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Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860.

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5. Abschnitt.des schönen Geschlechtes, wie sie bei den Dialogenschreibern
hin und wieder vorkommen, auch nicht durch eine Satire
wie die dritte des Ariosto 1), welcher das Weib wie ein ge-
fährliches großes Kind betrachtet, das der Mann zu be-
handeln wissen müsse, während es durch eine Kluft von
ihm geschieden bleibt. Letzteres ist allerdings in einem ge-
wissen Sinne wahr; gerade weil das ausgebildete Weib
dem Manne gleich stand, konnte in der Ehe das was man
geistige und Seelengemeinschaft, oder höhere Ergänzung
nennt, nicht so zur Blüthe gelangen wie später in der ge-
sitteten Welt des Nordens.

durch Bildung,Vor Allem ist die Bildung des Weibes in den höchsten
Ständen wesentlich dieselbe wie beim Manne. Es erregt
den Italienern der Renaissance nicht das geringste Bedenken,
den literarischen und selbst den philologischen Unterricht auf
Töchter und Söhne gleichmäßig wirken zu lassen (S. 215);
da man ja in dieser neuantiken Cultur den höchsten Besitz
des Lebens erblickte, so gönnte man sie gerne auch den
Mädchen. Wir sahen bis zu welcher Virtuosität selbst Fürsten-
töchter im lateinischen Reden und Schreiben gelangten
(S. 222, 225). Andere mußten wenigstens die Lectüre der
Männer theilen, um dem Sachinhalt des Alterthums, wie er
die Conversation großentheils beherrschte, folgen zu können.
Weiter schloß sich daran die thätige Theilnahme an der
italienischen Poesie durch Canzonen, Sonette und Impro-
Poesie,visation, womit seit der Venezianerin Cassandra Fedele
(Ende des XV. Jahrhunderts) eine Anzahl von Damen
berühmt wurden 2); Vittoria Colonna kann sogar unsterb-
lich heißen. Wenn irgend etwas unsere obige Behauptung
beweist, so ist es diese Frauenpoesie mit ihrem völlig männ-
lichen Ton. Liebessonette wie religiöse Gedichte zeigen eine

1) An Annibale Maleguccio, sonst auch als 5te und 6te bezeichnet.
2) Wogegen die Betheiligung der Frauen an den bildenden Künsten
nur äußerst gering ist.

5. Abſchnitt.des ſchönen Geſchlechtes, wie ſie bei den Dialogenſchreibern
hin und wieder vorkommen, auch nicht durch eine Satire
wie die dritte des Arioſto 1), welcher das Weib wie ein ge-
fährliches großes Kind betrachtet, das der Mann zu be-
handeln wiſſen müſſe, während es durch eine Kluft von
ihm geſchieden bleibt. Letzteres iſt allerdings in einem ge-
wiſſen Sinne wahr; gerade weil das ausgebildete Weib
dem Manne gleich ſtand, konnte in der Ehe das was man
geiſtige und Seelengemeinſchaft, oder höhere Ergänzung
nennt, nicht ſo zur Blüthe gelangen wie ſpäter in der ge-
ſitteten Welt des Nordens.

durch Bildung,Vor Allem iſt die Bildung des Weibes in den höchſten
Ständen weſentlich dieſelbe wie beim Manne. Es erregt
den Italienern der Renaiſſance nicht das geringſte Bedenken,
den literariſchen und ſelbſt den philologiſchen Unterricht auf
Töchter und Söhne gleichmäßig wirken zu laſſen (S. 215);
da man ja in dieſer neuantiken Cultur den höchſten Beſitz
des Lebens erblickte, ſo gönnte man ſie gerne auch den
Mädchen. Wir ſahen bis zu welcher Virtuoſität ſelbſt Fürſten-
töchter im lateiniſchen Reden und Schreiben gelangten
(S. 222, 225). Andere mußten wenigſtens die Lectüre der
Männer theilen, um dem Sachinhalt des Alterthums, wie er
die Converſation großentheils beherrſchte, folgen zu können.
Weiter ſchloß ſich daran die thätige Theilnahme an der
italieniſchen Poeſie durch Canzonen, Sonette und Impro-
Poeſie,viſation, womit ſeit der Venezianerin Caſſandra Fedele
(Ende des XV. Jahrhunderts) eine Anzahl von Damen
berühmt wurden 2); Vittoria Colonna kann ſogar unſterb-
lich heißen. Wenn irgend etwas unſere obige Behauptung
beweist, ſo iſt es dieſe Frauenpoeſie mit ihrem völlig männ-
lichen Ton. Liebesſonette wie religiöſe Gedichte zeigen eine

1) An Annibale Maleguccio, ſonſt auch als 5te und 6te bezeichnet.
2) Wogegen die Betheiligung der Frauen an den bildenden Künſten
nur äußerſt gering iſt.
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[392/0402] des ſchönen Geſchlechtes, wie ſie bei den Dialogenſchreibern hin und wieder vorkommen, auch nicht durch eine Satire wie die dritte des Arioſto 1), welcher das Weib wie ein ge- fährliches großes Kind betrachtet, das der Mann zu be- handeln wiſſen müſſe, während es durch eine Kluft von ihm geſchieden bleibt. Letzteres iſt allerdings in einem ge- wiſſen Sinne wahr; gerade weil das ausgebildete Weib dem Manne gleich ſtand, konnte in der Ehe das was man geiſtige und Seelengemeinſchaft, oder höhere Ergänzung nennt, nicht ſo zur Blüthe gelangen wie ſpäter in der ge- ſitteten Welt des Nordens. 5. Abſchnitt. Vor Allem iſt die Bildung des Weibes in den höchſten Ständen weſentlich dieſelbe wie beim Manne. Es erregt den Italienern der Renaiſſance nicht das geringſte Bedenken, den literariſchen und ſelbſt den philologiſchen Unterricht auf Töchter und Söhne gleichmäßig wirken zu laſſen (S. 215); da man ja in dieſer neuantiken Cultur den höchſten Beſitz des Lebens erblickte, ſo gönnte man ſie gerne auch den Mädchen. Wir ſahen bis zu welcher Virtuoſität ſelbſt Fürſten- töchter im lateiniſchen Reden und Schreiben gelangten (S. 222, 225). Andere mußten wenigſtens die Lectüre der Männer theilen, um dem Sachinhalt des Alterthums, wie er die Converſation großentheils beherrſchte, folgen zu können. Weiter ſchloß ſich daran die thätige Theilnahme an der italieniſchen Poeſie durch Canzonen, Sonette und Impro- viſation, womit ſeit der Venezianerin Caſſandra Fedele (Ende des XV. Jahrhunderts) eine Anzahl von Damen berühmt wurden 2); Vittoria Colonna kann ſogar unſterb- lich heißen. Wenn irgend etwas unſere obige Behauptung beweist, ſo iſt es dieſe Frauenpoeſie mit ihrem völlig männ- lichen Ton. Liebesſonette wie religiöſe Gedichte zeigen eine durch Bildung, Poeſie, 1) An Annibale Maleguccio, ſonſt auch als 5te und 6te bezeichnet. 2) Wogegen die Betheiligung der Frauen an den bildenden Künſten nur äußerſt gering iſt.

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Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860, S. 392. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860/402>, abgerufen am 22.11.2024.