Privatrechts eine Lücke (vgl. unten S. 107). Die Ordnung auf neuer Grundlage kann unter Umständen darin bestehen, daß das Rechts- verhältnis ganz oder zum Teil aufgehoben wird, daß aber die dadurch geschädigte Partei, z. B. die Vertragspartei, die vorge- leistet hat, von der anderen entschädigt wird; der ungültig ge- wordene Dienstvertrag oder die Konkurrenzklausel werden auf- gehoben, aber der Dienstpflichtige, der die volle Gegenleistung empfangen hat, soll einen Teil davon dem Dienstherrn zurück- erstatten; der Waldeigentümer kann die Ablösung des schädlichen Weidganges verlangen, aber er soll den Berechtigten in Geld entschädigen.
Ein solcher Ausgleich unter den Beteiligten ist mitunter möglich, aber nicht immer. Die Begünstigten sind nicht immer zu ermitteln oder können nicht immer zu Gegenleistungen heran- gezogen werden; z. B. wenn ein Bannrecht, eine Gerechtsame, ein Privileg aufgehoben oder das Eigentumsrecht an Grund und Boden zugunsten der Allgemeinheit eingeschränkt wird. Namentlich aber auch, wenn diese Begünstigten gerade begünstigt werden wollen, z. B. die befreiten Leibeigenen oder die mit Grundlasten beschwerten Grundeigentümer, dann kann ihnen nicht die Pflicht auferlegt werden, die Einbuße des Berechtigten, oder doch die ganze Einbuße auszugleichen. Diese Entlastung des einen Teils des Rechtsverhältnisses erscheint vielleicht als notwendig, ver- nünftig, gerecht. Aber die Belastung des anderen Teils ist damit nicht immer gerechtfertigt: daß die Grundlasten, Zehnten, Lehns- rechte, Bannrechte einmal aufgehoben würden, war vielleicht notwendig, und die Begünstigten konnten vielleicht nicht zur Entschädigung der betroffenen Inhaber dieser Rechte angehalten werden. Aber, daß es gerecht war, diesen letzteren den Schaden aufzuerlegen, ist damit nicht gesagt.
Es kommt hier eine andere Erwägung in Betracht: das Ver- hältnis der Inhaber dieser Rechte zu den Inhabern anderer Rechte. Privatrechte haben ja für die Berechtigten nicht nur den Zweck ihrer spezifischen Ausübung; sie sind auch Mittel für die Er- werbung anderer Rechte und zur Verfolgung anderer Zwecke, und als Mittel zum Erwerb von anderen Vermögensrechten sind sie trotz ihrer spezifischen Verschiedenheit gleicher Art unter- einander. Dem Zehntberechtigten ist sein Recht eine Kapital-
Burckhardt, Organisation. 7
Die wohlerworbenen Rechte.
Privatrechts eine Lücke (vgl. unten S. 107). Die Ordnung auf neuer Grundlage kann unter Umständen darin bestehen, daß das Rechts- verhältnis ganz oder zum Teil aufgehoben wird, daß aber die dadurch geschädigte Partei, z. B. die Vertragspartei, die vorge- leistet hat, von der anderen entschädigt wird; der ungültig ge- wordene Dienstvertrag oder die Konkurrenzklausel werden auf- gehoben, aber der Dienstpflichtige, der die volle Gegenleistung empfangen hat, soll einen Teil davon dem Dienstherrn zurück- erstatten; der Waldeigentümer kann die Ablösung des schädlichen Weidganges verlangen, aber er soll den Berechtigten in Geld entschädigen.
Ein solcher Ausgleich unter den Beteiligten ist mitunter möglich, aber nicht immer. Die Begünstigten sind nicht immer zu ermitteln oder können nicht immer zu Gegenleistungen heran- gezogen werden; z. B. wenn ein Bannrecht, eine Gerechtsame, ein Privileg aufgehoben oder das Eigentumsrecht an Grund und Boden zugunsten der Allgemeinheit eingeschränkt wird. Namentlich aber auch, wenn diese Begünstigten gerade begünstigt werden wollen, z. B. die befreiten Leibeigenen oder die mit Grundlasten beschwerten Grundeigentümer, dann kann ihnen nicht die Pflicht auferlegt werden, die Einbuße des Berechtigten, oder doch die ganze Einbuße auszugleichen. Diese Entlastung des einen Teils des Rechtsverhältnisses erscheint vielleicht als notwendig, ver- nünftig, gerecht. Aber die Belastung des anderen Teils ist damit nicht immer gerechtfertigt: daß die Grundlasten, Zehnten, Lehns- rechte, Bannrechte einmal aufgehoben würden, war vielleicht notwendig, und die Begünstigten konnten vielleicht nicht zur Entschädigung der betroffenen Inhaber dieser Rechte angehalten werden. Aber, daß es gerecht war, diesen letzteren den Schaden aufzuerlegen, ist damit nicht gesagt.
