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Burckhardt, Walther: Die Organisation der Rechtsgemeinschaft. Basel, 1927.

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II. Teil. Die staatliche Verfassung.
strafbar ist, wohl aber die Beeinträchtigung der Vertragsfreiheit
(vgl. oben S. 25).

Was also zwangsweise verhindert oder erzwungen werden soll,
ist im Grundsatz verboten (oder geboten) und muß deshalb auch,
wo es trotzdem getan (oder unterlassen) wird, bestraft werden.
Die Strafe ist aber nicht nur die Folge der Übertretung des öffent-
lichen Rechts; sie ist die notwendige1 Folge davon, in dem doppelten
Sinn, daß, was unbedingt, zwingend befohlen wird (als öffentliches
Recht) und doch nicht erzwungen werden will oder kann, Strafe
nach sich ziehen muß, wenn es schuldhafterweise2 nicht befolgt wird.

Auf die Behauptung, daß die Strafe in jeder Rechtsordnung
die notwendige Folge der Übertretung öffentlich-rechtlicher Normen
sein muß, wird vielleicht die "moderne" Richtung der Strafrechts-
wissenschaft einwenden: Der Staat könne auf eine solche Ver-
letzung allerdings nicht untätig bleiben, aber er brauche nicht mit
Strafe zu reagieren; die Strafe könne durch eine andere Form
staatlicher Reaktion, wie sichernde Maßnahmen, Erziehungsein-
richtungen u. dgl. ersetzt werden; warum solche Waffen zur Be-
kämpfung des Verbrechertums nicht zulässig und begründet sein
sollten?

Allein das ist eine oberflächliche Einwendung: Die Frage, um
die es sich handelt, ist nicht vorerst, wie man "das Verbrechertum"
am wirksamsten bekämpfe; das wäre in der Tat eine Frage der
Zweckmäßigkeit und es soll keineswegs behauptet werden, die
von der modernen kriminalistischen Schule besonders befürworteten
Maßregeln seien dazu nicht geeignet. Die erste Frage ist vielmehr,
ob der Staat die strafbaren Handlungen verbieten, d. h. als rechts-
widrig hinstellen könne und wie er einen solchen Rechtssatz durch-
führen könne, wenn er die Übertretungen selbst nicht zwangsweise

1 Notwendig nämlich, sofern die Norm nicht unmittelbar erzwungen
werden kann; dann aber auch begrifflich notwendig, für jede Rechts-
ordnung, die Anspruch auf diesen Namen macht.
2 Daß nur die schuldhafte Übertretung des zwingenden Rechtssatzes
Strafe erfordert; daß nur sie mit eigentlicher Strafe belegt werden kann,
haben Hälschner, Gerichtssaal 1876, 410 ff., Binding, Normen, 2. A.,
II 234, und andere mit Recht hervorgehoben. Vgl. Bierling, a. a. O. 237 ff.
-- Nur die (schuldhafterweise) gewollte Verletzung braucht bestraft zu
werden, weil sich nur der Täter der Erzwingung des geschuldeten Ver-
haltens widersetzt oder entzogen hätte.

II. Teil. Die staatliche Verfassung.
strafbar ist, wohl aber die Beeinträchtigung der Vertragsfreiheit
(vgl. oben S. 25).

Was also zwangsweise verhindert oder erzwungen werden soll,
ist im Grundsatz verboten (oder geboten) und muß deshalb auch,
wo es trotzdem getan (oder unterlassen) wird, bestraft werden.
Die Strafe ist aber nicht nur die Folge der Übertretung des öffent-
lichen Rechts; sie ist die notwendige1 Folge davon, in dem doppelten
Sinn, daß, was unbedingt, zwingend befohlen wird (als öffentliches
Recht) und doch nicht erzwungen werden will oder kann, Strafe
nach sich ziehen muß, wenn es schuldhafterweise2 nicht befolgt wird.

Auf die Behauptung, daß die Strafe in jeder Rechtsordnung
die notwendige Folge der Übertretung öffentlich-rechtlicher Normen
sein muß, wird vielleicht die „moderne“ Richtung der Strafrechts-
wissenschaft einwenden: Der Staat könne auf eine solche Ver-
letzung allerdings nicht untätig bleiben, aber er brauche nicht mit
Strafe zu reagieren; die Strafe könne durch eine andere Form
staatlicher Reaktion, wie sichernde Maßnahmen, Erziehungsein-
richtungen u. dgl. ersetzt werden; warum solche Waffen zur Be-
kämpfung des Verbrechertums nicht zulässig und begründet sein
sollten?

