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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855.

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Malerei des XVI. Jahrhunderts. Venedig.
a-- In den Uffizien: Erzbischof Beccadelli von Ragusa (1550); -- der
Bildhauer, auf eine Büste gelehnt (etwa von Morone??); -- der Herzog
von Urbino, im Harnisch, vor einer rothen Plüschdraperie stehend;
-- die ehemals schöne, alternde Herzogin im Lehnstuhl; -- ein Ge-
harnischter im Profil, noch in der Art des Giorgione; -- Caterina Cor-
naro als heil. Catharina, mehr ideal und wie aus der Erinnerung ge-
bmalt als das Bild des Pal. Manfrin. -- In Rom: bei Camuccini: der
Admiral; -- und das wunderbare, frühe, an Giorgione erinnernde
Porträt eines Mannes mit feinem Bart und strengen Zügen. -- Im Pal.
cCorsini: Halbfigur Philipps II, das beste unter dessen Bildnissen. --
dIm Pal. Colonna: Onuphrius Panvinius; -- (ebenda von einem andern
Venezianer, angebl. Girolamo da Treviso: das schöne Bild eines Me-
edailleurs oder Münzsammlers). -- Im Museum von Neapel: Paul III
(wovon eine verkleinerte, wahrscheinlich eigenhändige Wiederholung
bei Camuccini in Rom); -- ausserdem mehrere im Dunkel hängende
und zweifelhafte Bilder; die beiden Carl's V scheinen Copien zu sein.

Es folgen nun einige Bilder, bei welchen man stets im Zweifel
sein wird, wie weit sie als Porträts, wie weit aus reinem künstleri-
schem Antriebe gemalt sind, und ob man mehr eine bestimmte Schön-
heit, oder ein zum Bilde gewordenes Problem der Schönheit vor sich
fhat. -- Scheinbar dem Porträt noch am nächsten: la Bella im Pal.
Pitti; die Kleidung (blau, violett, gold, weiss) wahrscheinlich vom
Maler gewählt, mit dem lieblich üppigen Charakter des Kopfes ge-
heimnissvoll zusammenstimmend. -- Dann der erhabenste weibliche
gTypus den Tizian hervorgebracht hat: la Bella im Pal. Sciarra zu
Rom (die Kleidung weiss, blau und roth; trotz der mehr schwärzlichen
Schatten in der Carnation unzweifelhaft von T.; unten links die Chiffre
hTAMBEND); -- und die Flora in den Uffizien, mit der Linken das
Damastgewand heraufziehend, mit der Rechten Röslein darbietend.
Welches auch die Schönheit des Weibes gewesen sein möge, das die
Anregung zu diesen beiden Bildern gab, jedenfalls hat erst Tizian sie
auf diejenige Höhe gehoben, welche dieses Haupt gewissermassen als
Gegenstück des venezianischen Christuskopfes erscheinen lässt. -- (Die
isog. Schiava im Pal. Barberini zu Rom ist wohl nur das Werk eines
Nachstrebenden.) -- Vielleicht ist auch das schöne Bild von drei
kHalbfiguren, welches im Pal. Manfrin Giorgione heisst, eher von

Malerei des XVI. Jahrhunderts. Venedig.
a— In den Uffizien: Erzbischof Beccadelli von Ragusa (1550); — der
Bildhauer, auf eine Büste gelehnt (etwa von Morone??); — der Herzog
von Urbino, im Harnisch, vor einer rothen Plüschdraperie stehend;
— die ehemals schöne, alternde Herzogin im Lehnstuhl; — ein Ge-
harnischter im Profil, noch in der Art des Giorgione; — Caterina Cor-
naro als heil. Catharina, mehr ideal und wie aus der Erinnerung ge-
bmalt als das Bild des Pal. Manfrin. — In Rom: bei Camuccini: der
Admiral; — und das wunderbare, frühe, an Giorgione erinnernde
Porträt eines Mannes mit feinem Bart und strengen Zügen. — Im Pal.
cCorsini: Halbfigur Philipps II, das beste unter dessen Bildnissen. —
dIm Pal. Colonna: Onuphrius Panvinius; — (ebenda von einem andern
Venezianer, angebl. Girolamo da Treviso: das schöne Bild eines Me-
edailleurs oder Münzsammlers). — Im Museum von Neapel: Paul III
(wovon eine verkleinerte, wahrscheinlich eigenhändige Wiederholung
bei Camuccini in Rom); — ausserdem mehrere im Dunkel hängende
und zweifelhafte Bilder; die beiden Carl’s V scheinen Copien zu sein.

