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Burckhardt, Walther: Die Organisation der Rechtsgemeinschaft. Basel, 1927.

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III. Teil. Die rechtsgeschäftliche Verfassung.
(oder einige wenige Staaten) mit ähnlicher Gesetzgebung mögen
oft auf die genaue Bestimmung der Begriffe, die sie in internatio-
nalen Verträgen verwenden, verzichten in der Erwartung, daß
jeder Staat sie ohne Nachteil für den anderen in seinem Sinne aus-
legen mag; sie verzichten dann auf die genaue Bestimmung des
Sinnes des internationalen Rechtssatzes und ihrer gegenseitigen
Leistungen1. Aber ein Satz, der als allgemeiner, universeller auf-
treten wollte, könnte die Bestimmung der von ihm verwendeten
Rechtsbegriffe nicht jedem Staate überlassen. Sollen einheitliche
Begriffe und einheitliches Recht gelten, so müssen sie notwendig
den nationalen vorgehen und in dieses verändernd eingreifen.
Sonst bestehen nebeneinander internationale Anordnungen (denen
sich die Staaten als solche unterziehen sollen) und nationale An-
ordnungen (nach denen sich die Einzelnen im Staate verhalten
sollen), die verschieden gedacht sind und Verschiedenes bedeuten,
während doch die internationale Anordnung durch nationale An-
ordnungen ausgeführt werden muß.

Darin besteht die grundsätzliche Schwierigkeit des inter-
nationalen Privatrechts.

Das internationale Privatrecht geht ja darauf aus, die ver-
schiedenen positiven Privatrechtsordnungen, wie sie sind, gegen-

man eben eine solche universelle Vorschrift kaum aufstellen könnte. Darin
liegt die grundsätzliche Schwierigkeit der Entscheidung internationaler Ent-
schädigungsansprüche (ohne staatsvertragliche Grundlage) wegen staatlicher
Eingriffe in das Vermögen von Ausländern, wie sie gegenüber Italien an-
läßlich der Verstaatlichung der Personenversicherung oder gegen Soviet-
rußland wegen Aufhebung des Privateigentums erhoben wurden; welcher
Eigentumsbegriff, welche Eigentumsordnung sind die international
maßgebenden?
1 Schwierigkeiten ergeben sich leicht, wenn die eine Gesetzgebung in
unerwarteter Weise geändert wird, z. B. durch Verstaatlichung eines Er-
werbszweiges, Einführung außergewöhnlicher Steuern oder revolutionäre
Änderungen der Eigentumsordnung zum Schaden der niedergelassenen Aus-
länder. Der andere Vertragsstaat wird das vielleicht als eine den Voraus-
setzungen des Niederlassungsvertrages widersprechende Änderung bezeichnen
dürfen; aber es wird ihm schwer fallen, nachzuweisen, welchen Eigentums-
begriff, welche Gewerbe- und welche Steuerordnung der Niederlassungs-
vertrag eigentlich im Auge hatte, als er den Niedergelassenen die freie Aus-
übung der Gewerbe, die Gleichbehandlung im Steuerwesen und den Schutz
des Eigentums garantierte.

III. Teil. Die rechtsgeschäftliche Verfassung.
(oder einige wenige Staaten) mit ähnlicher Gesetzgebung mögen
oft auf die genaue Bestimmung der Begriffe, die sie in internatio-
nalen Verträgen verwenden, verzichten in der Erwartung, daß
jeder Staat sie ohne Nachteil für den anderen in seinem Sinne aus-
legen mag; sie verzichten dann auf die genaue Bestimmung des
Sinnes des internationalen Rechtssatzes und ihrer gegenseitigen
Leistungen1. Aber ein Satz, der als allgemeiner, universeller auf-
treten wollte, könnte die Bestimmung der von ihm verwendeten
Rechtsbegriffe nicht jedem Staate überlassen. Sollen einheitliche
Begriffe und einheitliches Recht gelten, so müssen sie notwendig
den nationalen vorgehen und in dieses verändernd eingreifen.
Sonst bestehen nebeneinander internationale Anordnungen (denen
sich die Staaten als solche unterziehen sollen) und nationale An-
ordnungen (nach denen sich die Einzelnen im Staate verhalten
sollen), die verschieden gedacht sind und Verschiedenes bedeuten,
während doch die internationale Anordnung durch nationale An-
ordnungen ausgeführt werden muß.

Darin besteht die grundsätzliche Schwierigkeit des inter-
nationalen Privatrechts.

