Burckhardt, Walther: Die Organisation der Rechtsgemeinschaft. Basel, 1927.Die Geltung des Rechts. Recht anzusehen sei; und ferner, wie sich die damit verbundeneVerbindlichkeit erkläre. Wir müssen in der Tat diese beiden Fragen auseinanderhalten, die nach dem Merkmal der Geltung, den (realen) Begriff der Geltung, und die Frage nach dem Grund der Geltung, die Rechtfertigung jener Geltung. Die obige Nominaldefinition des Geltens zeigt uns wohl die 1. Die erste Frage lautete: Was macht es aus, daß wir eine Wie schon oben erwähnt, leitet uns dabei nicht das Urteil 1 Auch Zitelmann, a. a. O. 450, hat sie richtig auseinandergehalten,
aber nicht richtig beantwortet; den Begriff der Geltung hat er nicht richtig bestimmt, weil er die Besonderheit der Geltung des Rechts im Gegensatz zur Geltung anderer ethischer Normen nicht erfaßt hat; den Grund der Geltung nicht, weil er ihn in einer psychologischen Erklärung sucht: "In- dem also ein Rechtssatz tatsächlich befolgt ist und die Wahrscheinlichkeit vorliegt, daß er auch weiterhin befolgt werde, eben weil man eine dauernde Motivationsquelle in Wirksamkeit sieht, verwandelt sich der Begriff des Tatsächlichen in den des Rechtlichen." Allein, daß etwas tatsächlich ge- schieht, erklärt niemals, weshalb es geschehen solle. Es ist immer derselbe Fehler. -- Auch Binder, a. a. O. 749 ff., führt die Unterscheidung nicht folgerichtig durch. Die Geltung des Rechts. Recht anzusehen sei; und ferner, wie sich die damit verbundeneVerbindlichkeit erkläre. Wir müssen in der Tat diese beiden Fragen auseinanderhalten, die nach dem Merkmal der Geltung, den (realen) Begriff der Geltung, und die Frage nach dem Grund der Geltung, die Rechtfertigung jener Geltung. Die obige Nominaldefinition des Geltens zeigt uns wohl die 1. Die erste Frage lautete: Was macht es aus, daß wir eine Wie schon oben erwähnt, leitet uns dabei nicht das Urteil 1 Auch Zitelmann, a. a. O. 450, hat sie richtig auseinandergehalten,
aber nicht richtig beantwortet; den Begriff der Geltung hat er nicht richtig bestimmt, weil er die Besonderheit der Geltung des Rechts im Gegensatz zur Geltung anderer ethischer Normen nicht erfaßt hat; den Grund der Geltung nicht, weil er ihn in einer psychologischen Erklärung sucht: „In- dem also ein Rechtssatz tatsächlich befolgt ist und die Wahrscheinlichkeit vorliegt, daß er auch weiterhin befolgt werde, eben weil man eine dauernde Motivationsquelle in Wirksamkeit sieht, verwandelt sich der Begriff des Tatsächlichen in den des Rechtlichen.“ Allein, daß etwas tatsächlich ge- schieht, erklärt niemals, weshalb es geschehen solle. Es ist immer derselbe Fehler. — Auch Binder, a. a. O. 749 ff., führt die Unterscheidung nicht folgerichtig durch. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0186" n="171"/><fw place="top" type="header">Die Geltung des Rechts.</fw><lb/> Recht anzusehen sei; und ferner, wie sich die damit verbundene<lb/> Verbindlichkeit erkläre. Wir müssen in der Tat diese beiden<lb/> Fragen auseinanderhalten, die nach dem Merkmal der Geltung,<lb/> den (realen) <hi rendition="#g">Begriff</hi> der Geltung, und die Frage nach dem <hi rendition="#g">Grund</hi><lb/> der Geltung, die Rechtfertigung jener Geltung.</p><lb/> <p>Die obige Nominaldefinition des Geltens zeigt uns wohl die<lb/> praktische Bedeutung des Begriffes an: die Bestimmung des zu<lb/> bestimmter Zeit und an bestimmtem Ort zu befolgenden Rechtes;<lb/> aber sie gibt uns keine Antwort darauf, woran denn dieses Recht<lb/> zu erkennen sei und wie sich die damit verbundene Verbindlich-<lb/> keit erkläre. Diese beiden Fragen müssen wir beantworten und<lb/> wir müssen sie, zu diesem Zweck, deutlich auseinanderhalten<note place="foot" n="1">Auch <hi rendition="#g">Zitelmann,</hi> a. a. O. 450, hat sie richtig auseinandergehalten,<lb/> aber nicht richtig beantwortet; den Begriff der Geltung hat er nicht richtig<lb/> bestimmt, weil er die Besonderheit der Geltung des Rechts im Gegensatz<lb/> zur Geltung anderer ethischer Normen nicht erfaßt hat; den Grund der<lb/> Geltung nicht, weil er ihn in einer psychologischen Erklärung sucht: „In-<lb/> dem also ein Rechtssatz tatsächlich befolgt ist und die Wahrscheinlichkeit<lb/> vorliegt, daß er auch weiterhin befolgt werde, eben weil man eine dauernde<lb/> Motivationsquelle in Wirksamkeit sieht, verwandelt sich der Begriff des<lb/> Tatsächlichen in den des Rechtlichen.