Es folgen nun einige Bilder, bei welchen man stets im Zweifel
sein wird, wie weit sie als Porträts, wie weit aus reinem künstleri-
schem Antriebe gemalt sind, und ob man mehr eine bestimmte Schön-
heit, oder ein zum Bilde gewordenes Problem der Schönheit vor sich
fhat. — Scheinbar dem Porträt noch am nächsten: la Bella im Pal.
Pitti; die Kleidung (blau, violett, gold, weiss) wahrscheinlich vom
Maler gewählt, mit dem lieblich üppigen Charakter des Kopfes ge-
heimnissvoll zusammenstimmend. — Dann der erhabenste weibliche
gTypus den Tizian hervorgebracht hat: la Bella im Pal. Sciarra zu
Rom (die Kleidung weiss, blau und roth; trotz der mehr schwärzlichen
Schatten in der Carnation unzweifelhaft von T.; unten links die Chiffre
hTAMBEND); — und die Flora in den Uffizien, mit der Linken das
Damastgewand heraufziehend, mit der Rechten Röslein darbietend.
Welches auch die Schönheit des Weibes gewesen sein möge, das die
Anregung zu diesen beiden Bildern gab, jedenfalls hat erst Tizian sie
auf diejenige Höhe gehoben, welche dieses Haupt gewissermassen als
Gegenstück des venezianischen Christuskopfes erscheinen lässt. — (Die
isog. Schiava im Pal. Barberini zu Rom ist wohl nur das Werk eines
Nachstrebenden.) — Vielleicht ist auch das schöne Bild von drei
kHalbfiguren, welches im Pal. Manfrin Giorgione heisst, eher von

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[968/0990] Malerei des XVI. Jahrhunderts. Venedig. — In den Uffizien: Erzbischof Beccadelli von Ragusa (1550); — der Bildhauer, auf eine Büste gelehnt (etwa von Morone??); — der Herzog von Urbino, im Harnisch, vor einer rothen Plüschdraperie stehend; — die ehemals schöne, alternde Herzogin im Lehnstuhl; — ein Ge- harnischter im Profil, noch in der Art des Giorgione; — Caterina Cor- naro als heil. Catharina, mehr ideal und wie aus der Erinnerung ge- malt als das Bild des Pal. Manfrin. — In Rom: bei Camuccini: der Admiral; — und das wunderbare, frühe, an Giorgione erinnernde Porträt eines Mannes mit feinem Bart und strengen Zügen. — Im Pal. Corsini: Halbfigur Philipps II, das beste unter dessen Bildnissen. — Im Pal. Colonna: Onuphrius Panvinius; — (ebenda von einem andern Venezianer, angebl. Girolamo da Treviso: das schöne Bild eines Me- dailleurs oder Münzsammlers). — Im Museum von Neapel: Paul III (wovon eine verkleinerte, wahrscheinlich eigenhändige Wiederholung bei Camuccini in Rom); — ausserdem mehrere im Dunkel hängende und zweifelhafte Bilder; die beiden Carl’s V scheinen Copien zu sein. a b c d e Es folgen nun einige Bilder, bei welchen man stets im Zweifel sein wird, wie weit sie als Porträts, wie weit aus reinem künstleri- schem Antriebe gemalt sind, und ob man mehr eine bestimmte Schön- heit, oder ein zum Bilde gewordenes Problem der Schönheit vor sich hat. — Scheinbar dem Porträt noch am nächsten: la Bella im Pal. Pitti; die Kleidung (blau, violett, gold, weiss) wahrscheinlich vom Maler gewählt, mit dem lieblich üppigen Charakter des Kopfes ge- heimnissvoll zusammenstimmend. — Dann der erhabenste weibliche Typus den Tizian hervorgebracht hat: la Bella im Pal. Sciarra zu Rom (die Kleidung weiss, blau und roth; trotz der mehr schwärzlichen Schatten in der Carnation unzweifelhaft von T.; unten links die Chiffre TAMBEND); — und die Flora in den Uffizien, mit der Linken das Damastgewand heraufziehend, mit der Rechten Röslein darbietend. Welches auch die Schönheit des Weibes gewesen sein möge, das die Anregung zu diesen beiden Bildern gab, jedenfalls hat erst Tizian sie auf diejenige Höhe gehoben, welche dieses Haupt gewissermassen als Gegenstück des venezianischen Christuskopfes erscheinen lässt. — (Die sog. Schiava im Pal. Barberini zu Rom ist wohl nur das Werk eines Nachstrebenden.) — Vielleicht ist auch das schöne Bild von drei Halbfiguren, welches im Pal. Manfrin Giorgione heisst, eher von f g h i k

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Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 968. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/990>, abgerufen am 18.12.2024.