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Burckhardt, Walther: Die Organisation der Rechtsgemeinschaft. Basel, 1927.

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Rechtsgeschäfte des privaten und des öffentlichen Rechts.
Verpflichtungen durch Private gegenüber dem Staat oder um-
gekehrt (wie Unterhaltung eines Werkes oder Beiträge zu einem
Werk), Pauschalabfindungen von Abgaben und Verpachtung
solcher, vereinbarte Mitwirkung von Gemeinwesen bei Unter-
nehmungen im öffentlichen Nutzen u. a. m. Ein Vertrag liegt,
nach der Ansicht vieler, namentlich dann vor, wenn zwei gleich-
geordnete Gemeinwesen, z. B. zwei Gemeinden, sich über einen
ihrem Ermessen anheimgestellten Gegenstand verständigen, wie
die Unterhaltung einer gemeinsamen Anstalt oder die Teilung
gemeinsamer Waldungen. Solche Vereinbarungen erinnern in der
Tat an die völkerrechtlichen Verträge zweier Staatswesen oder an
die Verträge zweier Gliedstaaten eines Bundesstaates, die man
gewöhnlich den völkerrechtlichen Verträgen gleichstellt. Allein,
im Rahmen des staatlichen Verbandes ist bei gleichgeordneten
Gemeinwesen unter sich ebensowenig wie bei einem übergeord-
neten im Verhältnis zu Privatpersonen anzunehmen, daß sie nach
subjektivem Ermessen die Verständigung treffen können, so oder
anders, wie es ihnen beliebt, oder auch gar nicht; es ist eine Er-
messenssache, aber, wie alle Ermessenssachen, ist sie in ihr pflicht-
mäßiges Ermessen gelegt (s. oben S. 44). Sei nun der "Vertrag"
vom Gesetz für gewisse Fälle vorgeschrieben1, für die Vermögens-
auseinandersetzungen zwischen Einwohner- und Bürgergemeinde,
oder bloß vorgesehen, oder auch das nicht, so ist doch grund-
sätzlich die Rechtslage immer dieselbe. Wenn Gemeinden solche
Vereinbarungen treffen können, muß dies zulässig sein nach dem
objektiven geschriebenen oder ungeschriebenen Recht, und wenn
es ein vom geltenden Recht vorgesehenes Geschäft ist, so muß
es wohl auch nach Grundsätzen und nicht nach Willkür vorge-
nommen werden, auch wenn das Gesetz selbst diese Grundsätze
nicht an die Hand gibt. Eben deshalb kann das Gesetz auch damit
rechnen, daß diese Verständigung zweier gleichgeordneten Behörden
stattfinden wird, nicht weil sie zufällig übereinstimmende subjektive
Interessen und Ansichten haben, sondern weil sie demselben
sachlichen Ziel zustreben. Was sie zu diesem Behufe vornehmen,
ist eine Amtshandlung, die, wie jede Amtshandlung, als rechtlich

1 Wie nach dem bernischen Gemeindegesetz vom 6. Dezember 1852,
§ 43; vgl. Blumenstein in Mschr Bern VerwR 7 (1909) 574 (betr. Ge-
währleistungspflicht); ebd. 8 428; 14 517 (betr. Wirkung von Irrtümern).

Rechtsgeschäfte des privaten und des öffentlichen Rechts.
Verpflichtungen durch Private gegenüber dem Staat oder um-
gekehrt (wie Unterhaltung eines Werkes oder Beiträge zu einem
Werk), Pauschalabfindungen von Abgaben und Verpachtung
solcher, vereinbarte Mitwirkung von Gemeinwesen bei Unter-
nehmungen im öffentlichen Nutzen u. a. m. Ein Vertrag liegt,
nach der Ansicht vieler, namentlich dann vor, wenn zwei gleich-
geordnete Gemeinwesen, z. B. zwei Gemeinden, sich über einen
ihrem Ermessen anheimgestellten Gegenstand verständigen, wie
die Unterhaltung einer gemeinsamen Anstalt oder die Teilung
gemeinsamer Waldungen. Solche Vereinbarungen erinnern in der
Tat an die völkerrechtlichen Verträge zweier Staatswesen oder an
die Verträge zweier Gliedstaaten eines Bundesstaates, die man
gewöhnlich den völkerrechtlichen Verträgen gleichstellt. Allein,
im Rahmen des staatlichen Verbandes ist bei gleichgeordneten
Gemeinwesen unter sich ebensowenig wie bei einem übergeord-
neten im Verhältnis zu Privatpersonen anzunehmen, daß sie nach
subjektivem Ermessen die Verständigung treffen können, so oder
anders, wie es ihnen beliebt, oder auch gar nicht; es ist eine Er-
messenssache, aber, wie alle Ermessenssachen, ist sie in ihr pflicht-
mäßiges Ermessen gelegt (s. oben S. 44). Sei nun der „Vertrag“
vom Gesetz für gewisse Fälle vorgeschrieben1, für die Vermögens-
auseinandersetzungen zwischen Einwohner- und Bürgergemeinde,
oder bloß vorgesehen, oder auch das nicht, so ist doch grund-
sätzlich die Rechtslage immer dieselbe. Wenn Gemeinden solche
Vereinbarungen treffen können, muß dies zulässig sein nach dem
objektiven geschriebenen oder ungeschriebenen Recht, und wenn
es ein vom geltenden Recht vorgesehenes Geschäft ist, so muß
es wohl auch nach Grundsätzen und nicht nach Willkür vorge-
nommen werden, auch wenn das Gesetz selbst diese Grundsätze
nicht an die Hand gibt. Eben deshalb kann das Gesetz auch damit
rechnen, daß diese Verständigung zweier gleichgeordneten Behörden
stattfinden wird, nicht weil sie zufällig übereinstimmende subjektive
Interessen und Ansichten haben, sondern weil sie demselben
sachlichen Ziel zustreben. Was sie zu diesem Behufe vornehmen,
ist eine Amtshandlung, die, wie jede Amtshandlung, als rechtlich

