die staatlichen Funktionen nicht auseinandergerissen werden können, das andere Mal damit, daß das Verhältnis zweier gleich- geordneter Organisationen zueinander, jede mit einem Teil der staatlichen Funktionen ausgerüstet, sich nicht vorstellen lasse. Es sind zwei Seiten einer Frage; die materielle, der Einheit der Aufgabe entnommen, und die formelle, der Einheit der Zuständig- keitsordnung (zur Ausübung jener Aufgabe) entnommen.
Wie diese Teilung der Aufgabe und der dazu bestehenden Organisation mit der Einheit des Staates und der Rechtsordnung vereinbar ist, darin liegt in der Tat die Schwierigkeit. Erinnert man sich nämlich, daß die staatliche Organisation dazu berufen ist, die Rechtsidee in einer menschlichen Gemeinschaft zu verwirk- lichen, so ersieht man ohne Schwierigkeit, daß diese Aufgabe, wie sie selbst eine einheitliche ist, nur durch einen einheitlichen Orga- nismus ausgeübt werden kann; oder, konkreter gesprochen: nur von Menschen, die nach einem Plane diese Aufgabe besorgen. Denn so sicher die Rechtsordnung inhaltlich als eine Einheit auf- gefaßt werden muß, so sicher bedarf sie auch, um verwirklicht zu werden, einheitlicher Entscheidung.
Gäbe es aber in derselben Gemeinschaft für zwei verschiedene Reihen von staatlichen Aufgaben zwei gleichgeordnete höchste Organismen, eine gesamtstaatliche und eine gliedstaatliche, so wäre jene Einheit in zweifacher Weise gestört:
1. in positiver und materieller Beziehung. Die Rechtsordnung läßt sich niemals vorstellen als bestehend aus zwei voneinander- trennbaren Bestandteilen, deren jeder für sich und unabhängig vom anderen bestehen könnte. Schon wenn man sie als Bestand- teile eines größeren Ganzen (das bei der Teilung vorausgesetzt wird) bezeichnet, setzt man zugleich das Ganze, d. h. die Einheit, zu der jeder Teil gehört, zu der er beitragen muß; Bestandteile, das ist klar, gehören zusammen und müssen zusammen eine Ein- heit bilden. Sie müssen also auch so gebildet (bzw. weitergebildet) und angewendet werden, daß sie eine Einheit bleiben, nach ein- heitlichem Plane. Das wäre aber unmöglich, wenn sie zwei von- einander unabhängigen und keiner höheren dritten Instanz unter- geordneten Organisationen überantwortet würden, die, jede souverän, d. h. in unüberprüfbarer und unabänderlicher Weise darüber entscheiden würden. Der eine Teil der (materiellen) Rechts-
II. Teil. Die staatliche Verfassung.
die staatlichen Funktionen nicht auseinandergerissen werden können, das andere Mal damit, daß das Verhältnis zweier gleich- geordneter Organisationen zueinander, jede mit einem Teil der staatlichen Funktionen ausgerüstet, sich nicht vorstellen lasse. Es sind zwei Seiten einer Frage; die materielle, der Einheit der Aufgabe entnommen, und die formelle, der Einheit der Zuständig- keitsordnung (zur Ausübung jener Aufgabe) entnommen.
Wie diese Teilung der Aufgabe und der dazu bestehenden Organisation mit der Einheit des Staates und der Rechtsordnung vereinbar ist, darin liegt in der Tat die Schwierigkeit. Erinnert man sich nämlich, daß die staatliche Organisation dazu berufen ist, die Rechtsidee in einer menschlichen Gemeinschaft zu verwirk- lichen, so ersieht man ohne Schwierigkeit, daß diese Aufgabe, wie sie selbst eine einheitliche ist, nur durch einen einheitlichen Orga- nismus ausgeübt werden kann; oder, konkreter gesprochen: nur von Menschen, die nach einem Plane diese Aufgabe besorgen. Denn so sicher die Rechtsordnung inhaltlich als eine Einheit auf- gefaßt werden muß, so sicher bedarf sie auch, um verwirklicht zu werden, einheitlicher Entscheidung.
