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Burckhardt, Walther: Die Organisation der Rechtsgemeinschaft. Basel, 1927.

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Die Erzwingung des Rechts.
Verletzte beliebig erlassen kann, gesühnt werden soll. Die wider-
spruchslose Folge ist vielmehr, daß sie durch eine Leistung an den
amtlichen Vertreter der Rechtsordnung, den Staat, gesühnt werde.

Die öffentliche Strafe ist also die einzige folgerichtige Reaktion
auf die schuldhafte Übertretung öffentlichen zwingenden Rechtes.
Soll ein solches (unerzwingbares) Verhalten in unbedingter Weise,
d. h. Ohne Rücksicht auf die Zustimmung des Verletzten als rechts-
widrig und verboten hingestellt werden, so muß es auch mit Strafe
bedroht werden.

In diesem Sinne ist es vollständig richtig, wenn Kant in den
Metaphysischen Anfangsgründen der Rechtslehre II. Teil, 1. Ab-
schnitt, sagt: "Richterliche Strafe ... kann niemals bloß als
Mittel, ein anderes Gute zu befördern für den Verbrecher selbst
oder für die bürgerliche Gesellschaft, sondern muß jederzeit nur
darum wider ihn verhängt werden, weil er verbrochen hat."
Und ferner: "Das Strafgesetz ist ein kategorischer Imperativ."
Nur mit der kleinen Änderung: Der Verbrecher muß bestraft werden
weil das Strafgesetz die Strafe angedroht hat, und das Gesetz muß
die Strafe androhen, weil es die Tat verbietet; wenneine Hand-
lung, die nicht (oder nicht sicher) zwangsweise verhindert oder
nicht erzwungen werden kann, verboten oder geboten werden soll,
muß sie unter Strafe gestellt werden, d. h. die schuldhafte
Begehung muß bestraft werden, weil sonst die Pflicht, nicht so
zu handeln, keine Rechtspflicht wäre. Was verboten (und unter
Strafe gestellt werden soll), ist damit nicht gesagt und kann nicht
allgemeingültig gesagt werden, wie schon vorhin bemerkt; aber daß
die Übertretung des unbedingten Verbotes (welches überhaupt
übertreten werden kann) auch bestraft werden muß, ist in be-
griffsnotwendiger Weise einzusehen, und ebenso daß nur die
nachteilige Rechtsfolge eine Strafe ist, welche wegen der schuld-
haften Übertretung als solcher verhängt wird, und nicht besonderen
Zwecken zuliebe. Insofern ist das Strafgesetz ein kategorischer,
d. h. unbedingter Imperativ und nicht eine Zweckmäßigkeits-
vorschrift, d. h. ein durch einen Zweck bedingten Imperativ. Aber,
das möchte ich beifügen: Eine unbedingte Forderung ist die Strafe,
wenn die verbietende oder gebietende Norm als unbedingt zwin-
gende Forderung anerkannt ist. Daß der Mörder bestraft werde,
ist unbedingte Forderung, sobald feststeht, daß das Töten rechts-

Die Erzwingung des Rechts.
Verletzte beliebig erlassen kann, gesühnt werden soll. Die wider-
spruchslose Folge ist vielmehr, daß sie durch eine Leistung an den
amtlichen Vertreter der Rechtsordnung, den Staat, gesühnt werde.

Die öffentliche Strafe ist also die einzige folgerichtige Reaktion
auf die schuldhafte Übertretung öffentlichen zwingenden Rechtes.
Soll ein solches (unerzwingbares) Verhalten in unbedingter Weise,
d. h. Ohne Rücksicht auf die Zustimmung des Verletzten als rechts-
widrig und verboten hingestellt werden, so muß es auch mit Strafe
bedroht werden.

