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Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860.

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der damaligen Bildung etwas unwillkürlich Imposantes.3. Abschnitt.
Nicolaus V. war beruhigt über das Schicksal der Kirche,
weil Tausende gelehrter Männer ihr hülfreich zur Seite
ständen. Bei Pius II. sind die Opfer für die Wissenschaft
lange nicht so großartig, sein Poetenhof erscheint sehr mäßig,
allein er selbst ist noch weit mehr das persönliche Haupt
der Gelehrtenrepublik als sein zweiter Vorgänger und ge-
nießt dieses Ruhmes in vollster Sicherheit. Erst Paul II.
war mit Furcht und Mißtrauen gegen den Humanismus
seiner Secretäre erfüllt, und seine drei Nachfolger Sixtus,
Innocenz und Alexander nahmen wohl Dedicationen an
und ließen sich andichten so viel man wollte -- es gab so-
gar eine Borgiade, wahrscheinlich in Hexametern 1) --,
waren aber zu sehr anderweitig beschäftigt und auf andere
Stützpunkte ihrer Gewalt bedacht um sich viel mit den
Poeten-Philologen einzulassen. Julius II. fand Dichter,
weil er selber ein bedeutender Gegenstand war (S. 121),
scheint sich übrigens nicht viel um sie gekümmert zu haben.
Da folgte auf ihn Leo X. "wie auf Romulus Numa",Bei Leo X.
d. h. nach dem Waffenlärm des vorigen Pontificates hoffte
man auf ein ganz den Musen geweihtes. Der Genuß
schöner lateinischer Prosa und wohllautender Verse gehörte
mit zu Leo's Lebensprogramm und soviel hat sein Mäcenat
allerdings in dieser Beziehung erreicht, daß seine lateinischen

XV. Jahrh. muß hier der Kürze wegen auf den Schluß von
Papencordt's "Geschichte der Stadt Rom im M. A." verwiesen
werden.
1) Lil. Gregor. Gyraldus, de poetis nostri temporis, bei Anlaß des
Sphaerulus von Camerino. Der gute Mann wurde damit nicht zu
rechter Zeit fertig und hatte seine Arbeit noch 40 Jahre später im Pult.
-- Ueber die magern Honorare des Sixtus IV. vgl. Pierio Valer.
de infelic. lit.
bei Anlaß des Theodorus Gaza. -- Das absichtliche
Fernhalten der Humanisten vom Cardinalat bei den Päpsten vor
Leo, vgl. Lor. Grana's Leichenrede auf Card. Egidio, Anecd. litt.
IV, p. 307
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der damaligen Bildung etwas unwillkürlich Impoſantes.3. Abſchnitt.
Nicolaus V. war beruhigt über das Schickſal der Kirche,
weil Tauſende gelehrter Männer ihr hülfreich zur Seite
ſtänden. Bei Pius II. ſind die Opfer für die Wiſſenſchaft
lange nicht ſo großartig, ſein Poetenhof erſcheint ſehr mäßig,
allein er ſelbſt iſt noch weit mehr das perſönliche Haupt
der Gelehrtenrepublik als ſein zweiter Vorgänger und ge-
nießt dieſes Ruhmes in vollſter Sicherheit. Erſt Paul II.
war mit Furcht und Mißtrauen gegen den Humanismus
ſeiner Secretäre erfüllt, und ſeine drei Nachfolger Sixtus,
Innocenz und Alexander nahmen wohl Dedicationen an
und ließen ſich andichten ſo viel man wollte — es gab ſo-
gar eine Borgiade, wahrſcheinlich in Hexametern 1) —,
waren aber zu ſehr anderweitig beſchäftigt und auf andere
Stützpunkte ihrer Gewalt bedacht um ſich viel mit den
Poeten-Philologen einzulaſſen. Julius II. fand Dichter,
weil er ſelber ein bedeutender Gegenſtand war (S. 121),
ſcheint ſich übrigens nicht viel um ſie gekümmert zu haben.
Da folgte auf ihn Leo X. „wie auf Romulus Numa“,Bei Leo X.
d. h. nach dem Waffenlärm des vorigen Pontificates hoffte
man auf ein ganz den Muſen geweihtes. Der Genuß
ſchöner lateiniſcher Proſa und wohllautender Verſe gehörte
mit zu Leo's Lebensprogramm und ſoviel hat ſein Mäcenat
allerdings in dieſer Beziehung erreicht, daß ſeine lateiniſchen

