Burckhardt, Walther: Die Organisation der Rechtsgemeinschaft. Basel, 1927.III. Teil. Die rechtsgeschäftliche Verfassung. Verletzung der Gebietshoheit ist es nicht, wenn der eine Staat übereinen Streit unter Bewohnern oder Angehörigen eines anderen Staates nach seinen Gesetzen ein Urteil fällt oder sie nach seinen Gesetzen für strafbar, für gerichts-, militär- oder steuerpflichtig erklärt, obschon darin, wegen der grundsätzlichen Beanspruchung der Botmäßigkeit und der virtuellen Zwangsandrohung eine un- zulässige Beunruhigung des anderen Staates liegen mag1; aber eine Verletzung auswärtiger Gebietshoheit ist es, wenn jener Staat in das Gebiet des anderen den Gerichtsvollzieher schickt, um das Urteil zu vollziehen, oder den Polizeibeamten, um den Dienstpflichtigen herbeizuschaffen. Die Zwangsgewalt ist es, die der Staat mit seiner Gebietshoheit innert bestimmten räumlichen Grenzen beansprucht; diese Befugnis überträgt er, wenn er Gebiet an einen anderen Staat abtritt2; diese Gewalt meint man, wenn man einer öffentlichen Körperschaft ein Gebiet zuspricht, z. B. einer Gemeinde, einer Provinz, im Gegensatz zu einer Versicherungs- kasse oder einer Wuhrgenossenschaft, deren Wirksamkeit ebenfalls räumlich abgegrenzt ist, die aber selbst nicht über die Zwangs- gewalt verfügen. Ein Gebiet hat der Staat und diejenigen Unterabteilungen des Staates, die über die Zwangsgewalt ver- fügen3. Aus dem Gesagten erklärt sich, weshalb zur Aneignung herrenlosen Gebietes die Betätigung staatlicher Zwangsgewalt gehört4. 1 Vgl. den italienischen Entwurf eines Gesetzes betreffend staats- feindliche Organisationen im Ausland, vom Oktober 1926. 2 Auch die Abtretung unbewohnten Gebietes macht keine Schwierig- keit, wenn man bedenkt, daß der Erwerber dadurch das Recht erhält, anderen Staaten (jetzt und in Zukunft) die Ausübung von Zwangshand- lungen in diesem Gebiet zu verbieten und seine Gebietshoheit vielleicht gerade dadurch betätigen will, daß er die Besiedelung verbietet. 3 Wogegen es wertlos ist, alle anderen, örtlich abgegrenzten Zuständig- keiten auf die Gebietshoheit zurückzuführen oder als Ausflüsse der Gebiets- hoheit zu bezeichnen, oder umgekehrt, mit Henrich a. a. O., die Gebiets- hoheit nur als eine jener örtlich abgegrenzten Zuständigkeiten zu bezeichnen. Die Eigenart des Gebietes wird damit nicht erfaßt. 4 Die grundsätzlich richtige Beschränkung der Küstengewässer,
als Zugehöre des Landgebietes, wäre daher wohl die Tragweite der Ge- schütze: potestatem terrae finiri ubi finitur armorum vis. Die von der Zwangsgewalt ausgenommenen Personen werden mit Recht exterritorial genannt. III. Teil. Die rechtsgeschäftliche Verfassung. Verletzung der Gebietshoheit ist es nicht, wenn der eine Staat übereinen Streit unter Bewohnern oder Angehörigen eines anderen Staates nach seinen Gesetzen ein Urteil fällt oder sie nach seinen Gesetzen für strafbar, für gerichts-, militär- oder steuerpflichtig erklärt, obschon darin, wegen der grundsätzlichen Beanspruchung der Botmäßigkeit und der virtuellen Zwangsandrohung eine un- zulässige Beunruhigung des anderen Staates liegen mag1; aber eine Verletzung auswärtiger Gebietshoheit ist es, wenn jener Staat in das Gebiet des anderen den Gerichtsvollzieher schickt, um das Urteil zu vollziehen, oder den Polizeibeamten, um den Dienstpflichtigen herbeizuschaffen. Die Zwangsgewalt ist es, die der Staat mit seiner Gebietshoheit innert bestimmten räumlichen Grenzen beansprucht; diese Befugnis überträgt er, wenn er Gebiet an einen anderen Staat abtritt2; diese Gewalt meint man, wenn man einer öffentlichen Körperschaft ein Gebiet zuspricht, z. B. einer Gemeinde, einer Provinz, im Gegensatz zu einer Versicherungs- kasse oder einer Wuhrgenossenschaft, deren Wirksamkeit ebenfalls räumlich abgegrenzt ist, die aber selbst nicht über die Zwangs- gewalt verfügen. Ein Gebiet hat der Staat und diejenigen Unterabteilungen des Staates, die über die Zwangsgewalt ver- fügen3. Aus dem Gesagten erklärt sich, weshalb zur Aneignung herrenlosen Gebietes die Betätigung staatlicher Zwangsgewalt gehört4. 