6. Abschnitt.-- wenige Jahre vor seiner Verjagung. Die Alten, wenn sie in diesem Sinne redeten, empfanden wenigstens das Gefühl vom Neid der Götter. In Italien hatten es wahr- scheinlich die Condottieren (S. 24) aufgebracht, daß man sich laut der Fortuna rühmen durfte.
Der stärkste Einfluß des wiederentdeckten Alterthums auf die Religion kam übrigens nicht von irgend einem phi- losophischen System oder von einer Lehre und Meinung der Alten her, sondern von einem allesbeherrschenden Ur- theil. Man zog die Menschen und zum Theil auch die Einrichtungen des Alterthums denjenigen des Mittelalters vor, strebte ihnen auf alle Weise nach und wurde dabei über den Religionsunterschied völlig gleichgültig. Die Be- wunderung der historischen Größe absorbirte Alles. (Vgl. S. 149, Anm., 429.)
Heidnische Aeußerlich- keiten.Bei den Philologen kam dann noch manche besondere Thorheit hinzu, durch welche sie die Blicke der Welt auf sich zogen. Wie weit Papst Paul II. berechtigt war, das Heidenthum seiner Abbreviatoren und ihrer Genossen zur Rechenschaft zu ziehen, bleibt allerdings sehr zweifelhaft, da sein Hauptopfer und Biograph Platina (S. 225, 330) es meisterlich verstanden hat, ihn dabei als rachsüchtig wegen anderer Dinge und ganz besonders als komische Figur er- scheinen zu lassen. Die Anklage auf Unglauben, Heiden- thum 1), Läugnung der Unsterblichkeit etc. wurde gegen die Verhafteten erst erhoben, nachdem der Hochverrathsproceß nichts ergeben hatte; auch war Paul, wenn wir recht be- richtet werden, gar nicht der Mann dazu, irgend etwas Geistiges zu beurtheilen, wie er denn die Römer ermahnte, ihren Kindern über Lesen und Schreiben hinaus keinen weitern Unterricht mehr geben zu lassen. Es ist eine ähn- liche priesterliche Beschränktheit wie bei Savonarola (S. 480), nur daß man Papst Paul hätte erwiedern können, er und
1)Quod nimium gentilitatis amatores essemus.
6. Abſchnitt.— wenige Jahre vor ſeiner Verjagung. Die Alten, wenn ſie in dieſem Sinne redeten, empfanden wenigſtens das Gefühl vom Neid der Götter. In Italien hatten es wahr- ſcheinlich die Condottieren (S. 24) aufgebracht, daß man ſich laut der Fortuna rühmen durfte.
Der ſtärkſte Einfluß des wiederentdeckten Alterthums auf die Religion kam übrigens nicht von irgend einem phi- loſophiſchen Syſtem oder von einer Lehre und Meinung der Alten her, ſondern von einem allesbeherrſchenden Ur- theil. Man zog die Menſchen und zum Theil auch die Einrichtungen des Alterthums denjenigen des Mittelalters vor, ſtrebte ihnen auf alle Weiſe nach und wurde dabei über den Religionsunterſchied völlig gleichgültig. Die Be- wunderung der hiſtoriſchen Größe abſorbirte Alles. (Vgl. S. 149, Anm., 429.)
Heidniſche Aeußerlich- keiten.Bei den Philologen kam dann noch manche beſondere Thorheit hinzu, durch welche ſie die Blicke der Welt auf ſich zogen. Wie weit Papſt Paul II. berechtigt war, das Heidenthum ſeiner Abbreviatoren und ihrer Genoſſen zur Rechenſchaft zu ziehen, bleibt allerdings ſehr zweifelhaft, da ſein Hauptopfer und Biograph Platina (S. 225, 330) es meiſterlich verſtanden hat, ihn dabei als rachſüchtig wegen anderer Dinge und ganz beſonders als komiſche Figur er- ſcheinen zu laſſen. Die Anklage auf Unglauben, Heiden- thum 1), Läugnung der Unſterblichkeit ꝛc. wurde gegen die Verhafteten erſt erhoben, nachdem der Hochverrathsproceß nichts ergeben hatte; auch war Paul, wenn wir recht be- richtet werden, gar nicht der Mann dazu, irgend etwas Geiſtiges zu beurtheilen, wie er denn die Römer ermahnte, ihren Kindern über Leſen und Schreiben hinaus keinen weitern Unterricht mehr geben zu laſſen. Es iſt eine ähn- liche prieſterliche Beſchränktheit wie bei Savonarola (S. 480), nur daß man Papſt Paul hätte erwiedern können, er und
1)Quod nimium gentilitatis amatores essemus.
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— wenige Jahre vor ſeiner Verjagung. Die Alten, wenn
ſie in dieſem Sinne redeten, empfanden wenigſtens das
Gefühl vom Neid der Götter. In Italien hatten es wahr-
ſcheinlich die Condottieren (S. 24) aufgebracht, daß man
ſich laut der Fortuna rühmen durfte.
6. Abſchnitt.
Der ſtärkſte Einfluß des wiederentdeckten Alterthums
auf die Religion kam übrigens nicht von irgend einem phi-
loſophiſchen Syſtem oder von einer Lehre und Meinung
der Alten her, ſondern von einem allesbeherrſchenden Ur-
theil. Man zog die Menſchen und zum Theil auch die
Einrichtungen des Alterthums denjenigen des Mittelalters
vor, ſtrebte ihnen auf alle Weiſe nach und wurde dabei
über den Religionsunterſchied völlig gleichgültig. Die Be-
wunderung der hiſtoriſchen Größe abſorbirte Alles. (Vgl.
S. 149, Anm., 429.)
Bei den Philologen kam dann noch manche beſondere
Thorheit hinzu, durch welche ſie die Blicke der Welt auf
ſich zogen. Wie weit Papſt Paul II. berechtigt war, das
Heidenthum ſeiner Abbreviatoren und ihrer Genoſſen zur
Rechenſchaft zu ziehen, bleibt allerdings ſehr zweifelhaft, da
ſein Hauptopfer und Biograph Platina (S. 225, 330) es
meiſterlich verſtanden hat, ihn dabei als rachſüchtig wegen
anderer Dinge und ganz beſonders als komiſche Figur er-
ſcheinen zu laſſen. Die Anklage auf Unglauben, Heiden-
thum 1), Läugnung der Unſterblichkeit ꝛc. wurde gegen die
Verhafteten erſt erhoben, nachdem der Hochverrathsproceß
nichts ergeben hatte; auch war Paul, wenn wir recht be-
richtet werden, gar nicht der Mann dazu, irgend etwas
Geiſtiges zu beurtheilen, wie er denn die Römer ermahnte,
ihren Kindern über Leſen und Schreiben hinaus keinen
weitern Unterricht mehr geben zu laſſen. Es iſt eine ähn-
liche prieſterliche Beſchränktheit wie bei Savonarola (S. 480),
nur daß man Papſt Paul hätte erwiedern können, er und
Heidniſche
Aeußerlich-
keiten.
1) Quod nimium gentilitatis amatores essemus.
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Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860, S. 510. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860/520>, abgerufen am 28.11.2024.
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