1 Wie nach dem bernischen Gemeindegesetz vom 6. Dezember 1852,
§ 43; vgl. Blumenstein in Mschr Bern VerwR 7 (1909) 574 (betr. Ge-
währleistungspflicht); ebd. 8 428; 14 517 (betr. Wirkung von Irrtümern).
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[55/0070] Rechtsgeschäfte des privaten und des öffentlichen Rechts. Verpflichtungen durch Private gegenüber dem Staat oder um- gekehrt (wie Unterhaltung eines Werkes oder Beiträge zu einem Werk), Pauschalabfindungen von Abgaben und Verpachtung solcher, vereinbarte Mitwirkung von Gemeinwesen bei Unter- nehmungen im öffentlichen Nutzen u. a. m. Ein Vertrag liegt, nach der Ansicht vieler, namentlich dann vor, wenn zwei gleich- geordnete Gemeinwesen, z. B. zwei Gemeinden, sich über einen ihrem Ermessen anheimgestellten Gegenstand verständigen, wie die Unterhaltung einer gemeinsamen Anstalt oder die Teilung gemeinsamer Waldungen. Solche Vereinbarungen erinnern in der Tat an die völkerrechtlichen Verträge zweier Staatswesen oder an die Verträge zweier Gliedstaaten eines Bundesstaates, die man gewöhnlich den völkerrechtlichen Verträgen gleichstellt. Allein, im Rahmen des staatlichen Verbandes ist bei gleichgeordneten Gemeinwesen unter sich ebensowenig wie bei einem übergeord- neten im Verhältnis zu Privatpersonen anzunehmen, daß sie nach subjektivem Ermessen die Verständigung treffen können, so oder anders, wie es ihnen beliebt, oder auch gar nicht; es ist eine Er- messenssache, aber, wie alle Ermessenssachen, ist sie in ihr pflicht- mäßiges Ermessen gelegt (s. oben S. 44). Sei nun der „Vertrag“ vom Gesetz für gewisse Fälle vorgeschrieben 1, für die Vermögens- auseinandersetzungen zwischen Einwohner- und Bürgergemeinde, oder bloß vorgesehen, oder auch das nicht, so ist doch grund- sätzlich die Rechtslage immer dieselbe. Wenn Gemeinden solche Vereinbarungen treffen können, muß dies zulässig sein nach dem objektiven geschriebenen oder ungeschriebenen Recht, und wenn es ein vom geltenden Recht vorgesehenes Geschäft ist, so muß es wohl auch nach Grundsätzen und nicht nach Willkür vorge- nommen werden, auch wenn das Gesetz selbst diese Grundsätze nicht an die Hand gibt. Eben deshalb kann das Gesetz auch damit rechnen, daß diese Verständigung zweier gleichgeordneten Behörden stattfinden wird, nicht weil sie zufällig übereinstimmende subjektive Interessen und Ansichten haben, sondern weil sie demselben sachlichen Ziel zustreben. Was sie zu diesem Behufe vornehmen, ist eine Amtshandlung, die, wie jede Amtshandlung, als rechtlich 1 Wie nach dem bernischen Gemeindegesetz vom 6. Dezember 1852, § 43; vgl. Blumenstein in Mschr Bern VerwR 7 (1909) 574 (betr. Ge- währleistungspflicht); ebd. 8 428; 14 517 (betr. Wirkung von Irrtümern).

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Zitationshilfe: Burckhardt, Walther: Die Organisation der Rechtsgemeinschaft. Basel, 1927, S. 55. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_rechtsgemeinschaft_1927/70>, abgerufen am 04.05.2024.