Korrelat des Zwanges: was unbedingt, zwingend vorgeschrieben wird, muß auch unbedingt, von Amts wegen erzwungen werden, und wenn die Einhaltung der Vorschrift tatsächlich nicht er- zwungen werden kann, muß die Übertretung bestraft werden. Die Strafe ist die notwendige Folge der Übertretung öffentlich-recht- licher Normen.
Daß es die notwendige Folge ist, soll später noch begründet werden; vorerst aber sei betont, daß es die Folge der Über- tretung öffentlich-rechtlicher Normen ist.
Das scheint zunächst einleuchtend: die Verletzung privater Pflichten, die des privaten Interesses wegen aufgestellt worden sind, ist nicht strafbar, wohl aber die Verletzung öffentlich-rechtlicher Pflichten, die des öffentlichen Interesses wegen statuiert worden sind. Pflichten, die dem einen gegenüber dem anderen obliegen, über die dieser andere, als der Berechtigte, verfügen kann, privat- rechtliche Pflichten also, werden nicht von Amts wegen geltend gemacht und erzwungen, sondern nur auf Betreiben des Berechtig- ten; und wenn hier der Zwang (zufällig) versagt, z. B. wegen Ver- mögenslosigkeit des Schuldners, so wird der Schuldner nicht wegen Verletzung seiner (nicht erzwingbaren) Pflicht bestraft, sondern es hat bei diesem Fehlschlag sein Bewenden. Sowohl für gesetz- liche wie für rechtsgeschäftliche Pflichten gilt das; wenn z. B. der gesetzliche Erbe den Teil des Miterben nicht herausgibt, wenn der Miteigentümer seinen Unterhaltungsbeitrag oder der unvorsichtige Schädiger fremden Eigentums die Schadenersatzsumme nicht be- zahlt, macht er sich, im Falle der Uneinbringlichkeit ebensowenig strafbar wie die Vertragspartei, die ihre Schuld nicht bezahlt.
Allein hier stellt sich eine Schwierigkeit ein, die nicht uner- örtert bleiben darf:
Es ist durchaus begreiflich, daß, was das Gesetz unbedingt verbietet (oder gebietet), auch unbedingt, also von Rechts wegen, erzwungen werden muß, wo überall es möglich ist; und umgekehrt scheint klar zu sein, daß was nicht unbedingt, in zwingender Weise vorgeschrieben ist, sondern in den Willen eines berechtigten Pri- vaten gestellt ist, wie die subjektiven Privatrechte, nicht vom Amts wegen erzwungen werden kann, sondern nur auf Begehren des Berechtigten, so daß wir zum Ergebnis kämen: von Amts wegen erzwungen wird das zwingende, öffentliche Recht, nicht aber das
II. Teil. Die staatliche Verfassung.
Korrelat des Zwanges: was unbedingt, zwingend vorgeschrieben wird, muß auch unbedingt, von Amts wegen erzwungen werden, und wenn die Einhaltung der Vorschrift tatsächlich nicht er- zwungen werden kann, muß die Übertretung bestraft werden. Die Strafe ist die notwendige Folge der Übertretung öffentlich-recht- licher Normen.
Daß es die notwendige Folge ist, soll später noch begründet werden; vorerst aber sei betont, daß es die Folge der Über- tretung öffentlich-rechtlicher Normen ist.
Das scheint zunächst einleuchtend: die Verletzung privater Pflichten, die des privaten Interesses wegen aufgestellt worden sind, ist nicht strafbar, wohl aber die Verletzung öffentlich-rechtlicher Pflichten, die des öffentlichen Interesses wegen statuiert worden sind. Pflichten, die dem einen gegenüber dem anderen obliegen, über die dieser andere, als der Berechtigte, verfügen kann, privat- rechtliche Pflichten also, werden nicht von Amts wegen geltend gemacht und erzwungen, sondern nur auf Betreiben des Berechtig- ten; und wenn hier der Zwang (zufällig) versagt, z. B. wegen Ver- mögenslosigkeit des Schuldners, so wird der Schuldner nicht wegen Verletzung seiner (nicht erzwingbaren) Pflicht bestraft, sondern es hat bei diesem Fehlschlag sein Bewenden. Sowohl für gesetz- liche wie für rechtsgeschäftliche Pflichten gilt das; wenn z. B. der gesetzliche Erbe den Teil des Miterben nicht herausgibt, wenn der Miteigentümer seinen Unterhaltungsbeitrag oder der unvorsichtige Schädiger fremden Eigentums die Schadenersatzsumme nicht be- zahlt, macht er sich, im Falle der Uneinbringlichkeit ebensowenig strafbar wie die Vertragspartei, die ihre Schuld nicht bezahlt.
