1. Teil. Das Privatrecht und das öffentliche Recht.
öffentliche Recht entscheiden; er kann nur diejenige Verwendung gestatten oder versprechen, die überhaupt zulässig ist und hier, wie überall, bestimmt das öffentliche Recht die Grenzen rechts- geschäftlicher Verfügung.
Allerdings kann der Eigentümer vom Inhalt seines Rechtes rechtsgeschäftlich einem anderen mehr oder weniger einräumen, und was ihm verbleibt, bestimmt sich nach diesen seinen Ver- fügungen; aber er kann nur über diejenigen Befugnisse verfügen, die ihm durch das öffentliche Recht zugemessen worden sind; der Inhalt der an der Sache möglichen Rechte bleibt trotz aller Verfügungen derselbe; er verteilt sich nur anders als vorher.
In einer Beziehung scheint allerdings das Privatrecht den Inhalt des Eigentumsrechtes zu bestimmen: im Verhältnis mehrerer Eigentümer zueinander, wie es namentlich für das Grundeigentum im Nachbarrecht hervortritt. Die Befugnisse, die ein Grund- eigentümer im Verhältnis zu anderen hat, sind in der Tat privatrechtliche: sie können durch Rechtsgeschäft verändert werden. Aber sie können sich nur im Rahmen des öffentlichen Rechts bewegen und sie setzen voraus, daß der Inhalt des Eigen- tums bereits durch das öffentliche Recht umschrieben worden sei. Nur in bezug auf die vom öffentlichen Recht zugelassenen Verwendungsarten ist die nachbarrechtliche Ordnung notwendig und möglich. Das Privatrecht braucht z. B. die gegenseitigen Beziehungen der Grundeigentümer bezüglich der Bodenschätze nicht zu ordnen, wo die Bodenschätze kraft öffentlichen Rechts der Verfügung des Eigentümers überhaupt entzogen sind (das öffentliche Recht wird dann die nötige Ordnung aufstellen); die nachbarrechtlichen Baubeschränkungen treten da außer Wirk- samkeit, wo, vermöge öffentlich-rechtlichen Verbotes, überhaupt nicht gebaut werden darf. Privatrechtliche Vorschriften sind aber allerdings notwendig, wo die vom öffentlich Recht zugelassene Verwendung der Sache zu einem Widerspruch der Interessen unter den mehreren Eigentümern führen kann; wie eben im Baurecht. Und was das Gesetz hierüber vorschreibt, ist, eben weil es nicht der Verfügung des Eigentümers entzogen ist, sondern zum erlaubten Inhalt des Eigentümers gehört, privates, nachgiebiges Recht1.
1 Man kann das mit Duguit, Manuel de droit constitutionnel francais, 2. A., I 266, und Revue du droit public 39 (1922) 357, 369, 376, "une si-
1. Teil. Das Privatrecht und das öffentliche Recht.
öffentliche Recht entscheiden; er kann nur diejenige Verwendung gestatten oder versprechen, die überhaupt zulässig ist und hier, wie überall, bestimmt das öffentliche Recht die Grenzen rechts- geschäftlicher Verfügung.
Allerdings kann der Eigentümer vom Inhalt seines Rechtes rechtsgeschäftlich einem anderen mehr oder weniger einräumen, und was ihm verbleibt, bestimmt sich nach diesen seinen Ver- fügungen; aber er kann nur über diejenigen Befugnisse verfügen, die ihm durch das öffentliche Recht zugemessen worden sind; der Inhalt der an der Sache möglichen Rechte bleibt trotz aller Verfügungen derselbe; er verteilt sich nur anders als vorher.
