umkommen möchten! Besäße auch der Herzog die Schweiz1. Abschnitt. ohne Widerstand, seine Jahreseinkünfte wären deßhalb um keine 5000 Ducaten größer etc." 1) Was in Carl Mittelalter- liches war, seine ritterlichen Phantasien oder Ideale, dafür hatte Italien längst kein Verständniß mehr. Wenn er aber vollends den Unteranführern Ohrfeigen ertheilte 2) und sie dennoch bei sich behielt, wenn er seine Truppen mißhandelte um sie wegen einer Niederlage zu strafen, und dann wieder seine Geheimräthe vor den Soldaten blamirte -- dann mußten ihn die Diplomaten des Südens verloren geben. Ludwig XI. aber, der in seiner Politik die italienischen Fürsten innerhalb ihrer eigenen Art übertrifft, und der vor Allem sich als Bewunderer des Francesco Sforza bekannte, ist im Gebiet der Bildung durch seine vulgäre Natur weit von jenen Herrschern geschieden.
In ganz merkwürdiger Mischung liegt Gutes und Böses in den italienischen Staaten des XV. Jahrhunderts durchein- ander. Die Persönlichkeit der Fürsten wird eine so durch- gebildete, eine oft so hochbedeutende, für ihre Lage und Aufgabe so characteristische, 3) daß das sittliche Urtheil schwer zu seinem Rechte kömmt.
Grund und Boden der Herrschaft sind und bleiben ille-Illegitimität; Einmischung der Kaiser. gitim und ein Fluch haftet daran und will nicht davon weichen. Kaiserliche Gutheißungen und Belehnungen ändern dieß nicht, weil das Volk keine Notiz davon nimmt, wenn seine Herrscher sich irgendwo in fernen Landen oder von einem durchreisenden Fremden ein Stück Pergament gekauft
1)De Gingins: depeches des ambassadeurs milanais, II, p. 200 (N. 213). Vgl. II, 3 (N. 144) und II, 212 (N. 218).
2)Paul. Jovius, Elogia.
3) Dieser Verein von Kraft und Talent ist es, was bei Macchiavell virtu heißt und auch mit scelleratezza verträglich gedacht wird, z. B. Discorsi I, 10, bei Anlaß des Sept. Severus.
umkommen möchten! Beſäße auch der Herzog die Schweiz1. Abſchnitt. ohne Widerſtand, ſeine Jahreseinkünfte wären deßhalb um keine 5000 Ducaten größer ꝛc.“ 1) Was in Carl Mittelalter- liches war, ſeine ritterlichen Phantaſien oder Ideale, dafür hatte Italien längſt kein Verſtändniß mehr. Wenn er aber vollends den Unteranführern Ohrfeigen ertheilte 2) und ſie dennoch bei ſich behielt, wenn er ſeine Truppen mißhandelte um ſie wegen einer Niederlage zu ſtrafen, und dann wieder ſeine Geheimräthe vor den Soldaten blamirte — dann mußten ihn die Diplomaten des Südens verloren geben. Ludwig XI. aber, der in ſeiner Politik die italieniſchen Fürſten innerhalb ihrer eigenen Art übertrifft, und der vor Allem ſich als Bewunderer des Francesco Sforza bekannte, iſt im Gebiet der Bildung durch ſeine vulgäre Natur weit von jenen Herrſchern geſchieden.
In ganz merkwürdiger Miſchung liegt Gutes und Böſes in den italieniſchen Staaten des XV. Jahrhunderts durchein- ander. Die Perſönlichkeit der Fürſten wird eine ſo durch- gebildete, eine oft ſo hochbedeutende, für ihre Lage und Aufgabe ſo characteriſtiſche, 3) daß das ſittliche Urtheil ſchwer zu ſeinem Rechte kömmt.
Grund und Boden der Herrſchaft ſind und bleiben ille-Illegitimität; Einmiſchung der Kaiſer. gitim und ein Fluch haftet daran und will nicht davon weichen. Kaiſerliche Gutheißungen und Belehnungen ändern dieß nicht, weil das Volk keine Notiz davon nimmt, wenn ſeine Herrſcher ſich irgendwo in fernen Landen oder von einem durchreiſenden Fremden ein Stück Pergament gekauft
1)De Gingins: dépêches des ambassadeurs milanais, II, p. 200 (N. 213). Vgl. II, 3 (N. 144) und II, 212 (N. 218).
2)Paul. Jovius, Elogia.
3) Dieſer Verein von Kraft und Talent iſt es, was bei Macchiavell virtù heißt und auch mit scelleratezza verträglich gedacht wird, z. B. Discorsi I, 10, bei Anlaß des Sept. Severus.
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[15/0025]
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liches war, ſeine ritterlichen Phantaſien oder Ideale, dafür
hatte Italien längſt kein Verſtändniß mehr. Wenn er aber
vollends den Unteranführern Ohrfeigen ertheilte 2) und ſie
dennoch bei ſich behielt, wenn er ſeine Truppen mißhandelte
um ſie wegen einer Niederlage zu ſtrafen, und dann wieder
ſeine Geheimräthe vor den Soldaten blamirte — dann
mußten ihn die Diplomaten des Südens verloren geben.
Ludwig XI. aber, der in ſeiner Politik die italieniſchen
Fürſten innerhalb ihrer eigenen Art übertrifft, und der vor
Allem ſich als Bewunderer des Francesco Sforza bekannte,
iſt im Gebiet der Bildung durch ſeine vulgäre Natur weit
von jenen Herrſchern geſchieden.
1. Abſchnitt.
In ganz merkwürdiger Miſchung liegt Gutes und Böſes
in den italieniſchen Staaten des XV. Jahrhunderts durchein-
ander. Die Perſönlichkeit der Fürſten wird eine ſo durch-
gebildete, eine oft ſo hochbedeutende, für ihre Lage und
Aufgabe ſo characteriſtiſche, 3) daß das ſittliche Urtheil
ſchwer zu ſeinem Rechte kömmt.
Grund und Boden der Herrſchaft ſind und bleiben ille-
gitim und ein Fluch haftet daran und will nicht davon
weichen. Kaiſerliche Gutheißungen und Belehnungen ändern
dieß nicht, weil das Volk keine Notiz davon nimmt, wenn
ſeine Herrſcher ſich irgendwo in fernen Landen oder von
einem durchreiſenden Fremden ein Stück Pergament gekauft
Illegitimität;
Einmiſchung
der Kaiſer.
1) De Gingins: dépêches des ambassadeurs milanais, II, p. 200
(N. 213). Vgl. II, 3 (N. 144) und II, 212 (N. 218).
2) Paul. Jovius, Elogia.
3) Dieſer Verein von Kraft und Talent iſt es, was bei Macchiavell
virtù heißt und auch mit scelleratezza verträglich gedacht wird,
z. B. Discorsi I, 10, bei Anlaß des Sept. Severus.
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Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860/25>, abgerufen am 22.11.2024.
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