Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860.

Bild:
<< vorherige Seite

mian mußte er erst, mit Lorbeer und Purpur ausstaffirt,2. Abschnitt.
das päpstliche Gastmahl durch Recitationen erheitern, und
als Alles am Bersten war, im vaticanischen Hof den gold-
geschirrten Elephanten besteigen, welchen Emanuel der
Große von Portugal nach Rom geschenkt hatte; während
dessen sah der Papst von oben durch sein Lorgnon 1) her-
unter. Das Thier aber wurde scheu vom Lärm der Pauken
und Trompeten und vom Bravorufen und war nicht über
die Engelsbrücke zu bringen.

Die Parodie des Feierlichen und Erhabenen, welcheDie Parodie.
uns hier in Gestalt eines Aufzuges entgegentritt, hatte da-
mals bereits eine mächtige Stellung in der Poesie einge-
nommen 2). Freilich mußte sie sich ein anderes Opfer
suchen als z. B. Aristophanes durfte, da er die großen
Tragiker in seiner Comödie auftreten ließ. Aber dieselbe
Bildungsreife, welche bei den Griechen zu einer bestimmten
Zeit die Parodie hervortrieb, brachte sie auch hier zur
Blüthe. Schon zu Ende des XIV. Jahrhunderts werden
im Sonett petrarchische Liebesklagen und anderes der Art
durch Nachahmung ausgehöhnt; ja das Feierliche der vier-
zehnzeiligen Form an sich wird durch geheimthuenden Unsinn

1) Das Lorgnon entnehme ich nicht bloß aus Rafaels Porträt, wo es eher
als Loupe zur Betrachtung der Miniaturen des Gebetbuches gedeutet
werden kann, sondern aus einer Notiz des Pellicanus, wonach Leo eine
aufziehende Procession von Mönchen durch ein Specillum betrachtete,
(vgl Zürcher Taschenbuch auf 1858, S. 177) und aus der cristal-
lus concava,
die er laut Giovio auf der Jagd brauchie.
2) Auch in der bildenden Kunst fehlt sie nicht; man erinnere sich z. B.
jenes bekannten Stiches welcher die Laocoonsgruppe in drei Affen
übersetzt darstellt. Nur ging dergleichen selten über eine flüchtige
Handzeichnung hinaus; Manches mag auch zernichtet worden sein.
Die Caricatur ist wieder wesentlich etwas Anderes; Lionardo in
seinen Grimassen (Ambrosiana) stellt das Häßliche dar wenn und
weil es komisch ist und erhöht dabei diesen komischen Character nach
Belieben.

mian mußte er erſt, mit Lorbeer und Purpur ausſtaffirt,2. Abſchnitt.
das päpſtliche Gaſtmahl durch Recitationen erheitern, und
als Alles am Berſten war, im vaticaniſchen Hof den gold-
geſchirrten Elephanten beſteigen, welchen Emanuel der
Große von Portugal nach Rom geſchenkt hatte; während
deſſen ſah der Papſt von oben durch ſein Lorgnon 1) her-
unter. Das Thier aber wurde ſcheu vom Lärm der Pauken
und Trompeten und vom Bravorufen und war nicht über
die Engelsbrücke zu bringen.

Die Parodie des Feierlichen und Erhabenen, welcheDie Parodie.
uns hier in Geſtalt eines Aufzuges entgegentritt, hatte da-
mals bereits eine mächtige Stellung in der Poeſie einge-
nommen 2). Freilich mußte ſie ſich ein anderes Opfer
ſuchen als z. B. Ariſtophanes durfte, da er die großen
Tragiker in ſeiner Comödie auftreten ließ. Aber dieſelbe
Bildungsreife, welche bei den Griechen zu einer beſtimmten
Zeit die Parodie hervortrieb, brachte ſie auch hier zur
Blüthe. Schon zu Ende des XIV. Jahrhunderts werden
im Sonett petrarchiſche Liebesklagen und anderes der Art
durch Nachahmung ausgehöhnt; ja das Feierliche der vier-
zehnzeiligen Form an ſich wird durch geheimthuenden Unſinn

