Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860.

Bild:
<< vorherige Seite

2. Abschnitt.des alten Dichters stärker war, wieder aufrichten lassen.
Vielleicht zeigte man schon damals zwei Miglien von der
Stadt die Grotte, wo einst Virgil meditirt haben sollte 1),
gerade wie bei Neapel die Scuola di Virgilio. Como
eignete sich die beiden Plinius zu 2) und verherrlichte sie
gegen Ende des XV. Jahrhunderts durch sitzende Statuen
in zierlichen Baldachinen an der Vorderseite seines Domes.

Der Ruhm in
der Topogra-
phie.
Auch die Geschichtschreibung und die neugeborene To-
pographie richten sich fortan darauf ein, keinen einheimischen
Ruhm mehr unverzeichnet zu lassen, während die nordischen
Chroniken nur erst hie und da zwischen Päpsten, Kaisern,
Erdbeben und Kometen die Bemerkung machen, zu dieser
Zeit habe auch dieser oder jener berühmte Mann "geblüht".
Wie sich eine ausgezeichnete Biographik, wesentlich unter
der Herrschaft des Ruhmes-Begriffes, entwickelte, wird bei
einem andern Anlaß zu betrachten sein; hier beschränken
wir uns auf den Ortspatriotismus des Topographen, der
die Ruhmesansprüche seiner Stadt verzeichnet.

Im Mittelalter waren die Städte stolz gewesen auf
ihre Heiligen und deren Leichen und Reliquien in den
Kirchen 3). Damit beginnt auch noch der Panegyrist von
Padua und M.
Savonarola.
Padua um 1450, Michele Savonarola 4) seine Aufzählung;
dann aber geht er über auf "berühmte Männer, welche keine
Heiligen gewesen sind, jedoch durch ausgezeichneten Geist und
hohe Kraft (virtus) verdient haben, den Heiligen ange-
schlossen zu werden (adnecti)" -- ganz wie im Alterthum
der berühmte Mann an den Heros angrenzt 5). Die weitere

1) Vgl. Keyßler's Neueste Reisen, p. 1016.
2) Der ältere war bekanntlich von Verona.
3) So verhält es sich auch wesentlich noch in der merkwürdigen Schrift:
De laudibus Papiae (bei Murat. X.) aus dem XIV. Jahrh.;
viel municipaler Stolz aber noch kein specieller Ruhm.
4) De laudibus Patavii, bei Murat. XXIV, Col. 1151, ff.
5) Nam et veteres nostri tales aut Divos aut aeterna memoria

2. Abſchnitt.des alten Dichters ſtärker war, wieder aufrichten laſſen.
Vielleicht zeigte man ſchon damals zwei Miglien von der
Stadt die Grotte, wo einſt Virgil meditirt haben ſollte 1),
gerade wie bei Neapel die Scuola di Virgilio. Como
eignete ſich die beiden Plinius zu 2) und verherrlichte ſie
gegen Ende des XV. Jahrhunderts durch ſitzende Statuen
in zierlichen Baldachinen an der Vorderſeite ſeines Domes.

Der Ruhm in
der Topogra-
phie.
Auch die Geſchichtſchreibung und die neugeborene To-
pographie richten ſich fortan darauf ein, keinen einheimiſchen
Ruhm mehr unverzeichnet zu laſſen, während die nordiſchen
Chroniken nur erſt hie und da zwiſchen Päpſten, Kaiſern,
Erdbeben und Kometen die Bemerkung machen, zu dieſer
Zeit habe auch dieſer oder jener berühmte Mann „geblüht“.
Wie ſich eine ausgezeichnete Biographik, weſentlich unter
der Herrſchaft des Ruhmes-Begriffes, entwickelte, wird bei
einem andern Anlaß zu betrachten ſein; hier beſchränken
wir uns auf den Ortspatriotismus des Topographen, der
die Ruhmesanſprüche ſeiner Stadt verzeichnet.

