte,
begann die wirkliche Beschwörung und der absichtliche Zauber
häufiger zu werden. Aus dem Qualm der Scheiterhaufen,
auf welchen man jene Verdächtigen geopfert, stieg erst der
narkotische Dampf empor, der eine größere Anzahl von ver-
lorenen Menschen zur Magie begeisterte. Ihnen schlossen
sich dann noch resolute Betrüger an.

Die populäre und primitive Gestalt, in welcher diesesDie italienische
Hexe.

Wesen vielleicht seit der Römerzeit ununterbrochen fortgelebt
hatte, ist das Treiben der Hexe (strega). Sie kann sich
so gut als völlig unschuldig geberden, so lange sie sich auf
die Divination beschränkt, nur daß der Uebergang vom
bloßen Voraussagen zum Bewirkenhelfen oft unmerklich und
doch eine entscheidende Stufe abwärts sein kann. Handelt
es sich einmal um wirkenden Zauber, so traut man der
Hexe hauptsächlich die Erregung von Liebe und Haß zwischen
Mann und Weib, doch auch rein zerstörende, boshafte
Maleficien zu, namentlich das Hinsiechen von kleinen Kin-
dern, auch wenn dasselbe noch so handgreiflich von Ver-
wahrlosung und Unvernunft der Eltern herrührt. Nach
Allem bleibt dann noch die Frage übrig, wie weit die Hexe
durch bloße Zaubersprüche, Ceremonien und unverstandene
Formeln, oder aber durch bewußte Anrufung der Dämonen
gewirkt haben soll, abgesehen von den Arzneien und Giften,
die sie in voller Kenntniß von deren Wirkung mag verab-
folgt haben.

Die unschuldigere Art, wobei noch Bettelmönche als
Concurrenten aufzutreten wagen, lernt man z. B. in der
Hexe von Gaeta kennen, welche Pontano 1) uns vorführt.

1) Jovian. Pontan. Antonius.
34*

Zu dieſem Glauben geſellt ſich nun der Wahn, daß6. Abſchnitt.
der Menſch ſich durch Beſchwörung den Dämonen nähern,Beſchwörung.
ihre Hülfe zu ſeinen irdiſchen Zwecken der Habgier, Macht-
gier und Sinnlichkeit benützen könne. Hiebei gab es wahr-
ſcheinlich viele Verklagte früher als es viele Schuldige gab;
erſt als man vorgebliche Zauberer und Hexen verbrannte,
begann die wirkliche Beſchwörung und der abſichtliche Zauber
häufiger zu werden. Aus dem Qualm der Scheiterhaufen,
auf welchen man jene Verdächtigen geopfert, ſtieg erſt der
narkotiſche Dampf empor, der eine größere Anzahl von ver-
lorenen Menſchen zur Magie begeiſterte. Ihnen ſchloſſen
ſich dann noch reſolute Betrüger an.

Die populäre und primitive Geſtalt, in welcher dieſesDie italieniſche
Hexe.

Weſen vielleicht ſeit der Römerzeit ununterbrochen fortgelebt
hatte, iſt das Treiben der Hexe (strega). Sie kann ſich
ſo gut als völlig unſchuldig geberden, ſo lange ſie ſich auf
die Divination beſchränkt, nur daß der Uebergang vom
bloßen Vorausſagen zum Bewirkenhelfen oft unmerklich und
doch eine entſcheidende Stufe abwärts ſein kann. Handelt
es ſich einmal um wirkenden Zauber, ſo traut man der
Hexe hauptſächlich die Erregung von Liebe und Haß zwiſchen
Mann und Weib, doch auch rein zerſtörende, boshafte
Maleficien zu, namentlich das Hinſiechen von kleinen Kin-
dern, auch wenn daſſelbe noch ſo handgreiflich von Ver-
wahrloſung und Unvernunft der Eltern herrührt. Nach
Allem bleibt dann noch die Frage übrig, wie weit die Hexe
durch bloße Zauberſprüche, Ceremonien und unverſtandene
Formeln, oder aber durch bewußte Anrufung der Dämonen
gewirkt haben ſoll, abgeſehen von den Arzneien und Giften,
die ſie in voller Kenntniß von deren Wirkung mag verab-
folgt haben.

Die unſchuldigere Art, wobei noch Bettelmönche als
Concurrenten aufzutreten wagen, lernt man z. B. in der
Hexe von Gaeta kennen, welche Pontano 1) uns vorführt.