1) Das Lorgnon entnehme ich nicht bloß aus Rafaels Porträt, wo es eher
als Loupe zur Betrachtung der Miniaturen des Gebetbuches gedeutet
werden kann, ſondern aus einer Notiz des Pellicanus, wonach Leo eine
aufziehende Proceſſion von Mönchen durch ein Specillum betrachtete,
(vgl Zürcher Taſchenbuch auf 1858, S. 177) und aus der cristal-
lus concava,
die er laut Giovio auf der Jagd brauchie.
2) Auch in der bildenden Kunſt fehlt ſie nicht; man erinnere ſich z. B.
jenes bekannten Stiches welcher die Laocoonsgruppe in drei Affen
überſetzt darſtellt. Nur ging dergleichen ſelten über eine flüchtige
Handzeichnung hinaus; Manches mag auch zernichtet worden ſein.
Die Caricatur iſt wieder weſentlich etwas Anderes; Lionardo in
ſeinen Grimaſſen (Ambroſiana) ſtellt das Häßliche dar wenn und
weil es komiſch iſt und erhöht dabei dieſen komiſchen Character nach
Belieben.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0169" n="159"/>
mian mußte er er&#x017F;t, mit Lorbeer und Purpur aus&#x017F;taffirt,<note place="right"><hi rendition="#b"><hi rendition="#u">2. Ab&#x017F;chnitt.</hi></hi></note><lb/>
das päp&#x017F;tliche Ga&#x017F;tmahl durch Recitationen erheitern, und<lb/>
als Alles am Ber&#x017F;ten war, im vaticani&#x017F;chen Hof den gold-<lb/>
ge&#x017F;chirrten Elephanten be&#x017F;teigen, welchen Emanuel der<lb/>
Große von Portugal nach Rom ge&#x017F;chenkt hatte; während<lb/>
de&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ah der Pap&#x017F;t von oben durch &#x017F;ein Lorgnon <note place="foot" n="1)">Das Lorgnon entnehme ich nicht bloß aus Rafaels Porträt, wo es eher<lb/>
als Loupe zur Betrachtung der Miniaturen des Gebetbuches gedeutet<lb/>
werden kann, &#x017F;ondern aus einer Notiz des Pellicanus, wonach Leo eine<lb/>
aufziehende Proce&#x017F;&#x017F;ion von Mönchen durch ein <hi rendition="#aq">Specillum</hi> betrachtete,<lb/>
(vgl Zürcher Ta&#x017F;chenbuch auf 1858, S. 177) und aus der <hi rendition="#aq">cristal-<lb/>
lus concava,</hi> die er laut Giovio auf der Jagd brauchie.</note> her-<lb/>
unter. Das Thier aber wurde &#x017F;cheu vom Lärm der Pauken<lb/>
und Trompeten und vom Bravorufen und war nicht über<lb/>
die Engelsbrücke zu bringen.</p><lb/>
        <p>Die Parodie des Feierlichen und Erhabenen, welche<note place="right">Die Parodie.</note><lb/>
uns hier in Ge&#x017F;talt eines Aufzuges entgegentritt, hatte da-<lb/>
mals bereits eine mächtige Stellung in der Poe&#x017F;ie einge-<lb/>
nommen <note place="foot" n="2)">Auch in der bildenden Kun&#x017F;t fehlt &#x017F;ie nicht; man erinnere &#x017F;ich z. B.<lb/>
jenes bekannten Stiches welcher die Laocoonsgruppe in drei Affen<lb/>
über&#x017F;etzt dar&#x017F;tellt. Nur ging dergleichen &#x017F;elten über eine flüchtige<lb/>
Handzeichnung hinaus; Manches mag auch zernichtet worden &#x017F;ein.<lb/>
Die Caricatur i&#x017F;t wieder we&#x017F;entlich etwas Anderes; Lionardo in<lb/>
&#x017F;einen Grima&#x017F;&#x017F;en (Ambro&#x017F;iana) &#x017F;tellt das Häßliche dar wenn und<lb/>
