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Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860.

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vielleicht von allen Italienern am Meisten der Mann nach1. Abschnitt.
dem Herzen des XV. Jahrhunderts. Glänzender als in
ihm war der Sieg des Genies und der individuellen Kraft
nirgends ausgesprochen, und wer das nicht anzuerkennen
geneigt war, durfte doch immerhin den Liebling der Fortuna
in ihm verehren. Mailand empfand es offenbar als Ehre,
wenigstens einen so berühmten Herrscher zu erhalten; hatte
ihn doch bei seinem Einritt das dichte Volksgedränge zu
Pferde in den Dom hineingetragen, ohne daß er absteigen
konnte. 1) Hören wir die Bilanz seines Lebens, wie sie
Papst Pius II, ein Kenner in solchen Dingen, uns vor-Sein Glück.
rechnet. 2) "Im Jahr 1459, als der Herzog zum Fürsten-
congreß nach Mantua kam, war er 60 (eher 58) Jahre
alt; als Reiter einem Jüngling gleich, hoch und äußerst
imposant an Gestalt, von ernsten Zügen, ruhig und leut-
selig im Reden, fürstlich im ganzen Benehmen, ein Ganzes
von leiblicher und geistiger Begabung ohne Gleichen in
unserer Zeit, im Felde unbesiegt -- das war der Mann
der von niedrigem Stande zur Herrschaft über ein Reich
emporstieg. Seine Gemahlin war schön und tugendhaft,
seine Kinder anmuthig wie Engel vom Himmel; er war
selten krank; alle seine wesentlichen Wünsche erfüllten sich.
Doch hatte auch er einiges Mißgeschick; seine Gemahlin
tödtete ihm aus Eifersucht die Geliebte; seine alten Waffen-
genossen und Freunde Troilo und Brunoro verließen ihn
und gingen zu König Alfons über; einen andern, Ciar-
pollone mußte er wegen Verrathes henken lassen; von seinem
Bruder Alessandro mußte er erleben, daß derselbe einmal
die Franzosen gegen ihn aufstiftete; einer seiner Söhne

1) Corio, Fol. 400; -- Cagnola, im Archiv. stor. III, p. 125.
2) Pii II. Comment. III, p. 130. Vgl. II. 87. 106. Eine andere,
noch mehr ins Düstere fallende Taration vom Glücke des Sforza
giebt Caracciolo, de varietate fortunae, bei Murat. XXII,
Col. 74
.

vielleicht von allen Italienern am Meiſten der Mann nach1. Abſchnitt.
dem Herzen des XV. Jahrhunderts. Glänzender als in
ihm war der Sieg des Genies und der individuellen Kraft
nirgends ausgeſprochen, und wer das nicht anzuerkennen
geneigt war, durfte doch immerhin den Liebling der Fortuna
in ihm verehren. Mailand empfand es offenbar als Ehre,
wenigſtens einen ſo berühmten Herrſcher zu erhalten; hatte
ihn doch bei ſeinem Einritt das dichte Volksgedränge zu
Pferde in den Dom hineingetragen, ohne daß er abſteigen
konnte. 1) Hören wir die Bilanz ſeines Lebens, wie ſie
Papſt Pius II, ein Kenner in ſolchen Dingen, uns vor-Sein Glück.
rechnet. 2) „Im Jahr 1459, als der Herzog zum Fürſten-
congreß nach Mantua kam, war er 60 (eher 58) Jahre
alt; als Reiter einem Jüngling gleich, hoch und äußerſt
impoſant an Geſtalt, von ernſten Zügen, ruhig und leut-
ſelig im Reden, fürſtlich im ganzen Benehmen, ein Ganzes
von leiblicher und geiſtiger Begabung ohne Gleichen in
unſerer Zeit, im Felde unbeſiegt — das war der Mann
der von niedrigem Stande zur Herrſchaft über ein Reich
emporſtieg. Seine Gemahlin war ſchön und tugendhaft,
ſeine Kinder anmuthig wie Engel vom Himmel; er war
ſelten krank; alle ſeine weſentlichen Wünſche erfüllten ſich.
Doch hatte auch er einiges Mißgeſchick; ſeine Gemahlin
tödtete ihm aus Eiferſucht die Geliebte; ſeine alten Waffen-
genoſſen und Freunde Troilo und Brunoro verließen ihn
und gingen zu König Alfons über; einen andern, Ciar-
pollone mußte er wegen Verrathes henken laſſen; von ſeinem
Bruder Aleſſandro mußte er erleben, daß derſelbe einmal
die Franzoſen gegen ihn aufſtiftete; einer ſeiner Söhne

1) Corio, Fol. 400; — Cagnola, im Archiv. stor. III, p. 125.
2) Pii II. Comment. III, p. 130. Vgl. II. 87. 106. Eine andere,
noch mehr ins Düſtere fallende Taration vom Glücke des Sforza
giebt Caracciolo, de varietate fortunæ, bei Murat. XXII,
Col. 74
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[39/0049] vielleicht von allen Italienern am Meiſten der Mann nach dem Herzen des XV. Jahrhunderts. Glänzender als in ihm war der Sieg des Genies und der individuellen Kraft nirgends ausgeſprochen, und wer das nicht anzuerkennen geneigt war, durfte doch immerhin den Liebling der Fortuna in ihm verehren. Mailand empfand es offenbar als Ehre, wenigſtens einen ſo berühmten Herrſcher zu erhalten; hatte ihn doch bei ſeinem Einritt das dichte Volksgedränge zu Pferde in den Dom hineingetragen, ohne daß er abſteigen konnte. 1) Hören wir die Bilanz ſeines Lebens, wie ſie Papſt Pius II, ein Kenner in ſolchen Dingen, uns vor- rechnet. 2) „Im Jahr 1459, als der Herzog zum Fürſten- congreß nach Mantua kam, war er 60 (eher 58) Jahre alt; als Reiter einem Jüngling gleich, hoch und äußerſt impoſant an Geſtalt, von ernſten Zügen, ruhig und leut- ſelig im Reden, fürſtlich im ganzen Benehmen, ein Ganzes von leiblicher und geiſtiger Begabung ohne Gleichen in unſerer Zeit, im Felde unbeſiegt — das war der Mann der von niedrigem Stande zur Herrſchaft über ein Reich emporſtieg. Seine Gemahlin war ſchön und tugendhaft, ſeine Kinder anmuthig wie Engel vom Himmel; er war ſelten krank; alle ſeine weſentlichen Wünſche erfüllten ſich. Doch hatte auch er einiges Mißgeſchick; ſeine Gemahlin tödtete ihm aus Eiferſucht die Geliebte; ſeine alten Waffen- genoſſen und Freunde Troilo und Brunoro verließen ihn und gingen zu König Alfons über; einen andern, Ciar- pollone mußte er wegen Verrathes henken laſſen; von ſeinem Bruder Aleſſandro mußte er erleben, daß derſelbe einmal die Franzoſen gegen ihn aufſtiftete; einer ſeiner Söhne 1. Abſchnitt. Sein Glück. 1) Corio, Fol. 400; — Cagnola, im Archiv. stor. III, p. 125. 2) Pii II. Comment. III, p. 130. Vgl. II. 87. 106. Eine andere, noch mehr ins Düſtere fallende Taration vom Glücke des Sforza giebt Caracciolo, de varietate fortunæ, bei Murat. XXII, Col. 74.

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Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860, S. 39. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860/49>, abgerufen am 27.11.2024.