sich zu richten hätte nach den Verträgen, welche die Privaten ab- schließen und nicht umgekehrt. Das Völkerrecht kann das Ver- halten der Staaten untereinander nicht vernünftig ordnen, ohne es (grundsätzlich) ganz zu ordnen; es kann nicht Regeln aufstellen, aber grundsätzlich die Voraussetzungen ihrer Anwendung den Staaten zu bestimmen überlassen; sonst stellt es den Willen der Staaten grundsätzlich über seinen eigenen Willen.
Wenn z. B. dem Staat mit staatlicher Waffen- und Munitions- fabrikation die Pflicht auferlegt wird, dafür zu sorgen, daß keine Waffen und keine Munition den Kriegführenden zukommt, dem Staate aber, der die Waffen- und Munitionserzeugung der Privat- industrie überlassen hat, diese Haftung nicht auferlegt wird, weil ihm, der die Produktion nicht selbst in Händen hat, eine so strenge Haftung billigerweise nicht auferlegt werden kann, so ist eben doch die völkerrechtliche Stellung der beiden Staaten sehr verschieden; was deutlich fühlbar wird, wenn ein Staat, der dieser Ordnung unterworfen ist, einem anderen gegenübersteht, der der anderen Ordnung unterstellt ist, z. B. ein Neutraler mit verstaatlichter Produktion und strengem Verbot einem anderen Neutralen, der infolge seiner privaten Produktion freier ist und sich diese Freiheit zunutze macht, oder einem Kriegführenden, der im umgekehrten Fall, wo er neutral und der jetzt Neutrale Kriegführender sein wird, den Gegner dieses Kriegführenden aus seiner Privatindustrie mit Waffen und Munition unterstützen wird. Und ebenso in den anderen erwähnten Fällen der Rechtshilfe, des Warenaustausches und der Niederlassung: sachlich rechtfertigt sich durchaus die Anwendung verschiedener völkerrechtlicher Normen, sobald man einmal von der Tatsache ausgeht, daß die innere Ordnung der betreffenden Staaten verschieden ist; aber eben das ist das Stoßende, daß der Staat durch seine Entschließung die auf ihn an- wendbare völkerrechtliche Regel bestimmen kann.
Man wird vielleicht einwenden, jede Rechtsordnung müsse solche Verschiedenheiten berücksichtigen, auch die landesrecht- liche Ordnung behandle den Einzelunternehmer nicht wie die Ge- nossenschaft oder die Aktiengesellschaft, die private nicht wie die kommunale, auch sie nehme in mannigfaltiger Weise auf recht- liche Verschiedenheiten des Familienstandes, des Vermögens, des Berufes, der privatwirtschaftlichen Organisation Rücksicht, die
Das Völkerrecht.
sich zu richten hätte nach den Verträgen, welche die Privaten ab- schließen und nicht umgekehrt. Das Völkerrecht kann das Ver- halten der Staaten untereinander nicht vernünftig ordnen, ohne es (grundsätzlich) ganz zu ordnen; es kann nicht Regeln aufstellen, aber grundsätzlich die Voraussetzungen ihrer Anwendung den Staaten zu bestimmen überlassen; sonst stellt es den Willen der Staaten grundsätzlich über seinen eigenen Willen.
Wenn z. B. dem Staat mit staatlicher Waffen- und Munitions- fabrikation die Pflicht auferlegt wird, dafür zu sorgen, daß keine Waffen und keine Munition den Kriegführenden zukommt, dem Staate aber, der die Waffen- und Munitionserzeugung der Privat- industrie überlassen hat, diese Haftung nicht auferlegt wird, weil ihm, der die Produktion nicht selbst in Händen hat, eine so strenge Haftung billigerweise nicht auferlegt werden kann, so ist eben doch die völkerrechtliche Stellung der beiden Staaten sehr verschieden; was deutlich fühlbar wird, wenn ein Staat, der dieser Ordnung unterworfen ist, einem anderen gegenübersteht, der der anderen Ordnung unterstellt ist, z. B. ein Neutraler mit verstaatlichter Produktion und strengem Verbot einem anderen Neutralen, der infolge seiner privaten Produktion freier ist und sich diese Freiheit zunutze macht, oder einem Kriegführenden, der im umgekehrten Fall, wo er neutral und der jetzt Neutrale Kriegführender sein wird, den Gegner dieses Kriegführenden aus seiner Privatindustrie mit Waffen und Munition unterstützen wird. Und ebenso in den anderen erwähnten Fällen der Rechtshilfe, des Warenaustausches und der Niederlassung: sachlich rechtfertigt sich durchaus die Anwendung verschiedener völkerrechtlicher Normen, sobald man einmal von der Tatsache ausgeht, daß die innere Ordnung der betreffenden Staaten verschieden ist; aber eben das ist das Stoßende, daß der Staat durch seine Entschließung die auf ihn an- wendbare völkerrechtliche Regel bestimmen kann.
