Burckhardt, Walther: Die Organisation der Rechtsgemeinschaft. Basel, 1927.III. Teil. Die rechtsgeschäftliche Verfassung. des internationalen Privatrechts bestimmt, daß dingliche Rechtenach dem Gesetz der gelegenen Sache, persönliche Rechte nach dem Gesetz des Heimatsstaates zu beurteilen sind, so setzt diese Abgrenzungsnorm voraus, daß die Begriffe des dinglichen und des persönlichen Rechtes in den abzugrenzenden Landesrechten die- selben sind (auf die sich dann auch die Abgrenzungsnorm bezieht); dann wird aber auch die Abgrenzung ihre praktische Bedeutung beinahe einbüßen, weil es gleichgültig ist, welches von zwei über- einstimmenden Gesetzen angewendet wird (es bleiben sozusagen nur noch die quantitativen Unterschiede). Stimmen die Begriffe und Grundsätze aber nicht überein, so kann man sie auch nicht ohne Rest abgrenzen, weil sie nicht vergleichbar sind; wenn nach dem einen Recht der Käufer ein dingliches Recht an der gekauften Sache, der Pächter ein dingliches Recht am gepachteten Grund- stück hat, nach dem anderen nur ein persönliches, so ist es keine brauchbare Abgrenzung, zu sagen: die dinglichen Rechte stünden unter dem Gesetz der gelegenen Sache, die persönlichen unter dem Heimatrecht des Schuldners; oder wenn die Begriffe der Vormundschaft und der Erbschaft nicht dieselben sind, genügt es nicht zu erklären, die Vormundschaft sei nach Heimatrecht, die Erbschaft nach dem Recht des letzten Wohnsitzes zu beur- teilen. Das internationale Privatrecht wird daher nie zu allgemein Nicht anders verhält es sich aber für das öffentliche Recht. Es 1 Das hängt zusammen mit dem wesentlichen Unterschied zwischen
dem öffentlichen und dem privaten Recht: das Privatrecht ist ein System korrelativer Rechte und Pflichten; das Verhältnis zwischen zwei Erben kann nur nach einem Recht bestimmt werden, wenn es überhaupt bestimmt wer- den soll, d. h. wenn Rechtssicherheit herrschen soll, was ja der Hauptzweck III. Teil. Die rechtsgeschäftliche Verfassung. des internationalen Privatrechts bestimmt, daß dingliche Rechtenach dem Gesetz der gelegenen Sache, persönliche Rechte nach dem Gesetz des Heimatsstaates zu beurteilen sind, so setzt diese Abgrenzungsnorm voraus, daß die Begriffe des dinglichen und des persönlichen Rechtes in den abzugrenzenden Landesrechten die- selben sind (auf die sich dann auch die Abgrenzungsnorm bezieht); dann wird aber auch die Abgrenzung ihre praktische Bedeutung beinahe einbüßen, weil es gleichgültig ist, welches von zwei über- einstimmenden Gesetzen angewendet wird (es bleiben sozusagen nur noch die quantitativen Unterschiede). Stimmen die Begriffe und Grundsätze aber nicht überein, so kann man sie auch nicht ohne Rest abgrenzen, weil sie nicht vergleichbar sind; wenn nach dem einen Recht der Käufer ein dingliches Recht an der gekauften Sache, der Pächter ein dingliches Recht am gepachteten Grund- stück hat, nach dem anderen nur ein persönliches, so ist es keine brauchbare Abgrenzung, zu sagen: die dinglichen Rechte stünden unter dem Gesetz der gelegenen Sache, die persönlichen unter dem Heimatrecht des Schuldners; oder wenn die Begriffe der Vormundschaft und der Erbschaft nicht dieselben sind, genügt es nicht zu erklären, die Vormundschaft sei nach Heimatrecht, die Erbschaft nach dem Recht des letzten Wohnsitzes zu beur- teilen. Das internationale Privatrecht wird daher nie zu allgemein Nicht anders verhält es sich aber für das öffentliche Recht. Es 1 Das hängt zusammen mit dem wesentlichen Unterschied zwischen
dem öffentlichen und dem privaten Recht: das Privatrecht ist ein System korrelativer Rechte und Pflichten; das Verhältnis zwischen zwei Erben kann nur nach einem Recht bestimmt werden, wenn es überhaupt bestimmt wer- den soll, d. h. wenn Rechtssicherheit herrschen soll, was ja der Hauptzweck <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0427" n="412"/><fw place="top" type="header">III. Teil. Die rechtsgeschäftliche Verfassung.