2. Abschnitt.ein paar Condottierenspäße 1) gehören zum Rohesten und Bösesten was aufgezeichnet ist. Manche Burla ist hoch- komisch, manche aber auch ein bloß vermeintlicher Beweis der persönlichen Ueberlegenheit, des Triumphes über einen Andern. Wie viel man einander zu Gute hielt, wie oft das Schlachtopfer durch einen Gegenstreich die Lacher wieder auf seine Seite zu bringen sich begnügte, wissen wir nicht; es war doch viele herzlose und geistlose Bosheit dabei, und das florentinische Leben mag hiedurch oft recht unbequem Die Witzmacher.geworden sein 2). Bereits ist der Spaßerfinder und Spaß- erzähler eine unvermeidliche Figur geworden, und es muß darunter classische gegeben haben, weit überlegen allen bloßen Hofnarren, welchen die Concurrenz, das wechselnde Publicum und das rasche Verständniß der Zuhörer (lauter Vorzüge des Aufenthaltes in Florenz) abgingen. Deßhalb reisten auch einzelne Florentiner auf Gastrollen an den Tyrannenhöfen der Lombardie und Romagna herum 3), und fanden ihre Rechnung dabei, während sie in der Vaterstadt, wo der Witz auf allen Gassen lief, nicht viel gewannen. Der bessere Typus dieser Leute ist der des amüsanten Menschen (l'uomo piacevole), der geringere ist der des Buffone und des gemeinen Schmarotzers, der sich an Hoch- zeiten und Gastmählern einfindet mit dem Raisonnement! "wenn ich nicht eingeladen worden bin, so ist das nicht "meine Schuld." Da und dort helfen diese einen jungen Verschwender aussaugen 4), im Ganzen aber werden sie als Parasiten behandelt und verhöhnt, während höher stehende Witzbolde sich fürstengleich dünken und ihren Witz für etwas
1)Nov. 40. 41; es ist Ridolfo da Camerino.
2) Die bekannte Posse von Brunellesco und dem dicken Holzschnitzer, so geistreich erfunden, ist doch wohl grausam zu nennen.
3)Ibid. Nov. 49. Und doch hatte man laut Nov. 67 das Gefühl, daß hie und da ein Romagnole auch dem schlimmsten Florentiner überlegen sei.
4)Agn. Pandolfini, del governo della famiglia, p. 48.
2. Abſchnitt.ein paar Condottierenſpäße 1) gehören zum Roheſten und Böſeſten was aufgezeichnet iſt. Manche Burla iſt hoch- komiſch, manche aber auch ein bloß vermeintlicher Beweis der perſönlichen Ueberlegenheit, des Triumphes über einen Andern. Wie viel man einander zu Gute hielt, wie oft das Schlachtopfer durch einen Gegenſtreich die Lacher wieder auf ſeine Seite zu bringen ſich begnügte, wiſſen wir nicht; es war doch viele herzloſe und geiſtloſe Bosheit dabei, und das florentiniſche Leben mag hiedurch oft recht unbequem Die Witzmacher.geworden ſein 2). Bereits iſt der Spaßerfinder und Spaß- erzähler eine unvermeidliche Figur geworden, und es muß darunter claſſiſche gegeben haben, weit überlegen allen bloßen Hofnarren, welchen die Concurrenz, das wechſelnde Publicum und das raſche Verſtändniß der Zuhörer (lauter Vorzüge des Aufenthaltes in Florenz) abgingen. Deßhalb reisten auch einzelne Florentiner auf Gaſtrollen an den Tyrannenhöfen der Lombardie und Romagna herum 3), und fanden ihre Rechnung dabei, während ſie in der Vaterſtadt, wo der Witz auf allen Gaſſen lief, nicht viel gewannen. Der beſſere Typus dieſer Leute iſt der des amüſanten Menſchen (l'uomo piacevole), der geringere iſt der des Buffone und des gemeinen Schmarotzers, der ſich an Hoch- zeiten und Gaſtmählern einfindet mit dem Raiſonnement! „wenn ich nicht eingeladen worden bin, ſo iſt das nicht „meine Schuld.“ Da und dort helfen dieſe einen jungen Verſchwender ausſaugen 4), im Ganzen aber werden ſie als Paraſiten behandelt und verhöhnt, während höher ſtehende Witzbolde ſich fürſtengleich dünken und ihren Witz für etwas
1)Nov. 40. 41; es iſt Ridolfo da Camerino.
2) Die bekannte Poſſe von Brunellesco und dem dicken Holzſchnitzer, ſo geiſtreich erfunden, iſt doch wohl grauſam zu nennen.
3)Ibid. Nov. 49. Und doch hatte man laut Nov. 67 das Gefühl, daß hie und da ein Romagnole auch dem ſchlimmſten Florentiner überlegen ſei.
4)Agn. Pandolfini, del governo della famiglia, p. 48.
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Andern. Wie viel man einander zu Gute hielt, wie oft
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es war doch viele herzloſe und geiſtloſe Bosheit dabei, und
das florentiniſche Leben mag hiedurch oft recht unbequem
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erzähler eine unvermeidliche Figur geworden, und es muß
darunter claſſiſche gegeben haben, weit überlegen allen
bloßen Hofnarren, welchen die Concurrenz, das wechſelnde
Publicum und das raſche Verſtändniß der Zuhörer (lauter
Vorzüge des Aufenthaltes in Florenz) abgingen. Deßhalb
reisten auch einzelne Florentiner auf Gaſtrollen an den
Tyrannenhöfen der Lombardie und Romagna herum 3), und
fanden ihre Rechnung dabei, während ſie in der Vaterſtadt,
wo der Witz auf allen Gaſſen lief, nicht viel gewannen.
Der beſſere Typus dieſer Leute iſt der des amüſanten
Menſchen (l'uomo piacevole), der geringere iſt der des
Buffone und des gemeinen Schmarotzers, der ſich an Hoch-
zeiten und Gaſtmählern einfindet mit dem Raiſonnement!
„wenn ich nicht eingeladen worden bin, ſo iſt das nicht
„meine Schuld.“ Da und dort helfen dieſe einen jungen
Verſchwender ausſaugen 4), im Ganzen aber werden ſie als
Paraſiten behandelt und verhöhnt, während höher ſtehende
Witzbolde ſich fürſtengleich dünken und ihren Witz für etwas
2. Abſchnitt.
Die
Witzmacher.
1) Nov. 40. 41; es iſt Ridolfo da Camerino.
2) Die bekannte Poſſe von Brunellesco und dem dicken Holzſchnitzer,
ſo geiſtreich erfunden, iſt doch wohl grauſam zu nennen.
3) Ibid. Nov. 49. Und doch hatte man laut Nov. 67 das Gefühl,
daß hie und da ein Romagnole auch dem ſchlimmſten Florentiner
überlegen ſei.
4) Agn. Pandolfini, del governo della famiglia, p. 48.
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Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860, S. 156. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860/166>, abgerufen am 28.11.2024.
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