Allein hier stellt sich eine Schwierigkeit ein, die nicht uner- örtert bleiben darf:
Es ist durchaus begreiflich, daß, was das Gesetz unbedingt verbietet (oder gebietet), auch unbedingt, also von Rechts wegen, erzwungen werden muß, wo überall es möglich ist; und umgekehrt scheint klar zu sein, daß was nicht unbedingt, in zwingender Weise vorgeschrieben ist, sondern in den Willen eines berechtigten Pri- vaten gestellt ist, wie die subjektiven Privatrechte, nicht vom Amts wegen erzwungen werden kann, sondern nur auf Begehren des Berechtigten, so daß wir zum Ergebnis kämen: von Amts wegen erzwungen wird das zwingende, öffentliche Recht, nicht aber das
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[290/0305]
II. Teil. Die staatliche Verfassung.
Korrelat des Zwanges: was unbedingt, zwingend vorgeschrieben
wird, muß auch unbedingt, von Amts wegen erzwungen werden,
und wenn die Einhaltung der Vorschrift tatsächlich nicht er-
zwungen werden kann, muß die Übertretung bestraft werden. Die
Strafe ist die notwendige Folge der Übertretung öffentlich-recht-
licher Normen.
Daß es die notwendige Folge ist, soll später noch begründet
werden; vorerst aber sei betont, daß es die Folge der Über-
tretung öffentlich-rechtlicher Normen ist.
Das scheint zunächst einleuchtend: die Verletzung privater
Pflichten, die des privaten Interesses wegen aufgestellt worden sind,
ist nicht strafbar, wohl aber die Verletzung öffentlich-rechtlicher
Pflichten, die des öffentlichen Interesses wegen statuiert worden
sind. Pflichten, die dem einen gegenüber dem anderen obliegen,
über die dieser andere, als der Berechtigte, verfügen kann, privat-
rechtliche Pflichten also, werden nicht von Amts wegen geltend
gemacht und erzwungen, sondern nur auf Betreiben des Berechtig-
ten; und wenn hier der Zwang (zufällig) versagt, z. B. wegen Ver-
mögenslosigkeit des Schuldners, so wird der Schuldner nicht wegen
Verletzung seiner (nicht erzwingbaren) Pflicht bestraft, sondern
es hat bei diesem Fehlschlag sein Bewenden. Sowohl für gesetz-
liche wie für rechtsgeschäftliche Pflichten gilt das; wenn z. B. der
gesetzliche Erbe den Teil des Miterben nicht herausgibt, wenn der
Miteigentümer seinen Unterhaltungsbeitrag oder der unvorsichtige
Schädiger fremden Eigentums die Schadenersatzsumme nicht be-
zahlt, macht er sich, im Falle der Uneinbringlichkeit ebensowenig
strafbar wie die Vertragspartei, die ihre Schuld nicht bezahlt.
Allein hier stellt sich eine Schwierigkeit ein, die nicht uner-
örtert bleiben darf:
Es ist durchaus begreiflich, daß, was das Gesetz unbedingt
verbietet (oder gebietet), auch unbedingt, also von Rechts wegen,
erzwungen werden muß, wo überall es möglich ist; und umgekehrt
scheint klar zu sein, daß was nicht unbedingt, in zwingender Weise
vorgeschrieben ist, sondern in den Willen eines berechtigten Pri-
vaten gestellt ist, wie die subjektiven Privatrechte, nicht vom Amts
wegen erzwungen werden kann, sondern nur auf Begehren des
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Burckhardt, Walther: Die Organisation der Rechtsgemeinschaft. Basel, 1927, S. 290. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_rechtsgemeinschaft_1927/305>, abgerufen am 22.11.2024.
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