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Burckhardt, Walther: Die Organisation der Rechtsgemeinschaft. Basel, 1927.

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I. Teil. Das Privatrecht und das öffentliche Recht.
vertrag nicht als ein verbindliches Rechtsgeschäft anerkennen,
wenn es nicht die Möglichkeit der Eigentumsübertragung an-
erkennt; denn der Kaufvertrag geht ja auf die Übertragung des
Eigentums. Aber die Gültigkeit des Kaufvertrages und die des
Eigentumsüberganges sind doch verschiedene Dinge und sie müssen
folgerichtigerweise (sie sind es nicht überall positivrechtlich) durch
besondere Normen geordnet sein; durch den Vertrag verpflichtet
sich der A dem B gegenüber, diesem, dem Käufer, das Eigentum
an der Sache zu verschaffen; ein Rechtsverhältnis unter diesen
beiden Personen. Verschafft aber der A dem B das Eigentum, so
muß das jedermann verpflichten, insofern als jedermann in Zu-
kunft den B als den verfügungsberechtigten Eigentümer anerkennen
muß; als denjenigen, der sich gegen Eingriffe Dritter wehren und
der sein Recht weiter übertragen kann. Das ist ein Rechtsver-
hältnis des Eigentümers zu Dritten, d. h. zu allen denjenigen, die
am Kaufvertrag nicht beteiligt waren. Und wen diese Dritten,
d. h. jedermann, als Eigentümer anzusehen haben, das muß durch
gesetzliche Normen, es kann nicht durch das jeweilige Rechts-
geschäft bestimmt werden. Denn nach diesen, vor dem jeweiligen
Rechtsgeschäft gegebenen Normen muß sich ja bestimmen, was
derjenige vorzukehren hat, der sich verpflichtet, einem anderen
das Eigentum an einer Sache zu verschaffen. Auch wo das positive
Gesetz den Eigentumsübergang durch den Vertragsschluß selbst
eintreten läßt, wie das französische Recht für den Mobiliarkauf,
ist es doch nicht die Wirkung des Vertrages als solchen, sondern
der gesetzlichen Norm, daß jeder Dritte den Käufer B als nun-
mehrigen Eigentümer zu betrachten hat1. Wie also durch Rechts-

1 Oder, wenn man will: Das Gesetz knüpft dann an den Abschluß
eines Vertrages noch eine andere Wirkung, als die eigentlich rechtsgeschäft-
liche, obligationenrechtliche, die dingliche: Wenn das positive Recht diese
Wirkung nicht schon mit dem Vertrag eintreten läßt, sondern erst mit einem
andern Rechtsakt, z. B. die Eintragung ins Grundbuch oder durch die Über-
tragung des Besitzes, treten diese beiden Wirkungen deutlich auseinander;
und wenn zu diesem Rechtsakt wiederum die Anmeldung oder die Auf-
lassung des bisherigen Eigentümers notwendig ist, so mag man diese Vor-
aussetzung dingliches Rechtsgeschäft oder dinglichen Vertrag nennen, aber
die rechtsgeschäftliche, obligationenrechtliche Wirkung eines Vertrages hat
sie nicht; sie ist die Voraussetzung eines Rechtsaktes mit dinglicher Wir-
kung. Vgl. für das schweizerische Recht Guhl a. a. O. 101 ff.

I. Teil. Das Privatrecht und das öffentliche Recht.
vertrag nicht als ein verbindliches Rechtsgeschäft anerkennen,
wenn es nicht die Möglichkeit der Eigentumsübertragung an-
erkennt; denn der Kaufvertrag geht ja auf die Übertragung des
Eigentums. Aber die Gültigkeit des Kaufvertrages und die des
Eigentumsüberganges sind doch verschiedene Dinge und sie müssen
folgerichtigerweise (sie sind es nicht überall positivrechtlich) durch
besondere Normen geordnet sein; durch den Vertrag verpflichtet
sich der A dem B gegenüber, diesem, dem Käufer, das Eigentum
an der Sache zu verschaffen; ein Rechtsverhältnis unter diesen
beiden Personen. Verschafft aber der A dem B das Eigentum, so
muß das jedermann verpflichten, insofern als jedermann in Zu-
kunft den B als den verfügungsberechtigten Eigentümer anerkennen
muß; als denjenigen, der sich gegen Eingriffe Dritter wehren und
der sein Recht weiter übertragen kann. Das ist ein Rechtsver-
hältnis des Eigentümers zu Dritten, d. h. zu allen denjenigen, die
am Kaufvertrag nicht beteiligt waren. Und wen diese Dritten,
d. h. jedermann, als Eigentümer anzusehen haben, das muß durch
gesetzliche Normen, es kann nicht durch das jeweilige Rechts-
geschäft bestimmt werden. Denn nach diesen, vor dem jeweiligen
Rechtsgeschäft gegebenen Normen muß sich ja bestimmen, was
derjenige vorzukehren hat, der sich verpflichtet, einem anderen
das Eigentum an einer Sache zu verschaffen. Auch wo das positive
Gesetz den Eigentumsübergang durch den Vertragsschluß selbst
eintreten läßt, wie das französische Recht für den Mobiliarkauf,
ist es doch nicht die Wirkung des Vertrages als solchen, sondern
der gesetzlichen Norm, daß jeder Dritte den Käufer B als nun-
mehrigen Eigentümer zu betrachten hat1. Wie also durch Rechts-

