Burckhardt, Walther: Die Organisation der Rechtsgemeinschaft. Basel, 1927.Die Organisation im Rechtssinne. spruchsvoll ist, die naturwissenschaftliche Erklärung wahrnehm-barer Vorgänge, auch wenn sie auf ein bestimmtes, vom Forscher als Zweck gedachtes Ergebnis bezogen werden, anders als nach kausalgesetzlicher Methode durchzuführen, ebenso folgewidrig ist es, auf dem Gebiet des Ethischen, zu dem das Recht gehört, eine Einrichtung anders als durch praktisch-vernünftige Erwägungen erklären zu wollen. Wie zur Erzeugung der natürlichen Vor- gänge des Lebens (oder der dem Leben entsprechenden natür- lichen Vorgänge) natürliche Vorgänge in kausalgesetzlicher Ver- bindung tatsächlich zusammenwirken und der Organismus eben in diesem Mechanismus besteht, so sollen bei einer als Organismus bezeichneten Einrichtung des sozialen Lebens verschiedene ver- nünftige Einzelpersonen nach bestimmten Regeln ethischer Art zusammenwirken, um einen bestimmten Endzweck zu verwirk- lichen; z. B. die Angehörigen einer Gemeinde nach dem Gemeinde- gesetz, um die Gemeindeanstalten zu verwalten, die Mitglieder eines Kunstvereins nach dem Statut, um die Kunst zu fördern. Wie dort die tatsächliche Verbindung der Bedingungen notwendig ist, um das Endergebnis herbeizuführen, so müssen hier ver- nunftnotwendig, d. h. es sollen die Angehörigen eines "Organismus" zusammenwirkend sich verbinden, damit das vorgezeichnete Er- gebnis bewirkt werde. Dort ist das Zusammenwirken ein tatsäch- liches, kausales, als naturnotwendige Bedingung einer Wirkung erkanntes, hier ein gesolltes, gefordertes, zur Erreichung des Zieles vernunftnotwendig zu wollendes. Dort ist der Organismus erklärt, wenn man auf Grund der bekannten Naturgesetze ein- sieht, wie bestimmte Bedingungen zusammentreffen müssen, um eine bestimmte Wirkung hervorzubringen, und sie auch not- wendig hervorzubringen; hier ist er erklärt, wenn man auf Grund einer ethischen Ordnung (die stets vorausgesetzt wird) einsieht, daß und wie bestimmte Personen handeln müssen, damit sie zu dem vorgeschrieben Ziele mitwirken. Einen solchen Organismus der ethischen Ordnung bildet, sicht über die organischen Theorien der Soziologie gibt Barth, Die Philo-
sophie der Geschichte als Soziologie, 3. A. (1922); eine solche der organischen Staatstheorien van Krieken, Über die sog. organische Staatstheorie (1875), und Jellinek, Allgemeine Staatslehre 148 ff. Die Organisation im Rechtssinne. spruchsvoll ist, die naturwissenschaftliche Erklärung wahrnehm-barer Vorgänge, auch wenn sie auf ein bestimmtes, vom Forscher als Zweck gedachtes Ergebnis bezogen werden, anders als nach kausalgesetzlicher Methode durchzuführen, ebenso folgewidrig ist es, auf dem Gebiet des Ethischen, zu dem das Recht gehört, eine Einrichtung anders als durch praktisch-vernünftige Erwägungen erklären zu wollen. Wie zur Erzeugung der natürlichen Vor- gänge des Lebens (oder der dem Leben entsprechenden natür- lichen Vorgänge) natürliche Vorgänge in kausalgesetzlicher Ver- bindung tatsächlich zusammenwirken und der Organismus eben in diesem Mechanismus besteht, so sollen bei einer als Organismus bezeichneten Einrichtung des sozialen Lebens verschiedene ver- nünftige Einzelpersonen nach bestimmten Regeln ethischer Art zusammenwirken, um einen bestimmten Endzweck zu verwirk- lichen; z. B. die