Das internationale Privatrecht geht ja darauf aus, die ver-
schiedenen positiven Privatrechtsordnungen, wie sie sind, gegen-

man eben eine solche universelle Vorschrift kaum aufstellen könnte. Darin
liegt die grundsätzliche Schwierigkeit der Entscheidung internationaler Ent-
schädigungsansprüche (ohne staatsvertragliche Grundlage) wegen staatlicher
Eingriffe in das Vermögen von Ausländern, wie sie gegenüber Italien an-
läßlich der Verstaatlichung der Personenversicherung oder gegen Soviet-
rußland wegen Aufhebung des Privateigentums erhoben wurden; welcher
Eigentumsbegriff, welche Eigentumsordnung sind die international
maßgebenden?
1 Schwierigkeiten ergeben sich leicht, wenn die eine Gesetzgebung in
unerwarteter Weise geändert wird, z. B. durch Verstaatlichung eines Er-
werbszweiges, Einführung außergewöhnlicher Steuern oder revolutionäre
Änderungen der Eigentumsordnung zum Schaden der niedergelassenen Aus-
länder. Der andere Vertragsstaat wird das vielleicht als eine den Voraus-
setzungen des Niederlassungsvertrages widersprechende Änderung bezeichnen
dürfen; aber es wird ihm schwer fallen, nachzuweisen, welchen Eigentums-
begriff, welche Gewerbe- und welche Steuerordnung der Niederlassungs-
vertrag eigentlich im Auge hatte, als er den Niedergelassenen die freie Aus-
übung der Gewerbe, die Gleichbehandlung im Steuerwesen und den Schutz
des Eigentums garantierte.
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[410/0425] III. Teil. Die rechtsgeschäftliche Verfassung. (oder einige wenige Staaten) mit ähnlicher Gesetzgebung mögen oft auf die genaue Bestimmung der Begriffe, die sie in internatio- nalen Verträgen verwenden, verzichten in der Erwartung, daß jeder Staat sie ohne Nachteil für den anderen in seinem Sinne aus- legen mag; sie verzichten dann auf die genaue Bestimmung des Sinnes des internationalen Rechtssatzes und ihrer gegenseitigen Leistungen 1. Aber ein Satz, der als allgemeiner, universeller auf- treten wollte, könnte die Bestimmung der von ihm verwendeten Rechtsbegriffe nicht jedem Staate überlassen. Sollen einheitliche Begriffe und einheitliches Recht gelten, so müssen sie notwendig den nationalen vorgehen und in dieses verändernd eingreifen. Sonst bestehen nebeneinander internationale Anordnungen (denen sich die Staaten als solche unterziehen sollen) und nationale An- ordnungen (nach denen sich die Einzelnen im Staate verhalten sollen), die verschieden gedacht sind und Verschiedenes bedeuten, während doch die internationale Anordnung durch nationale An- ordnungen ausgeführt werden muß. Darin besteht die grundsätzliche Schwierigkeit des inter- nationalen Privatrechts. Das internationale Privatrecht geht ja darauf aus, die ver- schiedenen positiven Privatrechtsordnungen, wie sie sind, gegen- 1 1 Schwierigkeiten ergeben sich leicht, wenn die eine Gesetzgebung in unerwarteter Weise geändert wird, z. B. durch Verstaatlichung eines Er- werbszweiges, Einführung außergewöhnlicher Steuern oder revolutionäre Änderungen der Eigentumsordnung zum Schaden der niedergelassenen Aus- länder. Der andere Vertragsstaat wird das vielleicht als eine den Voraus- setzungen des Niederlassungsvertrages widersprechende Änderung bezeichnen dürfen; aber es wird ihm schwer fallen, nachzuweisen, welchen Eigentums- begriff, welche Gewerbe- und welche Steuerordnung der Niederlassungs- vertrag eigentlich im Auge hatte, als er den Niedergelassenen die freie Aus- übung der Gewerbe, die Gleichbehandlung im Steuerwesen und den Schutz des Eigentums garantierte. 1 man eben eine solche universelle Vorschrift kaum aufstellen könnte. Darin liegt die grundsätzliche Schwierigkeit der Entscheidung internationaler Ent- schädigungsansprüche (ohne staatsvertragliche Grundlage) wegen staatlicher Eingriffe in das Vermögen von Ausländern, wie sie gegenüber Italien an- läßlich der Verstaatlichung der Personenversicherung oder gegen Soviet- rußland wegen Aufhebung des Privateigentums erhoben wurden; welcher Eigentumsbegriff, welche Eigentumsordnung sind die international maßgebenden?

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Zitationshilfe: Burckhardt, Walther: Die Organisation der Rechtsgemeinschaft. Basel, 1927, S. 410. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_rechtsgemeinschaft_1927/425>, abgerufen am 22.11.2024.