In einer Beziehung scheint allerdings das Privatrecht den Inhalt des Eigentumsrechtes zu bestimmen: im Verhältnis mehrerer Eigentümer zueinander, wie es namentlich für das Grundeigentum im Nachbarrecht hervortritt. Die Befugnisse, die ein Grund- eigentümer im Verhältnis zu anderen hat, sind in der Tat privatrechtliche: sie können durch Rechtsgeschäft verändert werden. Aber sie können sich nur im Rahmen des öffentlichen Rechts bewegen und sie setzen voraus, daß der Inhalt des Eigen- tums bereits durch das öffentliche Recht umschrieben worden sei. Nur in bezug auf die vom öffentlichen Recht zugelassenen Verwendungsarten ist die nachbarrechtliche Ordnung notwendig und möglich. Das Privatrecht braucht z. B. die gegenseitigen Beziehungen der Grundeigentümer bezüglich der Bodenschätze nicht zu ordnen, wo die Bodenschätze kraft öffentlichen Rechts der Verfügung des Eigentümers überhaupt entzogen sind (das öffentliche Recht wird dann die nötige Ordnung aufstellen); die nachbarrechtlichen Baubeschränkungen treten da außer Wirk- samkeit, wo, vermöge öffentlich-rechtlichen Verbotes, überhaupt nicht gebaut werden darf. Privatrechtliche Vorschriften sind aber allerdings notwendig, wo die vom öffentlich Recht zugelassene Verwendung der Sache zu einem Widerspruch der Interessen unter den mehreren Eigentümern führen kann; wie eben im Baurecht. Und was das Gesetz hierüber vorschreibt, ist, eben weil es nicht der Verfügung des Eigentümers entzogen ist, sondern zum erlaubten Inhalt des Eigentümers gehört, privates, nachgiebiges Recht1.
1 Man kann das mit Duguit, Manuel de droit constitutionnel français, 2. A., I 266, und Revue du droit public 39 (1922) 357, 369, 376, „une si-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0049"n="34"/><fwplace="top"type="header">1. Teil. Das Privatrecht und das öffentliche Recht.</fw><lb/>
öffentliche Recht entscheiden; er kann nur diejenige Verwendung<lb/>
gestatten oder versprechen, die überhaupt zulässig ist und hier,<lb/>
wie überall, bestimmt das öffentliche Recht die Grenzen rechts-<lb/>
geschäftlicher Verfügung.</p><lb/><p>Allerdings kann der Eigentümer vom Inhalt seines Rechtes<lb/>
rechtsgeschäftlich einem anderen mehr oder weniger einräumen,<lb/>
und was ihm verbleibt, bestimmt sich nach diesen seinen Ver-<lb/>
fügungen; aber er kann nur über diejenigen Befugnisse verfügen,<lb/>
die ihm durch das öffentliche Recht zugemessen worden sind;<lb/>
der Inhalt der an der Sache möglichen Rechte bleibt trotz aller<lb/>
Verfügungen derselbe; er verteilt sich nur anders als vorher.</p><lb/><p>In einer Beziehung scheint allerdings das Privatrecht den<lb/>
Inhalt des Eigentumsrechtes zu bestimmen: im Verhältnis mehrerer<lb/>
Eigentümer zueinander, wie es namentlich für das Grundeigentum<lb/>
im Nachbarrecht hervortritt. Die Befugnisse, die ein Grund-<lb/>
eigentümer <hirendition="#g">im Verhältnis zu anderen</hi> hat, sind in der Tat<lb/>
privatrechtliche: sie können durch Rechtsgeschäft verändert<lb/>
werden. Aber sie können sich nur im Rahmen des öffentlichen<lb/>
Rechts bewegen und sie setzen voraus, daß der Inhalt des Eigen-<lb/>
tums bereits durch das öffentliche Recht umschrieben worden<lb/>
sei. Nur in bezug auf die vom öffentlichen Recht zugelassenen<lb/>
Verwendungsarten ist die nachbarrechtliche Ordnung notwendig<lb/>
und möglich. Das Privatrecht braucht z. B. die gegenseitigen<lb/>
Beziehungen der Grundeigentümer bezüglich der Bodenschätze<lb/>
nicht zu ordnen, wo die Bodenschätze kraft öffentlichen Rechts<lb/>
der Verfügung des Eigentümers überhaupt entzogen sind (das<lb/>
öffentliche Recht wird dann die nötige Ordnung aufstellen); die<lb/>
nachbarrechtlichen Baubeschränkungen treten da außer Wirk-<lb/>
samkeit, wo, vermöge öffentlich-rechtlichen Verbotes, überhaupt<lb/>
nicht gebaut werden darf. Privatrechtliche Vorschriften sind aber<lb/>
allerdings notwendig, wo die vom öffentlich Recht zugelassene<lb/>
Verwendung der Sache zu einem Widerspruch der Interessen unter<lb/>
den mehreren Eigentümern führen kann; wie eben im Baurecht.<lb/>
Und was das Gesetz hierüber vorschreibt, ist, eben weil es nicht<lb/>
der Verfügung des Eigentümers entzogen ist, sondern zum erlaubten<lb/>
Inhalt des Eigentümers gehört, privates, nachgiebiges Recht<notexml:id="seg2pn_7_1"next="#seg2pn_7_2"place="foot"n="1">Man kann das mit <hirendition="#g">Duguit,</hi> Manuel de droit constitutionnel français,<lb/>
2. A., I 266, und Revue du droit public <hirendition="#b">39</hi> (1922) 357, 369, 376, „une si-</note>.</p><lb/></div></div></div></body></text></TEI>
[34/0049]