XV. Jahrh. muß hier der Kürze wegen auf den Schluß von
Papencordt's „Geſchichte der Stadt Rom im M. A.“ verwieſen
werden.
1) Lil. Gregor. Gyraldus, de poetis nostri temporis, bei Anlaß des
Sphaerulus von Camerino. Der gute Mann wurde damit nicht zu
rechter Zeit fertig und hatte ſeine Arbeit noch 40 Jahre ſpäter im Pult.
— Ueber die magern Honorare des Sixtus IV. vgl. Pierio Valer.
de infelic. lit.
bei Anlaß des Theodorus Gaza. — Das abſichtliche
Fernhalten der Humaniſten vom Cardinalat bei den Päpſten vor
Leo, vgl. Lor. Grana's Leichenrede auf Card. Egidio, Anecd. litt.
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[217/0227] der damaligen Bildung etwas unwillkürlich Impoſantes. Nicolaus V. war beruhigt über das Schickſal der Kirche, weil Tauſende gelehrter Männer ihr hülfreich zur Seite ſtänden. Bei Pius II. ſind die Opfer für die Wiſſenſchaft lange nicht ſo großartig, ſein Poetenhof erſcheint ſehr mäßig, allein er ſelbſt iſt noch weit mehr das perſönliche Haupt der Gelehrtenrepublik als ſein zweiter Vorgänger und ge- nießt dieſes Ruhmes in vollſter Sicherheit. Erſt Paul II. war mit Furcht und Mißtrauen gegen den Humanismus ſeiner Secretäre erfüllt, und ſeine drei Nachfolger Sixtus, Innocenz und Alexander nahmen wohl Dedicationen an und ließen ſich andichten ſo viel man wollte — es gab ſo- gar eine Borgiade, wahrſcheinlich in Hexametern 1) —, waren aber zu ſehr anderweitig beſchäftigt und auf andere Stützpunkte ihrer Gewalt bedacht um ſich viel mit den Poeten-Philologen einzulaſſen. Julius II. fand Dichter, weil er ſelber ein bedeutender Gegenſtand war (S. 121), ſcheint ſich übrigens nicht viel um ſie gekümmert zu haben. Da folgte auf ihn Leo X. „wie auf Romulus Numa“, d. h. nach dem Waffenlärm des vorigen Pontificates hoffte man auf ein ganz den Muſen geweihtes. Der Genuß ſchöner lateiniſcher Proſa und wohllautender Verſe gehörte mit zu Leo's Lebensprogramm und ſoviel hat ſein Mäcenat allerdings in dieſer Beziehung erreicht, daß ſeine lateiniſchen 4) 3. Abſchnitt. Bei Leo X. 1) Lil. Gregor. Gyraldus, de poetis nostri temporis, bei Anlaß des Sphaerulus von Camerino. Der gute Mann wurde damit nicht zu rechter Zeit fertig und hatte ſeine Arbeit noch 40 Jahre ſpäter im Pult. — Ueber die magern Honorare des Sixtus IV. vgl. Pierio Valer. de infelic. lit. bei Anlaß des Theodorus Gaza. — Das abſichtliche Fernhalten der Humaniſten vom Cardinalat bei den Päpſten vor Leo, vgl. Lor. Grana's Leichenrede auf Card. Egidio, Anecd. litt. IV, p. 307. 4) XV. Jahrh. muß hier der Kürze wegen auf den Schluß von Papencordt's „Geſchichte der Stadt Rom im M. A.“ verwieſen werden.

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Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860, S. 217. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860/227>, abgerufen am 18.04.2024.