weil es komi&#x017F;ch i&#x017F;t und erhöht dabei die&#x017F;en komi&#x017F;chen Character nach<lb/>
Belieben.</note>. Freilich mußte &#x017F;ie &#x017F;ich ein anderes Opfer<lb/>
&#x017F;uchen als z. B. Ari&#x017F;tophanes durfte, da er die großen<lb/>
Tragiker in &#x017F;einer Comödie auftreten ließ. Aber die&#x017F;elbe<lb/>
Bildungsreife, welche bei den Griechen zu einer be&#x017F;timmten<lb/>
Zeit die Parodie hervortrieb, brachte &#x017F;ie auch hier zur<lb/>
Blüthe. Schon zu Ende des <hi rendition="#aq">XIV.</hi> Jahrhunderts werden<lb/>
im Sonett petrarchi&#x017F;che Liebesklagen und anderes der Art<lb/>
durch Nachahmung ausgehöhnt; ja das Feierliche der vier-<lb/>
zehnzeiligen Form an &#x017F;ich wird durch geheimthuenden Un&#x017F;inn<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[159/0169] mian mußte er erſt, mit Lorbeer und Purpur ausſtaffirt, das päpſtliche Gaſtmahl durch Recitationen erheitern, und als Alles am Berſten war, im vaticaniſchen Hof den gold- geſchirrten Elephanten beſteigen, welchen Emanuel der Große von Portugal nach Rom geſchenkt hatte; während deſſen ſah der Papſt von oben durch ſein Lorgnon 1) her- unter. Das Thier aber wurde ſcheu vom Lärm der Pauken und Trompeten und vom Bravorufen und war nicht über die Engelsbrücke zu bringen. 2. Abſchnitt. Die Parodie des Feierlichen und Erhabenen, welche uns hier in Geſtalt eines Aufzuges entgegentritt, hatte da- mals bereits eine mächtige Stellung in der Poeſie einge- nommen 2). Freilich mußte ſie ſich ein anderes Opfer ſuchen als z. B. Ariſtophanes durfte, da er die großen Tragiker in ſeiner Comödie auftreten ließ. Aber dieſelbe Bildungsreife, welche bei den Griechen zu einer beſtimmten Zeit die Parodie hervortrieb, brachte ſie auch hier zur Blüthe. Schon zu Ende des XIV. Jahrhunderts werden im Sonett petrarchiſche Liebesklagen und anderes der Art durch Nachahmung ausgehöhnt; ja das Feierliche der vier- zehnzeiligen Form an ſich wird durch geheimthuenden Unſinn Die Parodie. 1) Das Lorgnon entnehme ich nicht bloß aus Rafaels Porträt, wo es eher als Loupe zur Betrachtung der Miniaturen des Gebetbuches gedeutet werden kann, ſondern aus einer Notiz des Pellicanus, wonach Leo eine aufziehende Proceſſion von Mönchen durch ein Specillum betrachtete, (vgl Zürcher Taſchenbuch auf 1858, S. 177) und aus der cristal- lus concava, die er laut Giovio auf der Jagd brauchie. 2) Auch in der bildenden Kunſt fehlt ſie nicht; man erinnere ſich z. B. jenes bekannten Stiches welcher die Laocoonsgruppe in drei Affen überſetzt darſtellt. Nur ging dergleichen ſelten über eine flüchtige Handzeichnung hinaus; Manches mag auch zernichtet worden ſein. Die Caricatur iſt wieder weſentlich etwas Anderes; Lionardo in ſeinen Grimaſſen (Ambroſiana) ſtellt das Häßliche dar wenn und weil es komiſch iſt und erhöht dabei dieſen komiſchen Character nach Belieben.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860/169
Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860, S. 159. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860/169>, abgerufen am 24.11.2024.