1 Vgl. den italienischen Entwurf eines Gesetzes betreffend staats- feindliche Organisationen im Ausland, vom Oktober 1926. 2 Auch die Abtretung unbewohnten Gebietes macht keine Schwierig- keit, wenn man bedenkt, daß der Erwerber dadurch das Recht erhält, anderen Staaten (jetzt und in Zukunft) die Ausübung von Zwangshand- lungen in diesem Gebiet zu verbieten und seine Gebietshoheit vielleicht gerade dadurch betätigen will, daß er die Besiedelung verbietet. 3 Wogegen es wertlos ist, alle anderen, örtlich abgegrenzten Zuständig- keiten auf die Gebietshoheit zurückzuführen oder als Ausflüsse der Gebiets- hoheit zu bezeichnen, oder umgekehrt, mit Henrich a. a. O., die Gebiets- hoheit nur als eine jener örtlich abgegrenzten Zuständigkeiten zu bezeichnen. Die Eigenart des Gebietes wird damit nicht erfaßt. 4 Die grundsätzlich richtige Beschränkung der Küstengewässer,
als Zugehöre des Landgebietes, wäre daher wohl die Tragweite der Ge- schütze: potestatem terrae finiri ubi finitur armorum vis. Die von der Zwangsgewalt ausgenommenen Personen werden mit Recht exterritorial genannt. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <p><pb facs="#f0385" n="370"/><fw place="top" type="header">III. Teil. Die rechtsgeschäftliche Verfassung.</fw><lb/> Verletzung der Gebietshoheit ist es nicht, wenn der eine Staat über<lb/> einen Streit unter Bewohnern oder Angehörigen eines anderen<lb/> Staates nach seinen Gesetzen ein Urteil fällt oder sie nach seinen<lb/> Gesetzen für strafbar, für gerichts-, militär- oder steuerpflichtig<lb/> erklärt, obschon darin, wegen der grundsätzlichen Beanspruchung<lb/> der Botmäßigkeit und der virtuellen Zwangsandrohung eine un-<lb/> zulässige Beunruhigung des anderen Staates liegen mag<note place="foot" n="1">Vgl. den italienischen Entwurf eines Gesetzes betreffend staats-<lb/> feindliche Organisationen im Ausland, vom Oktober 1926.</note>; aber<lb/> eine Verletzung auswärtiger Gebietshoheit ist es, wenn jener<lb/> Staat in das Gebiet des anderen den Gerichtsvollzieher schickt,<lb/> um das Urteil zu vollziehen, oder den Polizeibeamten, um den<lb/> Dienstpflichtigen herbeizuschaffen. Die Zwangsgewalt ist es, die<lb/> der Staat mit seiner Gebietshoheit innert bestimmten räumlichen<lb/> Grenzen beansprucht; diese Befugnis überträgt er, wenn er Gebiet<lb/> an einen anderen Staat abtritt<note place="foot" n="2">Auch die Abtretung unbewohnten Gebietes macht keine Schwierig-<lb/> keit, wenn man bedenkt, daß der Erwerber dadurch das Recht erhält,<lb/> anderen Staaten (jetzt und in Zukunft) die Ausübung von Zwangshand-<lb/> lungen in diesem Gebiet zu verbieten und seine Gebietshoheit vielleicht<lb/> gerade dadurch betätigen will, daß er die Besiedelung <hi rendition="#g">verbietet</hi>.</note>; diese Gewalt meint man, wenn<lb/> man einer öffentlichen Körperschaft ein Gebiet zuspricht, z. B.<lb/> einer Gemeinde, einer Provinz, im Gegensatz zu einer Versicherungs-<lb/> kasse oder einer Wuhrgenossenschaft, deren Wirksamkeit ebenfalls<lb/> räumlich abgegrenzt ist, die aber selbst nicht über die Zwangs-<lb/> gewalt verfügen. Ein Gebiet hat der Staat und diejenigen<lb/> Unterabteilungen des Staates, die über die Zwangsgewalt ver-<lb/> fügen<note place="foot" n="3">Wogegen es wertlos ist, alle anderen, örtlich abgegrenzten Zuständig-<lb/> keiten auf die Gebietshoheit zurückzuführen oder als Ausflüsse der Gebiets-<lb/> hoheit zu bezeichnen, oder umgekehrt, mit <hi rendition="#g">Henrich</hi> a. a. O., die Gebiets-<lb/> hoheit nur als eine jener örtlich abgegrenzten Zuständigkeiten zu bezeichnen.<lb/> Die Eigenart des Gebietes wird damit nicht erfaßt.</note>. Aus dem Gesagten erklärt sich, weshalb zur Aneignung<lb/> herrenlosen Gebietes die Betätigung staatlicher Zwangsgewalt<lb/> gehört<note place="foot" n="4">Die grundsätzlich richtige Beschränkung der Küstengewässer,<lb/> als Zugehöre des Landgebietes, wäre daher wohl die Tragweite der Ge-<lb/> schütze: potestatem terrae finiri ubi finitur armorum vis. Die von der<lb/> Zwangsgewalt ausgenommenen Personen werden mit Recht exterritorial<lb/> genannt.</note>.</p><lb/> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [370/0385]