“ Allein, daß etwas tatsächlich ge-<lb/> schieht, erklärt niemals, weshalb es geschehen solle. Es ist immer derselbe<lb/> Fehler. — Auch <hi rendition="#g">Binder,</hi> a. a. O. 749 ff., führt die Unterscheidung nicht<lb/> folgerichtig durch.</note>.</p><lb/> <p>1. Die <hi rendition="#b">erste Frage</hi> lautete: Was macht es aus, daß wir eine<lb/> Rechtsordnung als geltend und damit als <hi rendition="#g">die</hi> verbindliche Rechts-<lb/> ordnung bezeichnen? Woran erkennen wir das? Wie lautet die<lb/> Realdefinition der Geltung?</p><lb/> <p>Wie schon oben erwähnt, leitet uns dabei nicht das Urteil<lb/> über den Wert des Inhaltes der betreffenden Rechtsordnung.<lb/> Wir bezeichnen häufig eine Rechtsordnung oder eine Rechts-<lb/> einrichtung oder einen Rechtssatz als geltend, ohne sie damit als<lb/> richtig anzuerkennen; nicht nur das wirklich gerechte Recht, das<lb/> Recht, wie es sein sollte, gilt, sondern auch oft ungerechtes, man-<lb/> gelhaftes; von zwei Rechtssätzen oder Rechtsordnungen gilt nicht<lb/> die bessere, eo ipso, weil sie die bessere ist. Es <hi rendition="#g">sollte</hi> das gerechte<lb/> oder verhältnismäßig gerechtere (von zweien) gelten; wer von der<lb/> Ungerechtigkeit des geltenden Rechts überzeugt ist, wird auch<lb/> versuchen, ein gerechteres zur Geltung zu bringen. Aber, ob es<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [171/0186]
Die Geltung des Rechts.
Recht anzusehen sei; und ferner, wie sich die damit verbundene
Verbindlichkeit erkläre. Wir müssen in der Tat diese beiden
Fragen auseinanderhalten, die nach dem Merkmal der Geltung,
den (realen) Begriff der Geltung, und die Frage nach dem Grund
der Geltung, die Rechtfertigung jener Geltung.
Die obige Nominaldefinition des Geltens zeigt uns wohl die
praktische Bedeutung des Begriffes an: die Bestimmung des zu
bestimmter Zeit und an bestimmtem Ort zu befolgenden Rechtes;
aber sie gibt uns keine Antwort darauf, woran denn dieses Recht
zu erkennen sei und wie sich die damit verbundene Verbindlich-
keit erkläre. Diese beiden Fragen müssen wir beantworten und
wir müssen sie, zu diesem Zweck, deutlich auseinanderhalten 1.
1. Die erste Frage lautete: Was macht es aus, daß wir eine
Rechtsordnung als geltend und damit als die verbindliche Rechts-
ordnung bezeichnen? Woran erkennen wir das? Wie lautet die
Realdefinition der Geltung?
Wie schon oben erwähnt, leitet uns dabei nicht das Urteil
über den Wert des Inhaltes der betreffenden Rechtsordnung.
Wir bezeichnen häufig eine Rechtsordnung oder eine Rechts-
einrichtung oder einen Rechtssatz als geltend, ohne sie damit als
richtig anzuerkennen; nicht nur das wirklich gerechte Recht, das
Recht, wie es sein sollte, gilt, sondern auch oft ungerechtes, man-
gelhaftes; von zwei Rechtssätzen oder Rechtsordnungen gilt nicht
die bessere, eo ipso, weil sie die bessere ist. Es sollte das gerechte
oder verhältnismäßig gerechtere (von zweien) gelten; wer von der
Ungerechtigkeit des geltenden Rechts überzeugt ist, wird auch
versuchen, ein gerechteres zur Geltung zu bringen. Aber, ob es
1 Auch Zitelmann, a. a. O. 450, hat sie richtig auseinandergehalten,
aber nicht richtig beantwortet; den Begriff der Geltung hat er nicht richtig
bestimmt, weil er die Besonderheit der Geltung des Rechts im Gegensatz
zur Geltung anderer ethischer Normen nicht erfaßt hat; den Grund der
Geltung nicht, weil er ihn in einer psychologischen Erklärung sucht: „In-
dem also ein Rechtssatz tatsächlich befolgt ist und die Wahrscheinlichkeit
vorliegt, daß er auch weiterhin befolgt werde, eben weil man eine dauernde
Motivationsquelle in Wirksamkeit sieht, verwandelt sich der Begriff des
Tatsächlichen in den des Rechtlichen.“ Allein, daß etwas tatsächlich ge-
schieht, erklärt niemals, weshalb es geschehen solle. Es ist immer derselbe
Fehler. — Auch Binder, a. a. O. 749 ff., führt die Unterscheidung nicht
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