In diesem Sinne ist es vollständig richtig, wenn Kant in den
Metaphysischen Anfangsgründen der Rechtslehre II. Teil, 1. Ab-
schnitt, sagt: „Richterliche Strafe ... kann niemals bloß als
Mittel, ein anderes Gute zu befördern für den Verbrecher selbst
oder für die bürgerliche Gesellschaft, sondern muß jederzeit nur
darum wider ihn verhängt werden, weil er verbrochen hat.
Und ferner: „Das Strafgesetz ist ein kategorischer Imperativ.“
Nur mit der kleinen Änderung: Der Verbrecher muß bestraft werden
weil das Strafgesetz die Strafe angedroht hat, und das Gesetz muß
die Strafe androhen, weil es die Tat verbietet; wenneine Hand-
lung, die nicht (oder nicht sicher) zwangsweise verhindert oder
nicht erzwungen werden kann, verboten oder geboten werden soll,
muß sie unter Strafe gestellt werden, d. h. die schuldhafte
Begehung muß bestraft werden, weil sonst die Pflicht, nicht so
zu handeln, keine Rechtspflicht wäre. Was verboten (und unter
Strafe gestellt werden soll), ist damit nicht gesagt und kann nicht
allgemeingültig gesagt werden, wie schon vorhin bemerkt; aber daß
die Übertretung des unbedingten Verbotes (welches überhaupt
übertreten werden kann) auch bestraft werden muß, ist in be-
griffsnotwendiger Weise einzusehen, und ebenso daß nur die
nachteilige Rechtsfolge eine Strafe ist, welche wegen der schuld-
haften Übertretung als solcher verhängt wird, und nicht besonderen
Zwecken zuliebe. Insofern ist das Strafgesetz ein kategorischer,
d. h. unbedingter Imperativ und nicht eine Zweckmäßigkeits-
vorschrift, d. h. ein durch einen Zweck bedingten Imperativ. Aber,
das möchte ich beifügen: Eine unbedingte Forderung ist die Strafe,
wenn die verbietende oder gebietende Norm als unbedingt zwin-
gende Forderung anerkannt ist. Daß der Mörder bestraft werde,
ist unbedingte Forderung, sobald feststeht, daß das Töten rechts-

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[299/0314] Die Erzwingung des Rechts. Verletzte beliebig erlassen kann, gesühnt werden soll. Die wider- spruchslose Folge ist vielmehr, daß sie durch eine Leistung an den amtlichen Vertreter der Rechtsordnung, den Staat, gesühnt werde. Die öffentliche Strafe ist also die einzige folgerichtige Reaktion auf die schuldhafte Übertretung öffentlichen zwingenden Rechtes. Soll ein solches (unerzwingbares) Verhalten in unbedingter Weise, d. h. Ohne Rücksicht auf die Zustimmung des Verletzten als rechts- widrig und verboten hingestellt werden, so muß es auch mit Strafe bedroht werden. In diesem Sinne ist es vollständig richtig, wenn Kant in den Metaphysischen Anfangsgründen der Rechtslehre II. Teil, 1. Ab- schnitt, sagt: „Richterliche Strafe ... kann niemals bloß als Mittel, ein anderes Gute zu befördern für den Verbrecher selbst oder für die bürgerliche Gesellschaft, sondern muß jederzeit nur darum wider ihn verhängt werden, weil er verbrochen hat.“ Und ferner: „Das Strafgesetz ist ein kategorischer Imperativ.“ Nur mit der kleinen Änderung: Der Verbrecher muß bestraft werden weil das Strafgesetz die Strafe angedroht hat, und das Gesetz muß die Strafe androhen, weil es die Tat verbietet; wenneine Hand- lung, die nicht (oder nicht sicher) zwangsweise verhindert oder nicht erzwungen werden kann, verboten oder geboten werden soll, muß sie unter Strafe gestellt werden, d. h. die schuldhafte Begehung muß bestraft werden, weil sonst die Pflicht, nicht so zu handeln, keine Rechtspflicht wäre. Was verboten (und unter Strafe gestellt werden soll), ist damit nicht gesagt und kann nicht allgemeingültig gesagt werden, wie schon vorhin bemerkt; aber daß die Übertretung des unbedingten Verbotes (welches überhaupt übertreten werden kann) auch bestraft werden muß, ist in be- griffsnotwendiger Weise einzusehen, und ebenso daß nur die nachteilige Rechtsfolge eine Strafe ist, welche wegen der schuld- haften Übertretung als solcher verhängt wird, und nicht besonderen Zwecken zuliebe. Insofern ist das Strafgesetz ein kategorischer, d. h. unbedingter Imperativ und nicht eine Zweckmäßigkeits- vorschrift, d. h. ein durch einen Zweck bedingten Imperativ. Aber, das möchte ich beifügen: Eine unbedingte Forderung ist die Strafe, wenn die verbietende oder gebietende Norm als unbedingt zwin- gende Forderung anerkannt ist. Daß der Mörder bestraft werde, ist unbedingte Forderung, sobald feststeht, daß das Töten rechts-

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Zitationshilfe: Burckhardt, Walther: Die Organisation der Rechtsgemeinschaft. Basel, 1927, S. 299. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_rechtsgemeinschaft_1927/314>, abgerufen am 24.11.2024.