III. Teil. Die rechtsgeschäftliche Verfassung.
Verletzung der Gebietshoheit ist es nicht, wenn der eine Staat über
einen Streit unter Bewohnern oder Angehörigen eines anderen
Staates nach seinen Gesetzen ein Urteil fällt oder sie nach seinen
Gesetzen für strafbar, für gerichts-, militär- oder steuerpflichtig
erklärt, obschon darin, wegen der grundsätzlichen Beanspruchung
der Botmäßigkeit und der virtuellen Zwangsandrohung eine un-
zulässige Beunruhigung des anderen Staates liegen mag 1; aber
eine Verletzung auswärtiger Gebietshoheit ist es, wenn jener
Staat in das Gebiet des anderen den Gerichtsvollzieher schickt,
um das Urteil zu vollziehen, oder den Polizeibeamten, um den
Dienstpflichtigen herbeizuschaffen. Die Zwangsgewalt ist es, die
der Staat mit seiner Gebietshoheit innert bestimmten räumlichen
Grenzen beansprucht; diese Befugnis überträgt er, wenn er Gebiet
an einen anderen Staat abtritt 2; diese Gewalt meint man, wenn
man einer öffentlichen Körperschaft ein Gebiet zuspricht, z. B.
einer Gemeinde, einer Provinz, im Gegensatz zu einer Versicherungs-
kasse oder einer Wuhrgenossenschaft, deren Wirksamkeit ebenfalls
räumlich abgegrenzt ist, die aber selbst nicht über die Zwangs-
gewalt verfügen. Ein Gebiet hat der Staat und diejenigen
Unterabteilungen des Staates, die über die Zwangsgewalt ver-
fügen 3. Aus dem Gesagten erklärt sich, weshalb zur Aneignung
herrenlosen Gebietes die Betätigung staatlicher Zwangsgewalt
gehört 4.
1 Vgl. den italienischen Entwurf eines Gesetzes betreffend staats-
feindliche Organisationen im Ausland, vom Oktober 1926.
2 Auch die Abtretung unbewohnten Gebietes macht keine Schwierig-
keit, wenn man bedenkt, daß der Erwerber dadurch das Recht erhält,
anderen Staaten (jetzt und in Zukunft) die Ausübung von Zwangshand-
lungen in diesem Gebiet zu verbieten und seine Gebietshoheit vielleicht
gerade dadurch betätigen will, daß er die Besiedelung verbietet.
3 Wogegen es wertlos ist, alle anderen, örtlich abgegrenzten Zuständig-
keiten auf die Gebietshoheit zurückzuführen oder als Ausflüsse der Gebiets-
hoheit zu bezeichnen, oder umgekehrt, mit Henrich a. a. O., die Gebiets-
hoheit nur als eine jener örtlich abgegrenzten Zuständigkeiten zu bezeichnen.
Die Eigenart des Gebietes wird damit nicht erfaßt.
4 Die grundsätzlich richtige Beschränkung der Küstengewässer,
als Zugehöre des Landgebietes, wäre daher wohl die Tragweite der Ge-
schütze: potestatem terrae finiri ubi finitur armorum vis. Die von der
Zwangsgewalt ausgenommenen Personen werden mit Recht exterritorial
genannt.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |