geschieht schon durch die Anrufungen an Gott, Christus6. Abschnitt. und die Madonna, womit seine einzelnen Gesänge anheben. Noch viel deutlicher aber macht er ihnen die raschen Bekeh- rungen und Taufen nach, deren Sinnlosigkeit dem Leser oder Hörer ja recht in die Augen springen soll. Allein dieser Spott führt ihn weiter bis zum Bekenntniß seines Glaubens an die relative Güte aller Religionen 1), dem trotz seiner Betheurungen der Orthodoxie 2) eine wesentlich theistische Anschauung zu Grunde liegt. Außerdem thut er noch einen großen Schritt über alles Mittelalter hinaus nach einer andern Seite hin. Die Alternativen der ver- gangenen Jahrhunderte hatten gelautet: Rechtgläubiger oder Ketzer, Christ oder Heide und Mohammedaner; nun zeichnet Pulci die Gestalt des Riesen Margutte 3), der sich gegen- über von aller und jeglicher Religion zum sinnlichstenDer Riese Mar- gutte. Egoismus und zu allen Lastern fröhlich bekennt und sich nur das Eine vorbehält: daß er nie einen Verrath begangen habe. Vielleicht hatte der Dichter mit diesem auf seine Manier ehrlichen Scheusal nichts Geringes vor, möglicher Weise eine Erziehung zum Bessern durch Morgante, allein die Figur verleidete ihm bald und er gönnte ihr bereits im nächsten Gesang ein komisches Ende 4). Margutte ist schon als Beweis von Pulci's Frivolität geltend gemacht worden; er gehört aber nothwendig mit zu dem Weltbilde der Dich- tung des XV. Jahrhunderts. Irgendwo mußte sie in grottesker Größe den für alles damalige Dogmatisiren un-
1) Freilich im Munde des Dämons Astarotte, Ges. XXV, Str. 231 u. ff. Vgl. Str. 141 u. ff.
2) Ges. XXVIII, Str. 38 u. ff.
3) Ges. XVIII, Str. 112 bis zu Ende.
4) Pulci nimmt ein analoges Thema, obwohl nur flüchtig, wieder auf in der Gestalt des Fürsten Chiaristante (Ges. XXI, Str. 101, s. 121, s. 145, s. 163, s.) welcher nichts glaubt und sich und seine Gemahlin göttlich verehren läßt. Man ist versucht, dabei an Si- gismondo Malatesta (S. 33, 223, 454) zu denken.
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geſchieht ſchon durch die Anrufungen an Gott, Chriſtus6. Abſchnitt. und die Madonna, womit ſeine einzelnen Geſänge anheben. Noch viel deutlicher aber macht er ihnen die raſchen Bekeh- rungen und Taufen nach, deren Sinnloſigkeit dem Leſer oder Hörer ja recht in die Augen ſpringen ſoll. Allein dieſer Spott führt ihn weiter bis zum Bekenntniß ſeines Glaubens an die relative Güte aller Religionen 1), dem trotz ſeiner Betheurungen der Orthodoxie 2) eine weſentlich theiſtiſche Anſchauung zu Grunde liegt. Außerdem thut er noch einen großen Schritt über alles Mittelalter hinaus nach einer andern Seite hin. Die Alternativen der ver- gangenen Jahrhunderte hatten gelautet: Rechtgläubiger oder Ketzer, Chriſt oder Heide und Mohammedaner; nun zeichnet Pulci die Geſtalt des Rieſen Margutte 3), der ſich gegen- über von aller und jeglicher Religion zum ſinnlichſtenDer Rieſe Mar- gutte. Egoismus und zu allen Laſtern fröhlich bekennt und ſich nur das Eine vorbehält: daß er nie einen Verrath begangen habe. Vielleicht hatte der Dichter mit dieſem auf ſeine Manier ehrlichen Scheuſal nichts Geringes vor, möglicher Weiſe eine Erziehung zum Beſſern durch Morgante, allein die Figur verleidete ihm bald und er gönnte ihr bereits im nächſten Geſang ein komiſches Ende 4). Margutte iſt ſchon als Beweis von Pulci's Frivolität geltend gemacht worden; er gehört aber nothwendig mit zu dem Weltbilde der Dich- tung des XV. Jahrhunderts. Irgendwo mußte ſie in grottesker Größe den für alles damalige Dogmatiſiren un-
1) Freilich im Munde des Dämons Aſtarotte, Geſ. XXV, Str. 231 u. ff. Vgl. Str. 141 u. ff.
2) Geſ. XXVIII, Str. 38 u. ff.
3) Geſ. XVIII, Str. 112 bis zu Ende.
4) Pulci nimmt ein analoges Thema, obwohl nur flüchtig, wieder auf in der Geſtalt des Fürſten Chiariſtante (Geſ. XXI, Str. 101, s. 121, s. 145, s. 163, s.) welcher nichts glaubt und ſich und ſeine Gemahlin göttlich verehren läßt. Man iſt verſucht, dabei an Si- gismondo Malateſta (S. 33, 223, 454) zu denken.
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geſchieht ſchon durch die Anrufungen an Gott, Chriſtus
und die Madonna, womit ſeine einzelnen Geſänge anheben.
Noch viel deutlicher aber macht er ihnen die raſchen Bekeh-
rungen und Taufen nach, deren Sinnloſigkeit dem Leſer
oder Hörer ja recht in die Augen ſpringen ſoll. Allein
dieſer Spott führt ihn weiter bis zum Bekenntniß ſeines
Glaubens an die relative Güte aller Religionen 1), dem
trotz ſeiner Betheurungen der Orthodoxie 2) eine weſentlich
theiſtiſche Anſchauung zu Grunde liegt. Außerdem thut er
noch einen großen Schritt über alles Mittelalter hinaus
nach einer andern Seite hin. Die Alternativen der ver-
gangenen Jahrhunderte hatten gelautet: Rechtgläubiger oder
Ketzer, Chriſt oder Heide und Mohammedaner; nun zeichnet
Pulci die Geſtalt des Rieſen Margutte 3), der ſich gegen-
über von aller und jeglicher Religion zum ſinnlichſten
Egoismus und zu allen Laſtern fröhlich bekennt und ſich
nur das Eine vorbehält: daß er nie einen Verrath begangen
habe. Vielleicht hatte der Dichter mit dieſem auf ſeine
Manier ehrlichen Scheuſal nichts Geringes vor, möglicher
Weiſe eine Erziehung zum Beſſern durch Morgante, allein
die Figur verleidete ihm bald und er gönnte ihr bereits im
nächſten Geſang ein komiſches Ende 4). Margutte iſt ſchon
als Beweis von Pulci's Frivolität geltend gemacht worden;
er gehört aber nothwendig mit zu dem Weltbilde der Dich-
tung des XV. Jahrhunderts. Irgendwo mußte ſie in
grottesker Größe den für alles damalige Dogmatiſiren un-
6. Abſchnitt.
Der Rieſe Mar-
gutte.
1) Freilich im Munde des Dämons Aſtarotte, Geſ. XXV, Str. 231
u. ff. Vgl. Str. 141 u. ff.
2) Geſ. XXVIII, Str. 38 u. ff.
3) Geſ. XVIII, Str. 112 bis zu Ende.
4) Pulci nimmt ein analoges Thema, obwohl nur flüchtig, wieder auf
in der Geſtalt des Fürſten Chiariſtante (Geſ. XXI, Str. 101, s.
121, s. 145, s. 163, s.) welcher nichts glaubt und ſich und ſeine
Gemahlin göttlich verehren läßt. Man iſt verſucht, dabei an Si-
gismondo Malateſta (S. 33, 223, 454) zu denken.
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Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860, S. 499. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860/509>, abgerufen am 24.11.2024.
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