1 Oder, wenn man will: Das Gesetz knüpft dann an den Abschluß
eines Vertrages noch eine andere Wirkung, als die eigentlich rechtsgeschäft-
liche, obligationenrechtliche, die dingliche: Wenn das positive Recht diese
Wirkung nicht schon mit dem Vertrag eintreten läßt, sondern erst mit einem
andern Rechtsakt, z. B. die Eintragung ins Grundbuch oder durch die Über-
tragung des Besitzes, treten diese beiden Wirkungen deutlich auseinander;
und wenn zu diesem Rechtsakt wiederum die Anmeldung oder die Auf-
lassung des bisherigen Eigentümers notwendig ist, so mag man diese Vor-
aussetzung dingliches Rechtsgeschäft oder dinglichen Vertrag nennen, aber
die rechtsgeschäftliche, obligationenrechtliche Wirkung eines Vertrages hat
sie nicht; sie ist die Voraussetzung eines Rechtsaktes mit dinglicher Wir-
kung. Vgl. für das schweizerische Recht Guhl a. a. O. 101 ff.
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[36/0051] I. Teil. Das Privatrecht und das öffentliche Recht. vertrag nicht als ein verbindliches Rechtsgeschäft anerkennen, wenn es nicht die Möglichkeit der Eigentumsübertragung an- erkennt; denn der Kaufvertrag geht ja auf die Übertragung des Eigentums. Aber die Gültigkeit des Kaufvertrages und die des Eigentumsüberganges sind doch verschiedene Dinge und sie müssen folgerichtigerweise (sie sind es nicht überall positivrechtlich) durch besondere Normen geordnet sein; durch den Vertrag verpflichtet sich der A dem B gegenüber, diesem, dem Käufer, das Eigentum an der Sache zu verschaffen; ein Rechtsverhältnis unter diesen beiden Personen. Verschafft aber der A dem B das Eigentum, so muß das jedermann verpflichten, insofern als jedermann in Zu- kunft den B als den verfügungsberechtigten Eigentümer anerkennen muß; als denjenigen, der sich gegen Eingriffe Dritter wehren und der sein Recht weiter übertragen kann. Das ist ein Rechtsver- hältnis des Eigentümers zu Dritten, d. h. zu allen denjenigen, die am Kaufvertrag nicht beteiligt waren. Und wen diese Dritten, d. h. jedermann, als Eigentümer anzusehen haben, das muß durch gesetzliche Normen, es kann nicht durch das jeweilige Rechts- geschäft bestimmt werden. Denn nach diesen, vor dem jeweiligen Rechtsgeschäft gegebenen Normen muß sich ja bestimmen, was derjenige vorzukehren hat, der sich verpflichtet, einem anderen das Eigentum an einer Sache zu verschaffen. Auch wo das positive Gesetz den Eigentumsübergang durch den Vertragsschluß selbst eintreten läßt, wie das französische Recht für den Mobiliarkauf, ist es doch nicht die Wirkung des Vertrages als solchen, sondern der gesetzlichen Norm, daß jeder Dritte den Käufer B als nun- mehrigen Eigentümer zu betrachten hat 1. Wie also durch Rechts- 1 Oder, wenn man will: Das Gesetz knüpft dann an den Abschluß eines Vertrages noch eine andere Wirkung, als die eigentlich rechtsgeschäft- liche, obligationenrechtliche, die dingliche: Wenn das positive Recht diese Wirkung nicht schon mit dem Vertrag eintreten läßt, sondern erst mit einem andern Rechtsakt, z. B. die Eintragung ins Grundbuch oder durch die Über- tragung des Besitzes, treten diese beiden Wirkungen deutlich auseinander; und wenn zu diesem Rechtsakt wiederum die Anmeldung oder die Auf- lassung des bisherigen Eigentümers notwendig ist, so mag man diese Vor- aussetzung dingliches Rechtsgeschäft oder dinglichen Vertrag nennen, aber die rechtsgeschäftliche, obligationenrechtliche Wirkung eines Vertrages hat sie nicht; sie ist die Voraussetzung eines Rechtsaktes mit dinglicher Wir- kung. Vgl. für das schweizerische Recht Guhl a. a. O. 101 ff.

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Zitationshilfe: Burckhardt, Walther: Die Organisation der Rechtsgemeinschaft. Basel, 1927, S. 36. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_rechtsgemeinschaft_1927/51>, abgerufen am 04.05.2024.