Im Mittelalter waren die Städte ſtolz geweſen auf
ihre Heiligen und deren Leichen und Reliquien in den
Kirchen 3). Damit beginnt auch noch der Panegyriſt von
Padua und M.
Savonarola.
Padua um 1450, Michele Savonarola 4) ſeine Aufzählung;
dann aber geht er über auf „berühmte Männer, welche keine
Heiligen geweſen ſind, jedoch durch ausgezeichneten Geiſt und
hohe Kraft (virtus) verdient haben, den Heiligen ange-
ſchloſſen zu werden (adnecti)“ — ganz wie im Alterthum
der berühmte Mann an den Heros angrenzt 5). Die weitere

1) Vgl. Keyßler's Neueſte Reiſen, p. 1016.
2) Der ältere war bekanntlich von Verona.
3) So verhält es ſich auch weſentlich noch in der merkwürdigen Schrift:
De laudibus Papiæ (bei Murat. X.) aus dem XIV. Jahrh.;
viel municipaler Stolz aber noch kein ſpecieller Ruhm.
4) De laudibus Patavii, bei Murat. XXIV, Col. 1151, ff.
5) Nam et veteres nostri tales aut Divos aut æterna memoria
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0158" n="148"/><note place="left"><hi rendition="#b"><hi rendition="#u">2. Ab&#x017F;chnitt.</hi></hi></note>des alten Dichters &#x017F;tärker war, wieder aufrichten la&#x017F;&#x017F;en.<lb/>
Vielleicht zeigte man &#x017F;chon damals zwei Miglien von der<lb/>
Stadt die Grotte, wo ein&#x017F;t Virgil meditirt haben &#x017F;ollte <note place="foot" n="1)">Vgl. Keyßler's Neue&#x017F;te Rei&#x017F;en, <hi rendition="#aq">p. 1016.</hi></note>,<lb/>
gerade wie bei Neapel die Scuola di Virgilio. Como<lb/>
eignete &#x017F;ich die beiden Plinius zu <note place="foot" n="2)">Der ältere war bekanntlich von Verona.</note> und verherrlichte &#x017F;ie<lb/>
gegen Ende des <hi rendition="#aq">XV.</hi> Jahrhunderts durch &#x017F;itzende Statuen<lb/>
in zierlichen Baldachinen an der Vorder&#x017F;eite &#x017F;eines Domes.</p><lb/>
        <p><note place="left">Der Ruhm in<lb/>
der Topogra-<lb/>
phie.</note>Auch die Ge&#x017F;chicht&#x017F;chreibung und die neugeborene To-<lb/>
pographie richten &#x017F;ich fortan darauf ein, keinen einheimi&#x017F;chen<lb/>
Ruhm mehr unverzeichnet zu la&#x017F;&#x017F;en, während die nordi&#x017F;chen<lb/>
Chroniken nur er&#x017F;t hie und da zwi&#x017F;chen Päp&#x017F;ten, Kai&#x017F;ern,<lb/>
Erdbeben und Kometen die Bemerkung machen, zu die&#x017F;er<lb/>
Zeit habe auch die&#x017F;er oder jener berühmte Mann &#x201E;geblüht&#x201C;.<lb/>
Wie &#x017F;ich eine ausgezeichnete Biographik, we&#x017F;entlich unter<lb/>
der Herr&#x017F;chaft des Ruhmes-Begriffes, entwickelte, wird bei<lb/>
einem andern Anlaß zu betrachten &#x017F;ein; hier be&#x017F;chränken<lb/>
wir uns auf den Ortspatriotismus des Topographen, der<lb/>
die Ruhmesan&#x017F;prüche &#x017F;einer Stadt verzeichnet.</p><lb/>
        <p>Im Mittelalter waren die Städte &#x017F;tolz gewe&#x017F;en auf<lb/>
ihre Heiligen und deren Leichen und Reliquien in den<lb/>
Kirchen <note place="foot" n="3)">So verhält es &#x017F;ich auch we&#x017F;entlich noch in der merkwürdigen Schrift:<lb/><hi rendition="#aq">De laudibus Papiæ</hi> (bei <hi rendition="#aq">Murat. X.</hi>) aus dem <hi rendition="#aq">XIV.</hi> Jahrh.;<lb/>