1) Jovian. Pontan. Antonius.
34*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0541" n="531"/>
        <p>Zu die&#x017F;em Glauben ge&#x017F;ellt &#x017F;ich nun der Wahn, daß<note place="right"><hi rendition="#b"><hi rendition="#u">6. Ab&#x017F;chnitt.</hi></hi></note><lb/>
der Men&#x017F;ch &#x017F;ich durch Be&#x017F;chwörung den Dämonen nähern,<note place="right">Be&#x017F;chwörung.</note><lb/>
ihre Hülfe zu &#x017F;einen irdi&#x017F;chen Zwecken der Habgier, Macht-<lb/>
gier und Sinnlichkeit benützen könne. Hiebei gab es wahr-<lb/>
&#x017F;cheinlich viele Verklagte früher als es viele Schuldige gab;<lb/>
er&#x017F;t als man vorgebliche Zauberer und Hexen verbrannte,<lb/>
begann die wirkliche Be&#x017F;chwörung und der ab&#x017F;ichtliche Zauber<lb/>
häufiger zu werden. Aus dem Qualm der Scheiterhaufen,<lb/>
auf welchen man jene Verdächtigen geopfert, &#x017F;tieg er&#x017F;t der<lb/>
narkoti&#x017F;che Dampf empor, der eine größere Anzahl von ver-<lb/>
lorenen Men&#x017F;chen zur Magie begei&#x017F;terte. Ihnen &#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en<lb/>
&#x017F;ich dann noch re&#x017F;olute Betrüger an.</p><lb/>
        <p>Die populäre und primitive Ge&#x017F;talt, in welcher die&#x017F;es<note place="right">Die italieni&#x017F;che<lb/>
Hexe.</note><lb/>
We&#x017F;en vielleicht &#x017F;eit der Römerzeit ununterbrochen fortgelebt<lb/>
hatte, i&#x017F;t das Treiben der Hexe (<hi rendition="#aq">strega</hi>). Sie kann &#x017F;ich<lb/>
&#x017F;o gut als völlig un&#x017F;chuldig geberden, &#x017F;o lange &#x017F;ie &#x017F;ich auf<lb/>
die Divination be&#x017F;chränkt, nur daß der Uebergang vom<lb/>
bloßen Voraus&#x017F;agen zum Bewirkenhelfen oft unmerklich und<lb/>
doch eine ent&#x017F;cheidende Stufe abwärts &#x017F;ein kann. Handelt<lb/>
es &#x017F;ich einmal um wirkenden Zauber, &#x017F;o traut man der<lb/>
Hexe haupt&#x017F;ächlich die Erregung von Liebe und Haß zwi&#x017F;chen<lb/>
Mann und Weib, doch auch rein zer&#x017F;törende, boshafte<lb/>
Maleficien zu, namentlich das Hin&#x017F;iechen von kleinen Kin-<lb/>
dern, auch wenn da&#x017F;&#x017F;elbe noch &#x017F;o handgreiflich von Ver-<lb/>
wahrlo&#x017F;ung und Unvernunft der Eltern herrührt. Nach<lb/>
Allem bleibt dann noch die Frage übrig, wie weit die Hexe<lb/>
durch bloße Zauber&#x017F;prüche, Ceremonien und unver&#x017F;tandene<lb/>
Formeln, oder aber durch bewußte Anrufung der Dämonen<lb/>
gewirkt haben &#x017F;oll, abge&#x017F;ehen von den Arzneien und Giften,<lb/>
die &#x017F;ie in voller Kenntniß von deren Wirkung mag verab-<lb/>
folgt haben.</p><lb/>
        <p>Die un&#x017F;chuldigere Art, wobei noch Bettelmönche als<lb/>
Concurrenten aufzutreten wagen, lernt man z. B. in der<lb/>
Hexe von Gaeta kennen, welche Pontano <note place="foot" n="1)"><hi rendition="#aq">Jovian. Pontan. Antonius.</hi></note> uns vorführt.<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">34*</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[531/0541] Zu dieſem Glauben geſellt ſich nun der Wahn, daß der Menſch ſich durch Beſchwörung den Dämonen nähern, ihre Hülfe zu ſeinen irdiſchen Zwecken der Habgier, Macht- gier und Sinnlichkeit benützen könne. Hiebei gab es wahr- ſcheinlich viele Verklagte früher als es viele Schuldige gab; erſt als man vorgebliche Zauberer und Hexen verbrannte, begann die wirkliche Beſchwörung und der abſichtliche Zauber häufiger zu werden. Aus dem Qualm der Scheiterhaufen, auf welchen man jene Verdächtigen geopfert, ſtieg erſt der narkotiſche Dampf empor, der eine größere Anzahl von ver- lorenen Menſchen zur Magie begeiſterte. Ihnen ſchloſſen ſich dann noch reſolute Betrüger an. 6. Abſchnitt. Beſchwörung. Die populäre und primitive Geſtalt, in welcher dieſes Weſen vielleicht ſeit der Römerzeit ununterbrochen fortgelebt hatte, iſt das Treiben der Hexe (strega). Sie kann ſich ſo gut als völlig unſchuldig geberden, ſo lange ſie ſich auf die Divination beſchränkt, nur daß der Uebergang vom bloßen Vorausſagen zum Bewirkenhelfen oft unmerklich und doch eine entſcheidende Stufe abwärts ſein kann. Handelt es ſich einmal um wirkenden Zauber, ſo traut man der Hexe hauptſächlich die Erregung von Liebe und Haß zwiſchen Mann und Weib, doch auch rein zerſtörende, boshafte Maleficien zu, namentlich das Hinſiechen von kleinen Kin- dern, auch wenn daſſelbe noch ſo handgreiflich von Ver- wahrloſung und Unvernunft der Eltern herrührt. Nach Allem bleibt dann noch die Frage übrig, wie weit die Hexe durch bloße Zauberſprüche, Ceremonien und unverſtandene Formeln, oder aber durch bewußte Anrufung der Dämonen gewirkt haben ſoll, abgeſehen von den Arzneien und Giften, die ſie in voller Kenntniß von deren Wirkung mag verab- folgt haben. Die italieniſche Hexe. Die unſchuldigere Art, wobei noch Bettelmönche als Concurrenten aufzutreten wagen, lernt man z. B. in der Hexe von Gaeta kennen, welche Pontano 1) uns vorführt. 1) Jovian. Pontan. Antonius. 34*

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860/541
Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860, S. 531. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860/541>, abgerufen am 04.05.2024.