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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855.

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Malerei des XVI. Jahrhunderts. Schule Lionardo's.
awährend zwei späte Temperabilder im Dom von Como mehr eine
missverstandene Gewaltsamkeit an den Tag legen. Das allegorische
bBild in der Gal. Sciarra zu Rom ist wenigstens durch seine unge-
schickt phantastische Landschaft interessant.

Von den Nachfolgern Gaudenzio's hat Bernardino Lanini
c(Brera und verschiedene Kirchen in Mailand) eine sehr gute Zeit, eine
wahre Energie in Formen und Farben gehabt. Späteres ist sehr ma-
nierirt. -- Lomazzo und Figino gehören schon zu den eigentlichen
Manieristen.

Eine Anzahl Halbfiguren aus dem Gebiete des passiven Aus-
druckes (Eccehomo, Mater dolorosa, Magdalena, Catharina etc.) ge-
hören theils dem Aurelio Luini, theils einem gewissen Gian Pe-
drini
, Schüler Lionardo's, theils dem Andrea Solario, Schüler
Gaudenzio's. Der Behandlung nach sind sie von verschiedenem, zum
dTheil von hohem Werth. (Pedrini's Magdalena, Brera). Diese von
überirdischer Sehnsucht oder von heiligem Schmerz bewegten Einzel-
charaktere beginnen mit Pietro Perugino und den genannten Mailän-
dern und gewinnen von Zeit zu Zeit eine grosse Verbreitung in der
Kunst. Man muss diese frühern mit denjenigen eines Carlo Dolci
vergleichen, um ihren wahren Werth zu erkennen.


Michelangelo Buonarroti (1474--1563), der Mensch des
Schicksals für die Baukunst und für die Sculptur, ist es auch für die
Malerei. Er hat sich selber vorzugsweise als Bildhauer betrachtet
(Seite 665); in einem seiner Sonette sagt er bei Anlass der Decken-
malerei in der Sistina: "essendo ... io non pittore". Allein für den
Ausdruck derjenigen idealen Welt, die er in sich trug, gewährte die
Malerei doch so ungleich vielseitigere Mittel als die Sculptur, dass
er sie nicht entbehren konnte. Gegenwärtig verhält es sich wohl im
Allgemeinen so, dass wer ihm von Seiten der Sculptur entfremdet ist,
von Seiten der Malerei immer wieder den Zugang zu ihm sucht und
findet.

Malerei des XVI. Jahrhunderts. Schule Lionardo’s.
awährend zwei späte Temperabilder im Dom von Como mehr eine
missverstandene Gewaltsamkeit an den Tag legen. Das allegorische
bBild in der Gal. Sciarra zu Rom ist wenigstens durch seine unge-
schickt phantastische Landschaft interessant.

Von den Nachfolgern Gaudenzio’s hat Bernardino Lanini
c(Brera und verschiedene Kirchen in Mailand) eine sehr gute Zeit, eine
wahre Energie in Formen und Farben gehabt. Späteres ist sehr ma-
nierirt. — Lomazzo und Figino gehören schon zu den eigentlichen
Manieristen.

Eine Anzahl Halbfiguren aus dem Gebiete des passiven Aus-
druckes (Eccehomo, Mater dolorosa, Magdalena, Catharina etc.) ge-
hören theils dem Aurelio Luini, theils einem gewissen Gian Pe-
drini
, Schüler Lionardo’s, theils dem Andrea Solario, Schüler
Gaudenzio’s. Der Behandlung nach sind sie von verschiedenem, zum
dTheil von hohem Werth. (Pedrini’s Magdalena, Brera). Diese von
überirdischer Sehnsucht oder von heiligem Schmerz bewegten Einzel-
charaktere beginnen mit Pietro Perugino und den genannten Mailän-
dern und gewinnen von Zeit zu Zeit eine grosse Verbreitung in der
Kunst. Man muss diese frühern mit denjenigen eines Carlo Dolci
vergleichen, um ihren wahren Werth zu erkennen.


Michelangelo Buonarroti (1474—1563), der Mensch des
Schicksals für die Baukunst und für die Sculptur, ist es auch für die
Malerei. Er hat sich selber vorzugsweise als Bildhauer betrachtet
(Seite 665); in einem seiner Sonette sagt er bei Anlass der Decken-
malerei in der Sistina: „essendo … io non pittore“. Allein für den
Ausdruck derjenigen idealen Welt, die er in sich trug, gewährte die
Malerei doch so ungleich vielseitigere Mittel als die Sculptur, dass
er sie nicht entbehren konnte. Gegenwärtig verhält es sich wohl im
Allgemeinen so, dass wer ihm von Seiten der Sculptur entfremdet ist,
von Seiten der Malerei immer wieder den Zugang zu ihm sucht und
findet.

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[870/0892] Malerei des XVI. Jahrhunderts. Schule Lionardo’s. während zwei späte Temperabilder im Dom von Como mehr eine missverstandene Gewaltsamkeit an den Tag legen. Das allegorische Bild in der Gal. Sciarra zu Rom ist wenigstens durch seine unge- schickt phantastische Landschaft interessant. a b Von den Nachfolgern Gaudenzio’s hat Bernardino Lanini (Brera und verschiedene Kirchen in Mailand) eine sehr gute Zeit, eine wahre Energie in Formen und Farben gehabt. Späteres ist sehr ma- nierirt. — Lomazzo und Figino gehören schon zu den eigentlichen Manieristen. c Eine Anzahl Halbfiguren aus dem Gebiete des passiven Aus- druckes (Eccehomo, Mater dolorosa, Magdalena, Catharina etc.) ge- hören theils dem Aurelio Luini, theils einem gewissen Gian Pe- drini, Schüler Lionardo’s, theils dem Andrea Solario, Schüler Gaudenzio’s. Der Behandlung nach sind sie von verschiedenem, zum Theil von hohem Werth. (Pedrini’s Magdalena, Brera). Diese von überirdischer Sehnsucht oder von heiligem Schmerz bewegten Einzel- charaktere beginnen mit Pietro Perugino und den genannten Mailän- dern und gewinnen von Zeit zu Zeit eine grosse Verbreitung in der Kunst. Man muss diese frühern mit denjenigen eines Carlo Dolci vergleichen, um ihren wahren Werth zu erkennen. d Michelangelo Buonarroti (1474—1563), der Mensch des Schicksals für die Baukunst und für die Sculptur, ist es auch für die Malerei. Er hat sich selber vorzugsweise als Bildhauer betrachtet (Seite 665); in einem seiner Sonette sagt er bei Anlass der Decken- malerei in der Sistina: „essendo … io non pittore“. Allein für den Ausdruck derjenigen idealen Welt, die er in sich trug, gewährte die Malerei doch so ungleich vielseitigere Mittel als die Sculptur, dass er sie nicht entbehren konnte. Gegenwärtig verhält es sich wohl im Allgemeinen so, dass wer ihm von Seiten der Sculptur entfremdet ist, von Seiten der Malerei immer wieder den Zugang zu ihm sucht und findet.

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Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 870. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/892>, abgerufen am 18.12.2024.