Es kommt hier eine andere Erwägung in Betracht: das Ver- hältnis der Inhaber dieser Rechte zu den Inhabern anderer Rechte. Privatrechte haben ja für die Berechtigten nicht nur den Zweck ihrer spezifischen Ausübung; sie sind auch Mittel für die Er- werbung anderer Rechte und zur Verfolgung anderer Zwecke, und als Mittel zum Erwerb von anderen Vermögensrechten sind sie trotz ihrer spezifischen Verschiedenheit gleicher Art unter- einander. Dem Zehntberechtigten ist sein Recht eine Kapital-
Burckhardt, Organisation. 7
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Die wohlerworbenen Rechte.
Privatrechts eine Lücke (vgl. unten S. 107). Die Ordnung auf neuer
Grundlage kann unter Umständen darin bestehen, daß das Rechts-
verhältnis ganz oder zum Teil aufgehoben wird, daß aber die
dadurch geschädigte Partei, z. B. die Vertragspartei, die vorge-
leistet hat, von der anderen entschädigt wird; der ungültig ge-
wordene Dienstvertrag oder die Konkurrenzklausel werden auf-
gehoben, aber der Dienstpflichtige, der die volle Gegenleistung
empfangen hat, soll einen Teil davon dem Dienstherrn zurück-
erstatten; der Waldeigentümer kann die Ablösung des schädlichen
Weidganges verlangen, aber er soll den Berechtigten in Geld
entschädigen.
Ein solcher Ausgleich unter den Beteiligten ist mitunter
möglich, aber nicht immer. Die Begünstigten sind nicht immer
zu ermitteln oder können nicht immer zu Gegenleistungen heran-
gezogen werden; z. B. wenn ein Bannrecht, eine Gerechtsame, ein
Privileg aufgehoben oder das Eigentumsrecht an Grund und Boden
zugunsten der Allgemeinheit eingeschränkt wird. Namentlich
aber auch, wenn diese Begünstigten gerade begünstigt werden
wollen, z. B. die befreiten Leibeigenen oder die mit Grundlasten
beschwerten Grundeigentümer, dann kann ihnen nicht die Pflicht
auferlegt werden, die Einbuße des Berechtigten, oder doch die
ganze Einbuße auszugleichen. Diese Entlastung des einen Teils
des Rechtsverhältnisses erscheint vielleicht als notwendig, ver-
nünftig, gerecht. Aber die Belastung des anderen Teils ist damit
nicht immer gerechtfertigt: daß die Grundlasten, Zehnten, Lehns-
rechte, Bannrechte einmal aufgehoben würden, war vielleicht
notwendig, und die Begünstigten konnten vielleicht nicht zur
Entschädigung der betroffenen Inhaber dieser Rechte angehalten
werden. Aber, daß es gerecht war, diesen letzteren den Schaden
aufzuerlegen, ist damit nicht gesagt.
Es kommt hier eine andere Erwägung in Betracht: das Ver-
hältnis der Inhaber dieser Rechte zu den Inhabern anderer Rechte.
Privatrechte haben ja für die Berechtigten nicht nur den Zweck
ihrer spezifischen Ausübung; sie sind auch Mittel für die Er-
werbung anderer Rechte und zur Verfolgung anderer Zwecke,
und als Mittel zum Erwerb von anderen Vermögensrechten sind
sie trotz ihrer spezifischen Verschiedenheit gleicher Art unter-
einander. Dem Zehntberechtigten ist sein Recht eine Kapital-
Burckhardt, Organisation. 7
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Burckhardt, Walther: Die Organisation der Rechtsgemeinschaft. Basel, 1927, S. 97. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_rechtsgemeinschaft_1927/112>, abgerufen am 22.11.2024.
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