Angehörigen einer Gemeinde nach dem Gemeinde- gesetz, um die Gemeindeanstalten zu verwalten, die Mitglieder eines Kunstvereins nach dem Statut, um die Kunst zu fördern. Wie dort die tatsächliche Verbindung der Bedingungen notwendig ist, um das Endergebnis herbeizuführen, so müssen hier ver- nunftnotwendig, d. h. es sollen die Angehörigen eines „Organismus“ zusammenwirkend sich verbinden, damit das vorgezeichnete Er- gebnis bewirkt werde. Dort ist das Zusammenwirken ein tatsäch- liches, kausales, als naturnotwendige Bedingung einer Wirkung erkanntes, hier ein gesolltes, gefordertes, zur Erreichung des Zieles vernunftnotwendig zu wollendes. Dort ist der Organismus erklärt, wenn man auf Grund der bekannten Naturgesetze ein- sieht, wie bestimmte Bedingungen zusammentreffen müssen, um eine bestimmte Wirkung hervorzubringen, und sie auch not- wendig hervorzubringen; hier ist er erklärt, wenn man auf Grund einer ethischen Ordnung (die stets vorausgesetzt wird) einsieht, daß und wie bestimmte Personen handeln müssen, damit sie zu dem vorgeschrieben Ziele mitwirken. Einen solchen Organismus der ethischen Ordnung bildet, sicht über die organischen Theorien der Soziologie gibt Barth, Die Philo-
sophie der Geschichte als Soziologie, 3. A. (1922); eine solche der organischen Staatstheorien van Krieken, Über die sog. organische Staatstheorie (1875), und Jellinek, Allgemeine Staatslehre 148 ff. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0136" n="121"/><fw place="top" type="header">Die Organisation im Rechtssinne.</fw><lb/> spruchsvoll ist, die naturwissenschaftliche Erklärung wahrnehm-<lb/> barer Vorgänge, auch wenn sie auf ein bestimmtes, vom Forscher<lb/> als Zweck gedachtes Ergebnis bezogen werden, anders als nach<lb/> kausalgesetzlicher Methode durchzuführen, ebenso folgewidrig ist<lb/> es, auf dem Gebiet des Ethischen, zu dem das Recht gehört, eine<lb/> Einrichtung anders als durch praktisch-vernünftige Erwägungen<lb/> erklären zu wollen. Wie zur Erzeugung der natürlichen Vor-<lb/> gänge des Lebens (oder der dem Leben entsprechenden natür-<lb/> lichen Vorgänge) natürliche Vorgänge in kausalgesetzlicher Ver-<lb/> bindung tatsächlich zusammenwirken und der Organismus eben<lb/> in diesem Mechanismus besteht, so <hi rendition="#g">sollen</hi> bei einer als Organismus<lb/> bezeichneten Einrichtung des sozialen Lebens verschiedene ver-<lb/> nünftige Einzelpersonen nach bestimmten Regeln ethischer Art<lb/> zusammenwirken, um einen bestimmten Endzweck zu verwirk-<lb/> lichen; z. B. die Angehörigen einer Gemeinde nach dem Gemeinde-<lb/> gesetz, um die Gemeindeanstalten zu verwalten, die Mitglieder<lb/> eines Kunstvereins nach dem Statut, um die Kunst zu fördern.<lb/> Wie dort die tatsächliche Verbindung der Bedingungen notwendig<lb/> ist, um das Endergebnis herbeizuführen, so müssen hier ver-<lb/> nunftnotwendig, d. h. es sollen die Angehörigen eines „Organismus“<lb/> zusammenwirkend sich verbinden, damit das vorgezeichnete Er-<lb/> gebnis bewirkt werde. Dort ist das Zusammenwirken ein tatsäch-<lb/> liches, kausales, als naturnotwendige Bedingung einer Wirkung<lb/> erkanntes, hier ein gesolltes, gefordertes, zur Erreichung des<lb/> Zieles vernunftnotwendig zu wollendes. Dort ist der Organismus<lb/> erklärt, wenn man auf Grund der bekannten Naturgesetze ein-<lb/> sieht, wie bestimmte Bedingungen zusammentreffen müssen, um<lb/> eine bestimmte Wirkung hervorzubringen, und sie auch not-<lb/> wendig hervorzubringen; hier ist er erklärt, wenn man auf Grund<lb/> einer ethischen Ordnung (die stets vorausgesetzt wird) einsieht,<lb/> daß und wie bestimmte Personen handeln müssen, damit sie zu<lb/> dem vorgeschrieben Ziele mitwirken.