viel municipaler Stolz aber noch kein &#x017F;pecieller Ruhm.</note>. Damit beginnt auch noch der Panegyri&#x017F;t von<lb/><note place="left">Padua und M.<lb/>
Savonarola.</note>Padua um 1450, Michele Savonarola <note place="foot" n="4)"><hi rendition="#aq">De laudibus Patavii,</hi> bei <hi rendition="#aq">Murat. XXIV, Col. 1151, ff.</hi></note> &#x017F;eine Aufzählung;<lb/>
dann aber geht er über auf &#x201E;berühmte Männer, welche keine<lb/>
Heiligen gewe&#x017F;en &#x017F;ind, jedoch durch ausgezeichneten Gei&#x017F;t und<lb/>
hohe Kraft <hi rendition="#aq">(virtus)</hi> verdient haben, den Heiligen ange-<lb/>
&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en zu werden <hi rendition="#aq">(adnecti)</hi>&#x201C; &#x2014; ganz wie im Alterthum<lb/>
der berühmte Mann an den Heros angrenzt <note xml:id="seg2pn_10_1" next="#seg2pn_10_2" place="foot" n="5)"><hi rendition="#aq">Nam et veteres nostri tales aut Divos aut æterna memoria</hi></note>. Die weitere<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[148/0158] des alten Dichters ſtärker war, wieder aufrichten laſſen. Vielleicht zeigte man ſchon damals zwei Miglien von der Stadt die Grotte, wo einſt Virgil meditirt haben ſollte 1), gerade wie bei Neapel die Scuola di Virgilio. Como eignete ſich die beiden Plinius zu 2) und verherrlichte ſie gegen Ende des XV. Jahrhunderts durch ſitzende Statuen in zierlichen Baldachinen an der Vorderſeite ſeines Domes. 2. Abſchnitt. Auch die Geſchichtſchreibung und die neugeborene To- pographie richten ſich fortan darauf ein, keinen einheimiſchen Ruhm mehr unverzeichnet zu laſſen, während die nordiſchen Chroniken nur erſt hie und da zwiſchen Päpſten, Kaiſern, Erdbeben und Kometen die Bemerkung machen, zu dieſer Zeit habe auch dieſer oder jener berühmte Mann „geblüht“. Wie ſich eine ausgezeichnete Biographik, weſentlich unter der Herrſchaft des Ruhmes-Begriffes, entwickelte, wird bei einem andern Anlaß zu betrachten ſein; hier beſchränken wir uns auf den Ortspatriotismus des Topographen, der die Ruhmesanſprüche ſeiner Stadt verzeichnet. Der Ruhm in der Topogra- phie. Im Mittelalter waren die Städte ſtolz geweſen auf ihre Heiligen und deren Leichen und Reliquien in den Kirchen 3). Damit beginnt auch noch der Panegyriſt von Padua um 1450, Michele Savonarola 4) ſeine Aufzählung; dann aber geht er über auf „berühmte Männer, welche keine Heiligen geweſen ſind, jedoch durch ausgezeichneten Geiſt und hohe Kraft (virtus) verdient haben, den Heiligen ange- ſchloſſen zu werden (adnecti)“ — ganz wie im Alterthum der berühmte Mann an den Heros angrenzt 5). Die weitere Padua und M. Savonarola. 1) Vgl. Keyßler's Neueſte Reiſen, p. 1016. 2) Der ältere war bekanntlich von Verona. 3) So verhält es ſich auch weſentlich noch in der merkwürdigen Schrift: De laudibus Papiæ (bei Murat. X.) aus dem XIV. Jahrh.; viel municipaler Stolz aber noch kein ſpecieller Ruhm. 4) De laudibus Patavii, bei Murat. XXIV, Col. 1151, ff. 5) Nam et veteres nostri tales aut Divos aut æterna memoria

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860/158
Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860, S. 148. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860/158>, abgerufen am 19.04.2024.