Man wird vielleicht einwenden, jede Rechtsordnung müsse solche Verschiedenheiten berücksichtigen, auch die landesrecht- liche Ordnung behandle den Einzelunternehmer nicht wie die Ge- nossenschaft oder die Aktiengesellschaft, die private nicht wie die kommunale, auch sie nehme in mannigfaltiger Weise auf recht- liche Verschiedenheiten des Familienstandes, des Vermögens, des Berufes, der privatwirtschaftlichen Organisation Rücksicht, die
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[403/0418]
Das Völkerrecht.
sich zu richten hätte nach den Verträgen, welche die Privaten ab-
schließen und nicht umgekehrt. Das Völkerrecht kann das Ver-
halten der Staaten untereinander nicht vernünftig ordnen, ohne
es (grundsätzlich) ganz zu ordnen; es kann nicht Regeln aufstellen,
aber grundsätzlich die Voraussetzungen ihrer Anwendung den
Staaten zu bestimmen überlassen; sonst stellt es den Willen der
Staaten grundsätzlich über seinen eigenen Willen.
Wenn z. B. dem Staat mit staatlicher Waffen- und Munitions-
fabrikation die Pflicht auferlegt wird, dafür zu sorgen, daß keine
Waffen und keine Munition den Kriegführenden zukommt, dem
Staate aber, der die Waffen- und Munitionserzeugung der Privat-
industrie überlassen hat, diese Haftung nicht auferlegt wird, weil
ihm, der die Produktion nicht selbst in Händen hat, eine so strenge
Haftung billigerweise nicht auferlegt werden kann, so ist eben doch
die völkerrechtliche Stellung der beiden Staaten sehr verschieden;
was deutlich fühlbar wird, wenn ein Staat, der dieser Ordnung
unterworfen ist, einem anderen gegenübersteht, der der anderen
Ordnung unterstellt ist, z. B. ein Neutraler mit verstaatlichter
Produktion und strengem Verbot einem anderen Neutralen, der
infolge seiner privaten Produktion freier ist und sich diese Freiheit
zunutze macht, oder einem Kriegführenden, der im umgekehrten
Fall, wo er neutral und der jetzt Neutrale Kriegführender sein
wird, den Gegner dieses Kriegführenden aus seiner Privatindustrie
mit Waffen und Munition unterstützen wird. Und ebenso in den
anderen erwähnten Fällen der Rechtshilfe, des Warenaustausches
und der Niederlassung: sachlich rechtfertigt sich durchaus die
Anwendung verschiedener völkerrechtlicher Normen, sobald
man einmal von der Tatsache ausgeht, daß die innere Ordnung
der betreffenden Staaten verschieden ist; aber eben das ist das
Stoßende, daß der Staat durch seine Entschließung die auf ihn an-
wendbare völkerrechtliche Regel bestimmen kann.
Man wird vielleicht einwenden, jede Rechtsordnung müsse
solche Verschiedenheiten berücksichtigen, auch die landesrecht-
liche Ordnung behandle den Einzelunternehmer nicht wie die Ge-
nossenschaft oder die Aktiengesellschaft, die private nicht wie die
kommunale, auch sie nehme in mannigfaltiger Weise auf recht-
liche Verschiedenheiten des Familienstandes, des Vermögens, des
Berufes, der privatwirtschaftlichen Organisation Rücksicht, die
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Burckhardt, Walther: Die Organisation der Rechtsgemeinschaft. Basel, 1927, S. 403. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_rechtsgemeinschaft_1927/418>, abgerufen am 22.11.2024.
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