1. Teil. Das Privatrecht und das öffentliche Recht.
öffentliche Recht entscheiden; er kann nur diejenige Verwendung
gestatten oder versprechen, die überhaupt zulässig ist und hier,
wie überall, bestimmt das öffentliche Recht die Grenzen rechts-
geschäftlicher Verfügung.
Allerdings kann der Eigentümer vom Inhalt seines Rechtes
rechtsgeschäftlich einem anderen mehr oder weniger einräumen,
und was ihm verbleibt, bestimmt sich nach diesen seinen Ver-
fügungen; aber er kann nur über diejenigen Befugnisse verfügen,
die ihm durch das öffentliche Recht zugemessen worden sind;
der Inhalt der an der Sache möglichen Rechte bleibt trotz aller
Verfügungen derselbe; er verteilt sich nur anders als vorher.
In einer Beziehung scheint allerdings das Privatrecht den
Inhalt des Eigentumsrechtes zu bestimmen: im Verhältnis mehrerer
Eigentümer zueinander, wie es namentlich für das Grundeigentum
im Nachbarrecht hervortritt. Die Befugnisse, die ein Grund-
eigentümer im Verhältnis zu anderen hat, sind in der Tat
privatrechtliche: sie können durch Rechtsgeschäft verändert
werden. Aber sie können sich nur im Rahmen des öffentlichen
Rechts bewegen und sie setzen voraus, daß der Inhalt des Eigen-
tums bereits durch das öffentliche Recht umschrieben worden
sei. Nur in bezug auf die vom öffentlichen Recht zugelassenen
Verwendungsarten ist die nachbarrechtliche Ordnung notwendig
und möglich. Das Privatrecht braucht z. B. die gegenseitigen
Beziehungen der Grundeigentümer bezüglich der Bodenschätze
nicht zu ordnen, wo die Bodenschätze kraft öffentlichen Rechts
der Verfügung des Eigentümers überhaupt entzogen sind (das
öffentliche Recht wird dann die nötige Ordnung aufstellen); die
nachbarrechtlichen Baubeschränkungen treten da außer Wirk-
samkeit, wo, vermöge öffentlich-rechtlichen Verbotes, überhaupt
nicht gebaut werden darf. Privatrechtliche Vorschriften sind aber
allerdings notwendig, wo die vom öffentlich Recht zugelassene
Verwendung der Sache zu einem Widerspruch der Interessen unter
den mehreren Eigentümern führen kann; wie eben im Baurecht.
Und was das Gesetz hierüber vorschreibt, ist, eben weil es nicht
der Verfügung des Eigentümers entzogen ist, sondern zum erlaubten
Inhalt des Eigentümers gehört, privates, nachgiebiges Recht 1.
1 Man kann das mit Duguit, Manuel de droit constitutionnel français,
2. A., I 266, und Revue du droit public 39 (1922) 357, 369, 376, „une si-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Burckhardt, Walther: Die Organisation der Rechtsgemeinschaft. Basel, 1927, S. 34. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_rechtsgemeinschaft_1927/49>, abgerufen am 27.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.