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Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860.

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3. Abschnitt.galten sie als größte Sehenswürdigkeit der Umgegend Neapels.
Schon entstanden auch Sammlungen von Alterthümern
jeder Gattung. Ciriaco von Ancona durchstreifte nicht
bloß Italien sondern auch andere Länder des alten Orbis
terrarum und brachte Inschriften und Zeichnungen in
Menge mit; auf die Frage, warum er sich so bemühe,
antwortete er: um die Todten zu erwecken 1). Die Historien
der einzelnen Städte hatten von jeher auf einen wahren
oder fingirten Zusammenhang mit Rom, auf directe Grün-
dung oder Colonisation von dort aus hingewiesen 2); längst
Abstammung
von alten Rö-
mern.
scheinen gefällige Genealogen auch einzelne Familien von
berühmten römischen Geschlechtern derivirt zu haben. Dieß
lautete so angenehm, daß man auch im Lichte der begin-
nenden Kritik des XV. Jahrhunderts daran festhielt.
Ganz unbefangen redet Pius II. in Viterbo 3) zu den rö-
mischen Oratoren, die ihn um schleunige Rückkehr bitten:
"Rom ist ja meine Heimath so gut wie Siena, denn mein
"Haus, die Piccolomini, ist vor Alters von Rom nach
"Siena gewandert, wie der häufige Gebrauch der Namen
"Aeneas und Sylvius in unserer Familie beweist". Ver-
muthlich hätte er nicht übel Lust gehabt, ein Julier
zu sein. Auch für Paul II. -- Barbo von Venedig -- wurde
gesorgt, indem man sein Haus, trotz einer entgegenstehenden
Abstammung aus Deutschland, von den römischen Aheno-
barbus ableitete, die mit einer Colonie nach Parma gerathen
und deren Nachkommen wegen Parteiung nach Venedig

1) Leandro Alberti, Descriz. di tutta l'Italia, fol. 285.
2) Zwei Beispiele statt vieler: die fabulose Urgeschichte von Mailand,
im Manipulus (Murat. XI, Col. 552) und die von Florenz, am
Anfang der Chronik des Ricordano Malaspini, und dann bei Gio.
Villani, laut welchem Florenz gegen das antirömische, rebellische
Fiesole von jeher Recht hat, weil es so gut römisch gesinnt ist.
(I, 9. 38. 41. II, 2). -- Dante, Inf. XV, 76.
3) Commentarii, p. 206, im IV. Buch.

3. Abſchnitt.galten ſie als größte Sehenswürdigkeit der Umgegend Neapels.
Schon entſtanden auch Sammlungen von Alterthümern
jeder Gattung. Ciriaco von Ancona durchſtreifte nicht
bloß Italien ſondern auch andere Länder des alten Orbis
terrarum und brachte Inſchriften und Zeichnungen in
Menge mit; auf die Frage, warum er ſich ſo bemühe,
antwortete er: um die Todten zu erwecken 1). Die Hiſtorien
der einzelnen Städte hatten von jeher auf einen wahren
oder fingirten Zuſammenhang mit Rom, auf directe Grün-
dung oder Coloniſation von dort aus hingewieſen 2); längſt
Abſtammung
von alten Rö-
mern.
ſcheinen gefällige Genealogen auch einzelne Familien von
berühmten römiſchen Geſchlechtern derivirt zu haben. Dieß
lautete ſo angenehm, daß man auch im Lichte der begin-
nenden Kritik des XV. Jahrhunderts daran feſthielt.
Ganz unbefangen redet Pius II. in Viterbo 3) zu den rö-
miſchen Oratoren, die ihn um ſchleunige Rückkehr bitten:
„Rom iſt ja meine Heimath ſo gut wie Siena, denn mein
„Haus, die Piccolomini, iſt vor Alters von Rom nach
„Siena gewandert, wie der häufige Gebrauch der Namen
„Aeneas und Sylvius in unſerer Familie beweist“. Ver-
muthlich hätte er nicht übel Luſt gehabt, ein Julier
zu ſein. Auch für Paul II. — Barbo von Venedig — wurde
geſorgt, indem man ſein Haus, trotz einer entgegenſtehenden
Abſtammung aus Deutſchland, von den römiſchen Aheno-
barbus ableitete, die mit einer Colonie nach Parma gerathen
und deren Nachkommen wegen Parteiung nach Venedig

1) Leandro Alberti, Descriz. di tutta l'Italia, fol. 285.
2) Zwei Beiſpiele ſtatt vieler: die fabuloſe Urgeſchichte von Mailand,
im Manipulus (Murat. XI, Col. 552) und die von Florenz, am
Anfang der Chronik des Ricordano Malaspini, und dann bei Gio.
Villani, laut welchem Florenz gegen das antirömiſche, rebelliſche
Fieſole von jeher Recht hat, weil es ſo gut römiſch geſinnt iſt.
(I, 9. 38. 41. II, 2). — Dante, Inf. XV, 76.
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[182/0192] galten ſie als größte Sehenswürdigkeit der Umgegend Neapels. Schon entſtanden auch Sammlungen von Alterthümern jeder Gattung. Ciriaco von Ancona durchſtreifte nicht bloß Italien ſondern auch andere Länder des alten Orbis terrarum und brachte Inſchriften und Zeichnungen in Menge mit; auf die Frage, warum er ſich ſo bemühe, antwortete er: um die Todten zu erwecken 1). Die Hiſtorien der einzelnen Städte hatten von jeher auf einen wahren oder fingirten Zuſammenhang mit Rom, auf directe Grün- dung oder Coloniſation von dort aus hingewieſen 2); längſt ſcheinen gefällige Genealogen auch einzelne Familien von berühmten römiſchen Geſchlechtern derivirt zu haben. Dieß lautete ſo angenehm, daß man auch im Lichte der begin- nenden Kritik des XV. Jahrhunderts daran feſthielt. Ganz unbefangen redet Pius II. in Viterbo 3) zu den rö- miſchen Oratoren, die ihn um ſchleunige Rückkehr bitten: „Rom iſt ja meine Heimath ſo gut wie Siena, denn mein „Haus, die Piccolomini, iſt vor Alters von Rom nach „Siena gewandert, wie der häufige Gebrauch der Namen „Aeneas und Sylvius in unſerer Familie beweist“. Ver- muthlich hätte er nicht übel Luſt gehabt, ein Julier zu ſein. Auch für Paul II. — Barbo von Venedig — wurde geſorgt, indem man ſein Haus, trotz einer entgegenſtehenden Abſtammung aus Deutſchland, von den römiſchen Aheno- barbus ableitete, die mit einer Colonie nach Parma gerathen und deren Nachkommen wegen Parteiung nach Venedig 3. Abſchnitt. Abſtammung von alten Rö- mern. 1) Leandro Alberti, Descriz. di tutta l'Italia, fol. 285. 2) Zwei Beiſpiele ſtatt vieler: die fabuloſe Urgeſchichte von Mailand, im Manipulus (Murat. XI, Col. 552) und die von Florenz, am Anfang der Chronik des Ricordano Malaspini, und dann bei Gio. Villani, laut welchem Florenz gegen das antirömiſche, rebelliſche Fieſole von jeher Recht hat, weil es ſo gut römiſch geſinnt iſt. (I, 9. 38. 41. II, 2). — Dante, Inf. XV, 76. 3) Commentarii, p. 206, im IV. Buch.

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Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860, S. 182. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860/192>, abgerufen am 18.04.2024.