Was z. B. das subjektive oder das wohlerworbene Recht sei, kann erst erörtert werden, wenn feststeht, daß es einen all- gemeinen Begriff des subjektiven und des wohlerworbenen Rechtes gibt, was nichts anderes heißt, als daß diesem Begriff eine allgemeingültige, in jedem positiven Recht notwendig zu stellende Frage entspricht; eine Frage also, die nicht nur "theoretisch" interessant, sondern praktisch bedeutsam ist, für den nämlich, der eine positive Rechtsordnung machen oder in folgerichtiger Methode anwenden will. Wenn der Jurist nicht mehr weiß, auf welche praktische Frage die Erörterung hinausgeht, hat er den Kompaß verloren.
Hat man aber die allgemeingültige Frage erkannt, auf die der Begriff sich bezieht, so hat man auch alles erkannt, was allgemein- gültig zu erkennen und über diesen Begriff zu sagen ist. Wenn man z. B. erkannt hat, daß der Begriff des subjektiven Rechts der Frage entspricht, ob die Pflicht einer Person einer anderen gegen- über bestehe, die diese Pflicht erlassen kann, oder ob sie ohne Rücksicht auf die Entschließung einer "berechtigten" Privatperson gelten soll, hat man alles gefunden, was allgemeingültig von dem subjektiven Recht ausgesagt werden kann. Welchen Berech- tigungen in jeder positiven Rechtsordnung diese Eigenschaft zu- komme oder welchen sie richtigerweise zukommen solle, kann aus dem Begriff des subjektiven Rechts allein nicht abgeleitet werden, weil aus einem Begriff niemals folgt, wo er im geltenden Recht verwendet worden ist oder wo er de lege ferenda verwendet werden solle. Aus jener begrifflichen Feststellung folgt nur, daß, wenn eine Berechtigung in einer Beziehung als subjektives Recht an- erkannt ist, sie folgerichtigerweise auch in den anderen so behan- delt werden muß; daß z. B. die Geltendmachung eines subjektiven Rechts vor Gericht der Natur dieses Rechts entsprechen muß, in- dem der Verpflichtete zur Leistung nur verurteilt werden kann, wenn der Berechtigte es verlangt, was in den Verfahrensgrund- sätzen der Parteilegitimation, des Parteibetriebes und der Ver- handlungsmaxime zum Ausdruck kommen wird.
Versucht man aber allgemeingültige Schlüsse aus Begriffen zu ziehen, ohne sich gefragt zu haben, auf welche allgemeingültige Frage sie sich beziehen, oder aus allgemeingültigen Begriffen all- gemeingültige Rechtssätze abzuleiten, so verfällt man in leere
Vorwort.
Was z. B. das subjektive oder das wohlerworbene Recht sei, kann erst erörtert werden, wenn feststeht, daß es einen all- gemeinen Begriff des subjektiven und des wohlerworbenen Rechtes gibt, was nichts anderes heißt, als daß diesem Begriff eine allgemeingültige, in jedem positiven Recht notwendig zu stellende Frage entspricht; eine Frage also, die nicht nur „theoretisch“ interessant, sondern praktisch bedeutsam ist, für den nämlich, der eine positive Rechtsordnung machen oder in folgerichtiger Methode anwenden will. Wenn der Jurist nicht mehr weiß, auf welche praktische Frage die Erörterung hinausgeht, hat er den Kompaß verloren.