Allein das ist eine oberflächliche Einwendung: Die Frage, um
die es sich handelt, ist nicht vorerst, wie man „das Verbrechertum“
am wirksamsten bekämpfe; das wäre in der Tat eine Frage der
Zweckmäßigkeit und es soll keineswegs behauptet werden, die
von der modernen kriminalistischen Schule besonders befürworteten
Maßregeln seien dazu nicht geeignet. Die erste Frage ist vielmehr,
ob der Staat die strafbaren Handlungen verbieten, d. h. als rechts-
widrig hinstellen könne und wie er einen solchen Rechtssatz durch-
führen könne, wenn er die Übertretungen selbst nicht zwangsweise

1 Notwendig nämlich, sofern die Norm nicht unmittelbar erzwungen
werden kann; dann aber auch begrifflich notwendig, für jede Rechts-
ordnung, die Anspruch auf diesen Namen macht.
2 Daß nur die schuldhafte Übertretung des zwingenden Rechtssatzes
Strafe erfordert; daß nur sie mit eigentlicher Strafe belegt werden kann,
haben Hälschner, Gerichtssaal 1876, 410 ff., Binding, Normen, 2. A.,
II 234, und andere mit Recht hervorgehoben. Vgl. Bierling, a. a. O. 237 ff.
— Nur die (schuldhafterweise) gewollte Verletzung braucht bestraft zu
werden, weil sich nur der Täter der Erzwingung des geschuldeten Ver-
haltens widersetzt oder entzogen hätte.
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[294/0309] II. Teil. Die staatliche Verfassung. strafbar ist, wohl aber die Beeinträchtigung der Vertragsfreiheit (vgl. oben S. 25). Was also zwangsweise verhindert oder erzwungen werden soll, ist im Grundsatz verboten (oder geboten) und muß deshalb auch, wo es trotzdem getan (oder unterlassen) wird, bestraft werden. Die Strafe ist aber nicht nur die Folge der Übertretung des öffent- lichen Rechts; sie ist die notwendige 1 Folge davon, in dem doppelten Sinn, daß, was unbedingt, zwingend befohlen wird (als öffentliches Recht) und doch nicht erzwungen werden will oder kann, Strafe nach sich ziehen muß, wenn es schuldhafterweise 2 nicht befolgt wird. Auf die Behauptung, daß die Strafe in jeder Rechtsordnung die notwendige Folge der Übertretung öffentlich-rechtlicher Normen sein muß, wird vielleicht die „moderne“ Richtung der Strafrechts- wissenschaft einwenden: Der Staat könne auf eine solche Ver- letzung allerdings nicht untätig bleiben, aber er brauche nicht mit Strafe zu reagieren; die Strafe könne durch eine andere Form staatlicher Reaktion, wie sichernde Maßnahmen, Erziehungsein- richtungen u. dgl. ersetzt werden; warum solche Waffen zur Be- kämpfung des Verbrechertums nicht zulässig und begründet sein sollten? Allein das ist eine oberflächliche Einwendung: Die Frage, um die es sich handelt, ist nicht vorerst, wie man „das Verbrechertum“ am wirksamsten bekämpfe; das wäre in der Tat eine Frage der Zweckmäßigkeit und es soll keineswegs behauptet werden, die von der modernen kriminalistischen Schule besonders befürworteten Maßregeln seien dazu nicht geeignet. Die erste Frage ist vielmehr, ob der Staat die strafbaren Handlungen verbieten, d. h. als rechts- widrig hinstellen könne und wie er einen solchen Rechtssatz durch- führen könne, wenn er die Übertretungen selbst nicht zwangsweise 1 Notwendig nämlich, sofern die Norm nicht unmittelbar erzwungen werden kann; dann aber auch begrifflich notwendig, für jede Rechts- ordnung, die Anspruch auf diesen Namen macht. 2 Daß nur die schuldhafte Übertretung des zwingenden Rechtssatzes Strafe erfordert; daß nur sie mit eigentlicher Strafe belegt werden kann, haben Hälschner, Gerichtssaal 1876, 410 ff., Binding, Normen, 2. A., II 234, und andere mit Recht hervorgehoben. Vgl. Bierling, a. a. O. 237 ff. — Nur die (schuldhafterweise) gewollte Verletzung braucht bestraft zu werden, weil sich nur der Täter der Erzwingung des geschuldeten Ver- haltens widersetzt oder entzogen hätte.

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Zitationshilfe: Burckhardt, Walther: Die Organisation der Rechtsgemeinschaft. Basel, 1927, S. 294. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_rechtsgemeinschaft_1927/309>, abgerufen am 22.11.2024.