ten Gegenständen sehnte. Vielleicht hätte man noch gern mehr Al- legorien gehabt -- vielleicht wollte im Gegentheil Julius II seine eigenen Thaten in voller äusserer Wirklichkeit dargestellt sehen, etwa Momente aus dem Kriege der heiligen Ligue, den Einzug durch die Bresche von Mirandola, u. dgl. -- Beides wären Abwege gewesen, wenigstens für Rafael. Er gab nun Zeitgeschichte und Allegorie zu- gleich, die erstere im Gewande der letztern. Heliodors Züchtigung ist ein Symbol der Vertreibung der Franzosen aus dem Kirchenstaate; die Messe von Bolsena (deren Thatsache ins Jahr 1263 fällt) bedeutet die Überwindung der Irrlehren am Anfang des XVI. Jahrhunderts. Nach dem Tode Julius II (1513) liess sich Leo X diese Art von ver- klärender Darstellung der eigenen Geschichte alsobald gefallen; -- vielleicht hatte Rafael schon Entwürfe für die beiden andern Wände gemacht, welche dann ersetzt wurden durch den Attila (Symbol der Verjagung der Franzosen aus Italien) und durch die Befreiung Petri (Leo's X Befreiung aus den Händen der Franzosen in Mailand, als er noch Cardinal war). -- Es war ein grosses Glück, dass die da- malige Ästhetik die Allegorie und die Anspielung für eins und dasselbe hielt, während doch die letztere mit lauter historisch ge- dachten, individuell zu belebenden Gestalten wirken darf.
Wie man die Sache ansehe, von irgend einer Seite sind hier Con- cessionen gemacht worden. Die vier Momente liegen geschichtlich gar zu weit und fremd auseinander, als dass nicht zu vermuthen wäre, Rafael habe etwas Anderes gemalt als ursprünglich gewünscht worden war. Auch der gänzliche Mangel an innerm Zusammenhang mit den vier alttestamentlichen Deckenbildern deutet auf einen Wech- sel der Entschlüsse hin, der beim neuen Pontificat ohnediess einge- treten sein muss.
Im Grossen ist aber doch das Thema ein gleichartig fortlaufendes, das sich auch in den übrigen Zimmern, allerdings getrübt, fortsetzt: Siege der Kirche unter göttlichem Schutze. Endlich hebt die Be- handlung alle diese Gegenstände auf eine solche Weise, dass man in ihnen nur das Höchste sucht und ihnen nur den erhabensten Sinn zutraut.
Mit einer unbeschreiblichen Macht und Herrlichkeit hält Rafael seinen Einzug in das Gebiet der dramatischen Malerei; sein erstes
Malerei des XVI. Jahrhunderts. Rafael.
ten Gegenständen sehnte. Vielleicht hätte man noch gern mehr Al- legorien gehabt — vielleicht wollte im Gegentheil Julius II seine eigenen Thaten in voller äusserer Wirklichkeit dargestellt sehen, etwa Momente aus dem Kriege der heiligen Ligue, den Einzug durch die Bresche von Mirandola, u. dgl. — Beides wären Abwege gewesen, wenigstens für Rafael. Er gab nun Zeitgeschichte und Allegorie zu- gleich, die erstere im Gewande der letztern. Heliodors Züchtigung ist ein Symbol der Vertreibung der Franzosen aus dem Kirchenstaate; die Messe von Bolsena (deren Thatsache ins Jahr 1263 fällt) bedeutet die Überwindung der Irrlehren am Anfang des XVI. Jahrhunderts. Nach dem Tode Julius II (1513) liess sich Leo X diese Art von ver- klärender Darstellung der eigenen Geschichte alsobald gefallen; — vielleicht hatte Rafael schon Entwürfe für die beiden andern Wände gemacht, welche dann ersetzt wurden durch den Attila (Symbol der Verjagung der Franzosen aus Italien) und durch die Befreiung Petri (Leo’s X Befreiung aus den Händen der Franzosen in Mailand, als er noch Cardinal war). — Es war ein grosses Glück, dass die da- malige Ästhetik die Allegorie und die Anspielung für eins und dasselbe hielt, während doch die letztere mit lauter historisch ge- dachten, individuell zu belebenden Gestalten wirken darf.