</fw><lb/> des internationalen Privatrechts bestimmt, daß dingliche Rechte<lb/> nach dem Gesetz der gelegenen Sache, persönliche Rechte nach<lb/> dem Gesetz des Heimatsstaates zu beurteilen sind, so setzt diese<lb/> Abgrenzungsnorm voraus, daß die Begriffe des dinglichen und des<lb/> persönlichen Rechtes in den abzugrenzenden Landesrechten die-<lb/> selben sind (auf die sich dann auch die Abgrenzungsnorm bezieht);<lb/> dann wird aber auch die Abgrenzung ihre praktische Bedeutung<lb/> beinahe einbüßen, weil es gleichgültig ist, welches von zwei <hi rendition="#g">über-<lb/> einstimmenden</hi> Gesetzen angewendet wird (es bleiben sozusagen<lb/> nur noch die quantitativen Unterschiede). Stimmen die Begriffe<lb/> und Grundsätze aber nicht überein, so kann man sie auch nicht<lb/> ohne Rest abgrenzen, weil sie nicht vergleichbar sind; wenn nach<lb/> dem einen Recht der Käufer ein dingliches Recht an der gekauften<lb/> Sache, der Pächter ein dingliches Recht am gepachteten Grund-<lb/> stück hat, nach dem anderen nur ein persönliches, so ist es keine<lb/> brauchbare Abgrenzung, zu sagen: <hi rendition="#g">die</hi> dinglichen Rechte stünden<lb/> unter dem Gesetz der gelegenen Sache, <hi rendition="#g">die</hi> persönlichen unter<lb/> dem Heimatrecht des Schuldners; oder wenn die Begriffe der<lb/> Vormundschaft und der Erbschaft nicht dieselben sind, genügt<lb/> es nicht zu erklären, die Vormundschaft sei nach Heimatrecht,<lb/><hi rendition="#g">die</hi> Erbschaft nach dem Recht des letzten Wohnsitzes zu beur-<lb/> teilen.</p><lb/> <p>Das internationale Privatrecht wird daher nie zu <hi rendition="#g">allgemein</hi><lb/> anwendbaren Sätzen gelangen; es entbehrt eben deshalb der<lb/> Grundsätzlichkeit und Folgerichtigkeit; seine Lösungen tragen<lb/> immer den Charakter des Kompromisses.</p><lb/> <p>Nicht anders verhält es sich aber für das <hi rendition="#b">öffentliche</hi> Recht. Es<lb/> tritt hier nur eine gewisse Vereinfachung ein dadurch, daß jede<lb/> Behörde in der Regel nur das Recht ihres Landes anwendet,<lb/> während Zivilgerichte häufig auch fremdes Recht anzuwenden<lb/> haben. Im öffentlichen Recht fragt es sich also bloß, wieweit<lb/> das Landesrecht Anwendung finde; ob ein anderes und welches<lb/> Recht Anwendung finde, ist in der Regel nicht zu entscheiden<note xml:id="seg2pn_59_1" next="#seg2pn_59_2" place="foot" n="1">Das hängt zusammen mit dem wesentlichen Unterschied zwischen<lb/> dem öffentlichen und dem privaten Recht: das Privatrecht ist ein System<lb/> korrelativer Rechte und Pflichten; das Verhältnis zwischen zwei Erben kann<lb/> nur nach <hi rendition="#g">einem</hi> Recht bestimmt werden, wenn es überhaupt bestimmt wer-<lb/> den soll, d. h. wenn Rechtssicherheit herrschen soll, was ja der Hauptzweck</note>.</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [412/0427]
III. Teil. Die rechtsgeschäftliche Verfassung.
des internationalen Privatrechts bestimmt, daß dingliche Rechte
nach dem Gesetz der gelegenen Sache, persönliche Rechte nach
dem Gesetz des Heimatsstaates zu beurteilen sind, so setzt diese
Abgrenzungsnorm voraus, daß die Begriffe des dinglichen und des
persönlichen Rechtes in den abzugrenzenden Landesrechten die-
selben sind (auf die sich dann auch die Abgrenzungsnorm bezieht);
dann wird aber auch die Abgrenzung ihre praktische Bedeutung
beinahe einbüßen, weil es gleichgültig ist, welches von zwei über-
einstimmenden Gesetzen angewendet wird (es bleiben sozusagen
nur noch die quantitativen Unterschiede). Stimmen die Begriffe
und Grundsätze aber nicht überein, so kann man sie auch nicht
ohne Rest abgrenzen, weil sie nicht vergleichbar sind; wenn nach
dem einen Recht der Käufer ein dingliches Recht an der gekauften
Sache, der Pächter ein dingliches Recht am gepachteten Grund-
stück hat, nach dem anderen nur ein persönliches, so ist es keine
brauchbare Abgrenzung, zu sagen: die dinglichen Rechte stünden
unter dem Gesetz der gelegenen Sache, die persönlichen unter
dem Heimatrecht des Schuldners; oder wenn die Begriffe der
Vormundschaft und der Erbschaft nicht dieselben sind, genügt
es nicht zu erklären, die Vormundschaft sei nach Heimatrecht,
die Erbschaft nach dem Recht des letzten Wohnsitzes zu beur-
teilen.
Das internationale Privatrecht wird daher nie zu allgemein
anwendbaren Sätzen gelangen; es entbehrt eben deshalb der
Grundsätzlichkeit und Folgerichtigkeit; seine Lösungen tragen
immer den Charakter des Kompromisses.
Nicht anders verhält es sich aber für das öffentliche Recht. Es
tritt hier nur eine gewisse Vereinfachung ein dadurch, daß jede
Behörde in der Regel nur das Recht ihres Landes anwendet,
während Zivilgerichte häufig auch fremdes Recht anzuwenden
haben. Im öffentlichen Recht fragt es sich also bloß, wieweit
das Landesrecht Anwendung finde; ob ein anderes und welches
Recht Anwendung finde, ist in der Regel nicht zu entscheiden 1.
1 Das hängt zusammen mit dem wesentlichen Unterschied zwischen
dem öffentlichen und dem privaten Recht: das Privatrecht ist ein System
korrelativer Rechte und Pflichten; das Verhältnis zwischen zwei Erben kann
nur nach einem Recht bestimmt werden, wenn es überhaupt bestimmt wer-
den soll, d. h. wenn Rechtssicherheit herrschen soll, was ja der Hauptzweck
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