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Burckhardt, Walther: Die Organisation der Rechtsgemeinschaft. Basel, 1927.

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Die völkerrechtliche Haftung der Staaten.
Rechtssätze gewonnen werden, sondern nur andere Begriffe1.
Diese Rechtssätze, d. h. die Pflichten des Staates und damit seine
Verantwortlichkeit, können zu einer Zeit so, zu anderen Zeiten
anders sein, z. B. zu Zeiten des absolutistischen Regimentes mit
gebundener Presse anders als zu Zeiten demokratischer Regierungs-
weise mit Preßfreiheit. Das eine kann unter Kulturstaaten geboten
sein und unter unentwickelten Staaten undurchführbar. Sachliche
Entscheidungen können eben nicht allgemeingültig getroffen
werden, sondern nur theoretische Begriffsbestimmungen, weil und
soweit sie mit dem Begriffe des Rechtes schon gegeben sind; der
Jurist muß nur darauf bedacht sein, nichts anderes als allgemein-
gültig hinzustellen, als was im Begriff des Rechtes wirklich ent-
halten ist. Sachlich ist allgemeingültig nur die Forderung gerechter
Regelung, nicht irgend eine fertige Regel2. Um die gerechte Regel
zu finden muß man immer auch geschichtliche Gegebenheiten in
die Rechnung stellen.

Als eines der sachlichen Momente wird zu berücksichtigen sein,
wie nahe die objektive rechtswidrige Handlung mit der Gesamt-
heit
des Volkes verbunden ist. Was die Behörden, die anerkannten
und verantwortlichen Vertreter der Rechtsordnung, tun, wird
schwerer wiegen, als was Private tun, weil sie als die Vertreter der
Gesamtheit in der Handhabung der Rechtsordnung, die sie sich
gegeben, erscheinen; was die für die auswärtige Vertretung zu-
ständige Behörde sagt, wird schwerer in die Wagschale fallen, als
was eine Behörde der inneren Verwaltung vorbringt. Aber keines-
wegs kann a priori, begriffsnotwendig, entschieden werden, das
Verhalten der Privaten sei schlechthin, weil privat, völkerrechtlich
unerheblich. Der Staat kann auch dafür haften, wenn sich das
als vernünftig und gerecht erweist. Dagegen wird auch hier ver-
schieden gewertet werden können z. B. der gelegentliche Übergriff
vereinzelter Individuen und die planmäßige Unternehmung großer

1 Vgl. W. Burckhardt, Der Vertrag 19; oben S. 22. Gerade dazu,
die Rechtslehre von solchen unfruchtbaren begrifflichen Erörterungen zu
säubern, wo nur sachliche Erwägungen zum Ziele führen, soll die richtige
Methode dienen; dazu wurden auch die obigen Erörterungen angestellt,
nicht um etwas darüber beizubringen, wann der (!) Staat hafte und für
welche Vorgänge er verantwortlich sei. Darüber soll gar nichts gesagt sein.
2 Vgl. oben S. 242.

Die völkerrechtliche Haftung der Staaten.
Rechtssätze gewonnen werden, sondern nur andere Begriffe1.
Diese Rechtssätze, d. h. die Pflichten des Staates und damit seine
Verantwortlichkeit, können zu einer Zeit so, zu anderen Zeiten
anders sein, z. B. zu Zeiten des absolutistischen Regimentes mit
gebundener Presse anders als zu Zeiten demokratischer Regierungs-
weise mit Preßfreiheit. Das eine kann unter Kulturstaaten geboten
sein und unter unentwickelten Staaten undurchführbar. Sachliche
Entscheidungen können eben nicht allgemeingültig getroffen
werden, sondern nur theoretische Begriffsbestimmungen, weil und
soweit sie mit dem Begriffe des Rechtes schon gegeben sind; der
Jurist muß nur darauf bedacht sein, nichts anderes als allgemein-
gültig hinzustellen, als was im Begriff des Rechtes wirklich ent-
halten ist. Sachlich ist allgemeingültig nur die Forderung gerechter
Regelung, nicht irgend eine fertige Regel2. Um die gerechte Regel
zu finden muß man immer auch geschichtliche Gegebenheiten in
die Rechnung stellen.