Wie man die Sache ansehe, von irgend einer Seite sind hier Con- cessionen gemacht worden. Die vier Momente liegen geschichtlich gar zu weit und fremd auseinander, als dass nicht zu vermuthen wäre, Rafael habe etwas Anderes gemalt als ursprünglich gewünscht worden war. Auch der gänzliche Mangel an innerm Zusammenhang mit den vier alttestamentlichen Deckenbildern deutet auf einen Wech- sel der Entschlüsse hin, der beim neuen Pontificat ohnediess einge- treten sein muss.
Im Grossen ist aber doch das Thema ein gleichartig fortlaufendes, das sich auch in den übrigen Zimmern, allerdings getrübt, fortsetzt: Siege der Kirche unter göttlichem Schutze. Endlich hebt die Be- handlung alle diese Gegenstände auf eine solche Weise, dass man in ihnen nur das Höchste sucht und ihnen nur den erhabensten Sinn zutraut.
Mit einer unbeschreiblichen Macht und Herrlichkeit hält Rafael seinen Einzug in das Gebiet der dramatischen Malerei; sein erstes
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Malerei des XVI. Jahrhunderts. Rafael.
ten Gegenständen sehnte. Vielleicht hätte man noch gern mehr Al-
legorien gehabt — vielleicht wollte im Gegentheil Julius II seine
eigenen Thaten in voller äusserer Wirklichkeit dargestellt sehen, etwa
Momente aus dem Kriege der heiligen Ligue, den Einzug durch die
Bresche von Mirandola, u. dgl. — Beides wären Abwege gewesen,
wenigstens für Rafael. Er gab nun Zeitgeschichte und Allegorie zu-
gleich, die erstere im Gewande der letztern. Heliodors Züchtigung
ist ein Symbol der Vertreibung der Franzosen aus dem Kirchenstaate;
die Messe von Bolsena (deren Thatsache ins Jahr 1263 fällt) bedeutet
die Überwindung der Irrlehren am Anfang des XVI. Jahrhunderts.
Nach dem Tode Julius II (1513) liess sich Leo X diese Art von ver-
klärender Darstellung der eigenen Geschichte alsobald gefallen; —
vielleicht hatte Rafael schon Entwürfe für die beiden andern Wände
gemacht, welche dann ersetzt wurden durch den Attila (Symbol der
Verjagung der Franzosen aus Italien) und durch die Befreiung Petri
(Leo’s X Befreiung aus den Händen der Franzosen in Mailand, als
er noch Cardinal war). — Es war ein grosses Glück, dass die da-
malige Ästhetik die Allegorie und die Anspielung für eins und
dasselbe hielt, während doch die letztere mit lauter historisch ge-
dachten, individuell zu belebenden Gestalten wirken darf.
Wie man die Sache ansehe, von irgend einer Seite sind hier Con-
cessionen gemacht worden. Die vier Momente liegen geschichtlich
gar zu weit und fremd auseinander, als dass nicht zu vermuthen
wäre, Rafael habe etwas Anderes gemalt als ursprünglich gewünscht
worden war. Auch der gänzliche Mangel an innerm Zusammenhang
mit den vier alttestamentlichen Deckenbildern deutet auf einen Wech-
sel der Entschlüsse hin, der beim neuen Pontificat ohnediess einge-
treten sein muss.
Im Grossen ist aber doch das Thema ein gleichartig fortlaufendes,
das sich auch in den übrigen Zimmern, allerdings getrübt, fortsetzt:
Siege der Kirche unter göttlichem Schutze. Endlich hebt die Be-
handlung alle diese Gegenstände auf eine solche Weise, dass man in
ihnen nur das Höchste sucht und ihnen nur den erhabensten Sinn
zutraut.
Mit einer unbeschreiblichen Macht und Herrlichkeit hält Rafael
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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 918. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/940>, abgerufen am 18.12.2024.
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