Hat man aber die allgemeingültige Frage erkannt, auf die der Begriff sich bezieht, so hat man auch alles erkannt, was allgemein- gültig zu erkennen und über diesen Begriff zu sagen ist. Wenn man z. B. erkannt hat, daß der Begriff des subjektiven Rechts der Frage entspricht, ob die Pflicht einer Person einer anderen gegen- über bestehe, die diese Pflicht erlassen kann, oder ob sie ohne Rücksicht auf die Entschließung einer „berechtigten“ Privatperson gelten soll, hat man alles gefunden, was allgemeingültig von dem subjektiven Recht ausgesagt werden kann. Welchen Berech- tigungen in jeder positiven Rechtsordnung diese Eigenschaft zu- komme oder welchen sie richtigerweise zukommen solle, kann aus dem Begriff des subjektiven Rechts allein nicht abgeleitet werden, weil aus einem Begriff niemals folgt, wo er im geltenden Recht verwendet worden ist oder wo er de lege ferenda verwendet werden solle. Aus jener begrifflichen Feststellung folgt nur, daß, wenn eine Berechtigung in einer Beziehung als subjektives Recht an- erkannt ist, sie folgerichtigerweise auch in den anderen so behan- delt werden muß; daß z. B. die Geltendmachung eines subjektiven Rechts vor Gericht der Natur dieses Rechts entsprechen muß, in- dem der Verpflichtete zur Leistung nur verurteilt werden kann, wenn der Berechtigte es verlangt, was in den Verfahrensgrund- sätzen der Parteilegitimation, des Parteibetriebes und der Ver- handlungsmaxime zum Ausdruck kommen wird.
Versucht man aber allgemeingültige Schlüsse aus Begriffen zu ziehen, ohne sich gefragt zu haben, auf welche allgemeingültige Frage sie sich beziehen, oder aus allgemeingültigen Begriffen all- gemeingültige Rechtssätze abzuleiten, so verfällt man in leere
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[IX/0008]
Vorwort.
Was z. B. das subjektive oder das wohlerworbene Recht sei,
kann erst erörtert werden, wenn feststeht, daß es einen all-
gemeinen Begriff des subjektiven und des wohlerworbenen
Rechtes gibt, was nichts anderes heißt, als daß diesem Begriff eine
allgemeingültige, in jedem positiven Recht notwendig zu stellende
Frage entspricht; eine Frage also, die nicht nur „theoretisch“
interessant, sondern praktisch bedeutsam ist, für den nämlich,
der eine positive Rechtsordnung machen oder in folgerichtiger
Methode anwenden will. Wenn der Jurist nicht mehr weiß, auf
welche praktische Frage die Erörterung hinausgeht, hat er den
Kompaß verloren.
Hat man aber die allgemeingültige Frage erkannt, auf die der
Begriff sich bezieht, so hat man auch alles erkannt, was allgemein-
gültig zu erkennen und über diesen Begriff zu sagen ist. Wenn
man z. B. erkannt hat, daß der Begriff des subjektiven Rechts der
Frage entspricht, ob die Pflicht einer Person einer anderen gegen-
über bestehe, die diese Pflicht erlassen kann, oder ob sie ohne
Rücksicht auf die Entschließung einer „berechtigten“ Privatperson
gelten soll, hat man alles gefunden, was allgemeingültig von dem
subjektiven Recht ausgesagt werden kann. Welchen Berech-
tigungen in jeder positiven Rechtsordnung diese Eigenschaft zu-
komme oder welchen sie richtigerweise zukommen solle, kann aus
dem Begriff des subjektiven Rechts allein nicht abgeleitet werden,
weil aus einem Begriff niemals folgt, wo er im geltenden Recht
verwendet worden ist oder wo er de lege ferenda verwendet werden
solle. Aus jener begrifflichen Feststellung folgt nur, daß, wenn
eine Berechtigung in einer Beziehung als subjektives Recht an-
erkannt ist, sie folgerichtigerweise auch in den anderen so behan-
delt werden muß; daß z. B. die Geltendmachung eines subjektiven
Rechts vor Gericht der Natur dieses Rechts entsprechen muß, in-
dem der Verpflichtete zur Leistung nur verurteilt werden kann,
wenn der Berechtigte es verlangt, was in den Verfahrensgrund-
sätzen der Parteilegitimation, des Parteibetriebes und der Ver-
handlungsmaxime zum Ausdruck kommen wird.
Versucht man aber allgemeingültige Schlüsse aus Begriffen zu
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Burckhardt, Walther: Die Organisation der Rechtsgemeinschaft. Basel, 1927, S. IX. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_rechtsgemeinschaft_1927/8>, abgerufen am 27.11.2024.
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