Als eines der sachlichen Momente wird zu berücksichtigen sein,
wie nahe die objektive rechtswidrige Handlung mit der Gesamt-
heit
des Volkes verbunden ist. Was die Behörden, die anerkannten
und verantwortlichen Vertreter der Rechtsordnung, tun, wird
schwerer wiegen, als was Private tun, weil sie als die Vertreter der
Gesamtheit in der Handhabung der Rechtsordnung, die sie sich
gegeben, erscheinen; was die für die auswärtige Vertretung zu-
ständige Behörde sagt, wird schwerer in die Wagschale fallen, als
was eine Behörde der inneren Verwaltung vorbringt. Aber keines-
wegs kann a priori, begriffsnotwendig, entschieden werden, das
Verhalten der Privaten sei schlechthin, weil privat, völkerrechtlich
unerheblich. Der Staat kann auch dafür haften, wenn sich das
als vernünftig und gerecht erweist. Dagegen wird auch hier ver-
schieden gewertet werden können z. B. der gelegentliche Übergriff
vereinzelter Individuen und die planmäßige Unternehmung großer

1 Vgl. W. Burckhardt, Der Vertrag 19; oben S. 22. Gerade dazu,
die Rechtslehre von solchen unfruchtbaren begrifflichen Erörterungen zu
säubern, wo nur sachliche Erwägungen zum Ziele führen, soll die richtige
Methode dienen; dazu wurden auch die obigen Erörterungen angestellt,
nicht um etwas darüber beizubringen, wann der (!) Staat hafte und für
welche Vorgänge er verantwortlich sei. Darüber soll gar nichts gesagt sein.
2 Vgl. oben S. 242.
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[443/0458] Die völkerrechtliche Haftung der Staaten. Rechtssätze gewonnen werden, sondern nur andere Begriffe 1. Diese Rechtssätze, d. h. die Pflichten des Staates und damit seine Verantwortlichkeit, können zu einer Zeit so, zu anderen Zeiten anders sein, z. B. zu Zeiten des absolutistischen Regimentes mit gebundener Presse anders als zu Zeiten demokratischer Regierungs- weise mit Preßfreiheit. Das eine kann unter Kulturstaaten geboten sein und unter unentwickelten Staaten undurchführbar. Sachliche Entscheidungen können eben nicht allgemeingültig getroffen werden, sondern nur theoretische Begriffsbestimmungen, weil und soweit sie mit dem Begriffe des Rechtes schon gegeben sind; der Jurist muß nur darauf bedacht sein, nichts anderes als allgemein- gültig hinzustellen, als was im Begriff des Rechtes wirklich ent- halten ist. Sachlich ist allgemeingültig nur die Forderung gerechter Regelung, nicht irgend eine fertige Regel 2. Um die gerechte Regel zu finden muß man immer auch geschichtliche Gegebenheiten in die Rechnung stellen. Als eines der sachlichen Momente wird zu berücksichtigen sein, wie nahe die objektive rechtswidrige Handlung mit der Gesamt- heit des Volkes verbunden ist. Was die Behörden, die anerkannten und verantwortlichen Vertreter der Rechtsordnung, tun, wird schwerer wiegen, als was Private tun, weil sie als die Vertreter der Gesamtheit in der Handhabung der Rechtsordnung, die sie sich gegeben, erscheinen; was die für die auswärtige Vertretung zu- ständige Behörde sagt, wird schwerer in die Wagschale fallen, als was eine Behörde der inneren Verwaltung vorbringt. Aber keines- wegs kann a priori, begriffsnotwendig, entschieden werden, das Verhalten der Privaten sei schlechthin, weil privat, völkerrechtlich unerheblich. Der Staat kann auch dafür haften, wenn sich das als vernünftig und gerecht erweist. Dagegen wird auch hier ver- schieden gewertet werden können z. B. der gelegentliche Übergriff vereinzelter Individuen und die planmäßige Unternehmung großer 1 Vgl. W. Burckhardt, Der Vertrag 19; oben S. 22. Gerade dazu, die Rechtslehre von solchen unfruchtbaren begrifflichen Erörterungen zu säubern, wo nur sachliche Erwägungen zum Ziele führen, soll die richtige Methode dienen; dazu wurden auch die obigen Erörterungen angestellt, nicht um etwas darüber beizubringen, wann der (!) Staat hafte und für welche Vorgänge er verantwortlich sei. Darüber soll gar nichts gesagt sein. 2 Vgl. oben S. 242.

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Zitationshilfe: Burckhardt, Walther: Die Organisation der Rechtsgemeinschaft. Basel, 1927, S. 443. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_rechtsgemeinschaft_1927/458>, abgerufen am 22.11.2024.