</p><lb/> <p>Einen solchen Organismus der ethischen Ordnung bildet,<lb/> auch der Staat, die staatliche Gemeinschaft. Der Staat wie<lb/><note xml:id="seg2pn_18_2" prev="#seg2pn_18_1" place="foot" n="2">sicht über die organischen Theorien der Soziologie gibt <hi rendition="#g">Barth,</hi> Die Philo-<lb/> sophie der Geschichte als Soziologie, 3. A. (1922); eine solche der organischen<lb/> Staatstheorien <hi rendition="#g">van Krieken,</hi> Über die sog. organische Staatstheorie (1875),<lb/> und <hi rendition="#g">Jellinek,</hi> Allgemeine Staatslehre 148 ff.</note><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [121/0136]
Die Organisation im Rechtssinne.
spruchsvoll ist, die naturwissenschaftliche Erklärung wahrnehm-
barer Vorgänge, auch wenn sie auf ein bestimmtes, vom Forscher
als Zweck gedachtes Ergebnis bezogen werden, anders als nach
kausalgesetzlicher Methode durchzuführen, ebenso folgewidrig ist
es, auf dem Gebiet des Ethischen, zu dem das Recht gehört, eine
Einrichtung anders als durch praktisch-vernünftige Erwägungen
erklären zu wollen. Wie zur Erzeugung der natürlichen Vor-
gänge des Lebens (oder der dem Leben entsprechenden natür-
lichen Vorgänge) natürliche Vorgänge in kausalgesetzlicher Ver-
bindung tatsächlich zusammenwirken und der Organismus eben
in diesem Mechanismus besteht, so sollen bei einer als Organismus
bezeichneten Einrichtung des sozialen Lebens verschiedene ver-
nünftige Einzelpersonen nach bestimmten Regeln ethischer Art
zusammenwirken, um einen bestimmten Endzweck zu verwirk-
lichen; z. B. die Angehörigen einer Gemeinde nach dem Gemeinde-
gesetz, um die Gemeindeanstalten zu verwalten, die Mitglieder
eines Kunstvereins nach dem Statut, um die Kunst zu fördern.
Wie dort die tatsächliche Verbindung der Bedingungen notwendig
ist, um das Endergebnis herbeizuführen, so müssen hier ver-
nunftnotwendig, d. h. es sollen die Angehörigen eines „Organismus“
zusammenwirkend sich verbinden, damit das vorgezeichnete Er-
gebnis bewirkt werde. Dort ist das Zusammenwirken ein tatsäch-
liches, kausales, als naturnotwendige Bedingung einer Wirkung
erkanntes, hier ein gesolltes, gefordertes, zur Erreichung des
Zieles vernunftnotwendig zu wollendes. Dort ist der Organismus
erklärt, wenn man auf Grund der bekannten Naturgesetze ein-
sieht, wie bestimmte Bedingungen zusammentreffen müssen, um
eine bestimmte Wirkung hervorzubringen, und sie auch not-
wendig hervorzubringen; hier ist er erklärt, wenn man auf Grund
einer ethischen Ordnung (die stets vorausgesetzt wird) einsieht,
daß und wie bestimmte Personen handeln müssen, damit sie zu
dem vorgeschrieben Ziele mitwirken.
Einen solchen Organismus der ethischen Ordnung bildet,
auch der Staat, die staatliche Gemeinschaft. Der Staat wie
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2 sicht über die organischen Theorien der Soziologie gibt Barth, Die Philo-
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