Gäbe es aber in derselben Gemeinschaft für zwei verschiedene Reihen von staatlichen Aufgaben zwei gleichgeordnete höchste Organismen, eine gesamtstaatliche und eine gliedstaatliche, so wäre jene Einheit in zweifacher Weise gestört:
1. in positiver und materieller Beziehung. Die Rechtsordnung läßt sich niemals vorstellen als bestehend aus zwei voneinander- trennbaren Bestandteilen, deren jeder für sich und unabhängig vom anderen bestehen könnte. Schon wenn man sie als Bestand- teile eines größeren Ganzen (das bei der Teilung vorausgesetzt wird) bezeichnet, setzt man zugleich das Ganze, d. h. die Einheit, zu der jeder Teil gehört, zu der er beitragen muß; Bestandteile, das ist klar, gehören zusammen und müssen zusammen eine Ein- heit bilden. Sie müssen also auch so gebildet (bzw. weitergebildet) und angewendet werden, daß sie eine Einheit bleiben, nach ein- heitlichem Plane. Das wäre aber unmöglich, wenn sie zwei von- einander unabhängigen und keiner höheren dritten Instanz unter- geordneten Organisationen überantwortet würden, die, jede souverän, d. h. in unüberprüfbarer und unabänderlicher Weise darüber entscheiden würden. Der eine Teil der (materiellen) Rechts-
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II. Teil. Die staatliche Verfassung.
die staatlichen Funktionen nicht auseinandergerissen werden
können, das andere Mal damit, daß das Verhältnis zweier gleich-
geordneter Organisationen zueinander, jede mit einem Teil der
staatlichen Funktionen ausgerüstet, sich nicht vorstellen lasse.
Es sind zwei Seiten einer Frage; die materielle, der Einheit der
Aufgabe entnommen, und die formelle, der Einheit der Zuständig-
keitsordnung (zur Ausübung jener Aufgabe) entnommen.
Wie diese Teilung der Aufgabe und der dazu bestehenden
Organisation mit der Einheit des Staates und der Rechtsordnung
vereinbar ist, darin liegt in der Tat die Schwierigkeit. Erinnert
man sich nämlich, daß die staatliche Organisation dazu berufen ist,
die Rechtsidee in einer menschlichen Gemeinschaft zu verwirk-
lichen, so ersieht man ohne Schwierigkeit, daß diese Aufgabe, wie
sie selbst eine einheitliche ist, nur durch einen einheitlichen Orga-
nismus ausgeübt werden kann; oder, konkreter gesprochen: nur
von Menschen, die nach einem Plane diese Aufgabe besorgen.
Denn so sicher die Rechtsordnung inhaltlich als eine Einheit auf-
gefaßt werden muß, so sicher bedarf sie auch, um verwirklicht zu
werden, einheitlicher Entscheidung.
Gäbe es aber in derselben Gemeinschaft für zwei verschiedene
Reihen von staatlichen Aufgaben zwei gleichgeordnete höchste
Organismen, eine gesamtstaatliche und eine gliedstaatliche, so
wäre jene Einheit in zweifacher Weise gestört:
1. in positiver und materieller Beziehung. Die Rechtsordnung
läßt sich niemals vorstellen als bestehend aus zwei voneinander-
trennbaren Bestandteilen, deren jeder für sich und unabhängig
vom anderen bestehen könnte. Schon wenn man sie als Bestand-
teile eines größeren Ganzen (das bei der Teilung vorausgesetzt
wird) bezeichnet, setzt man zugleich das Ganze, d. h. die Einheit,
zu der jeder Teil gehört, zu der er beitragen muß; Bestandteile,
das ist klar, gehören zusammen und müssen zusammen eine Ein-
heit bilden. Sie müssen also auch so gebildet (bzw. weitergebildet)
und angewendet werden, daß sie eine Einheit bleiben, nach ein-
heitlichem Plane. Das wäre aber unmöglich, wenn sie zwei von-
einander unabhängigen und keiner höheren dritten Instanz unter-
geordneten Organisationen überantwortet würden, die, jede
souverän, d. h. in unüberprüfbarer und unabänderlicher Weise
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Burckhardt, Walther: Die Organisation der Rechtsgemeinschaft. Basel, 1927, S. 156. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_rechtsgemeinschaft_1927/171>, abgerufen am 05.05.2024.
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