ernsten und seine witzigen Worte waren bedeutend genug,2. Abschnitt. um gesammelt zu werden; Proben davon, viele ColumnenL. B. Alberti. lang, werden in der genannten Lebensschilderung mitgetheilt. Und Alles was er hatte und wußte, theilte er, wie wahr- haft reiche Naturen immer thun, ohne den geringsten Rück- halt mit, und schenkte seine größten Erfindungen umsonst weg. Endlich aber wird auch die tiefste Quelle seines Wesens nahmhaft gemacht: ein fast nervös zu nennendes, höchst sympathisches Mitleben an und in allen Dingen. Beim Anblick prächtiger Bäume und Erntefelder mußte er weinen; schöne, würdevolle Greise verehrte er als eine "Wonne der Natur" und konnte sie nicht genug betrachten; auch Thiere von vollkommener Bildung genossen sein Wohl- wollen, weil sie von der Natur besonders begnadigt seien; mehr als einmal, wenn er krank war, hat ihn der Anblick einer schönen Gegend gesund gemacht 1). Kein Wunder wenn die, welche ihn in so räthselhaft innigem Verkehr mit der Außenwelt kennen lernten, ihm auch die Gabe der Vor- ahnung zuschrieben. Eine blutige Crisis des Hauses Este, das Schicksal von Florenz und das der Päpste auf eine Reihe von Jahren hinaus soll er richtig geweissagt haben, wie ihm denn auch der Blick ins Innere des Menschen, die Physiognomik jeden Moment zu Gebote stand. Es versteht sich von selbst, daß eine höchst intensive Willens- kraft diese ganze Persönlichkeit durchdrang und zusammen- hielt; wie die Größten der Renaissance sagte auch er: "Die "Menschen können von sich aus Alles, sobald sie wollen."
Und zu Alberti verhielt sich Lionardo da Vinci, wie
Neuern für wesentlich identisch mit dem Trattato des Pandolfini gehalten wird.
1) In seinem Werke De re aedificatoria, L. VIII, cap. 1 findet sich eine Definition von dem was ein schöner Weg heißen könne: si modo mare, modo montes, modo lacum fluentem fontesve, modo aridam rupem aut planitiem, modo nemus vallemque exhibebit.
ernſten und ſeine witzigen Worte waren bedeutend genug,2. Abſchnitt. um geſammelt zu werden; Proben davon, viele ColumnenL. B. Alberti. lang, werden in der genannten Lebensſchilderung mitgetheilt. Und Alles was er hatte und wußte, theilte er, wie wahr- haft reiche Naturen immer thun, ohne den geringſten Rück- halt mit, und ſchenkte ſeine größten Erfindungen umſonſt weg. Endlich aber wird auch die tiefſte Quelle ſeines Weſens nahmhaft gemacht: ein faſt nervös zu nennendes, höchſt ſympathiſches Mitleben an und in allen Dingen. Beim Anblick prächtiger Bäume und Erntefelder mußte er weinen; ſchöne, würdevolle Greiſe verehrte er als eine „Wonne der Natur“ und konnte ſie nicht genug betrachten; auch Thiere von vollkommener Bildung genoſſen ſein Wohl- wollen, weil ſie von der Natur beſonders begnadigt ſeien; mehr als einmal, wenn er krank war, hat ihn der Anblick einer ſchönen Gegend geſund gemacht 1). Kein Wunder wenn die, welche ihn in ſo räthſelhaft innigem Verkehr mit der Außenwelt kennen lernten, ihm auch die Gabe der Vor- ahnung zuſchrieben. Eine blutige Criſis des Hauſes Eſte, das Schickſal von Florenz und das der Päpſte auf eine Reihe von Jahren hinaus ſoll er richtig geweiſſagt haben, wie ihm denn auch der Blick ins Innere des Menſchen, die Phyſiognomik jeden Moment zu Gebote ſtand. Es verſteht ſich von ſelbſt, daß eine höchſt intenſive Willens- kraft dieſe ganze Perſönlichkeit durchdrang und zuſammen- hielt; wie die Größten der Renaiſſance ſagte auch er: „Die „Menſchen können von ſich aus Alles, ſobald ſie wollen.“
Und zu Alberti verhielt ſich Lionardo da Vinci, wie
Neuern für weſentlich identiſch mit dem Trattato des Pandolfini gehalten wird.
1) In ſeinem Werke De re ædificatoria, L. VIII, cap. 1 findet ſich eine Definition von dem was ein ſchöner Weg heißen könne: si modo mare, modo montes, modo lacum fluentem fontesve, modo aridam rupem aut planitiem, modo nemus vallemque exhibebit.
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ernſten und ſeine witzigen Worte waren bedeutend genug,
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Und Alles was er hatte und wußte, theilte er, wie wahr-
haft reiche Naturen immer thun, ohne den geringſten Rück-
halt mit, und ſchenkte ſeine größten Erfindungen umſonſt
weg. Endlich aber wird auch die tiefſte Quelle ſeines
Weſens nahmhaft gemacht: ein faſt nervös zu nennendes,
höchſt ſympathiſches Mitleben an und in allen Dingen.
Beim Anblick prächtiger Bäume und Erntefelder mußte er
weinen; ſchöne, würdevolle Greiſe verehrte er als eine
„Wonne der Natur“ und konnte ſie nicht genug betrachten;
auch Thiere von vollkommener Bildung genoſſen ſein Wohl-
wollen, weil ſie von der Natur beſonders begnadigt ſeien;
mehr als einmal, wenn er krank war, hat ihn der Anblick
einer ſchönen Gegend geſund gemacht 1). Kein Wunder wenn
die, welche ihn in ſo räthſelhaft innigem Verkehr mit der
Außenwelt kennen lernten, ihm auch die Gabe der Vor-
ahnung zuſchrieben. Eine blutige Criſis des Hauſes Eſte,
das Schickſal von Florenz und das der Päpſte auf eine
Reihe von Jahren hinaus ſoll er richtig geweiſſagt haben,
wie ihm denn auch der Blick ins Innere des Menſchen,
die Phyſiognomik jeden Moment zu Gebote ſtand. Es
verſteht ſich von ſelbſt, daß eine höchſt intenſive Willens-
kraft dieſe ganze Perſönlichkeit durchdrang und zuſammen-
hielt; wie die Größten der Renaiſſance ſagte auch er: „Die
„Menſchen können von ſich aus Alles, ſobald ſie wollen.“
2. Abſchnitt.
L. B. Alberti.
Und zu Alberti verhielt ſich Lionardo da Vinci, wie
2)
1) In ſeinem Werke De re ædificatoria, L. VIII, cap. 1 findet ſich
eine Definition von dem was ein ſchöner Weg heißen könne: si
modo mare, modo montes, modo lacum fluentem fontesve,
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2) Neuern für weſentlich identiſch mit dem Trattato des Pandolfini
gehalten wird.
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Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860, S. 141. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860/151>, abgerufen am 24.11.2024.
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