Je weiter man nach Westen dringt, desto mehr schwindet die paduanische Kenntniss der Lebensformen und die Lust an deren schar- fer Bezeichnung, hört auch wohl z. B. bei einigen piemontesischen Malern ganz auf.
Schon der Brescianer Vincenzo Foppa d. ä. erreicht in seinem Frescobild der Marter S. Sebastian's (Brera zu Mailand) die Durch-a bildung selbst der Veroneser nicht mehr. -- Die Fresken des ältern Vincenzo Civerchio und des Bernardino Buttinone in S. Pietro in gessate zu Mailand (von jenen die Antoniuscap., von diesemb die Ambrosiuscap.) sind dem Verfasser nicht bekannt. -- Von Bra- mantino dem ältern, der eine tüchtige paduanische Schule hatte, ist gerade in Mailand nichts von Belang; von Bramantino dem jüngern nicht vieles: eine Madonna von reicher und voller Bildung, mit zweic Engeln (in der Brera); eine Lunette über der Thür von S. Sepolcro;d dann die Gewölbefresken der Brunocapelle in der Certosa von Pavia.e Bernardo Zenale's grosse Madonna mit Kirchenvätern und Do- natoren (Brera), bei einigen Härten doch ein treffliches Bild, stehtf schon unter Lionardo's Einfluss.
Der vielbeschäftigte Borgognone (eigentlich Ambrogio Fossano, st. nach 1522; vgl. S. 201, f), thut in einzelnen kleinen Frescoscenen bedeutende Würfe (Malereien hinten in S. Ambrogio: Christus unterg den Schriftgelehrten, der Auferstandene mit Engeln, Pieta, Alles über- malt); -- bei grossen Aufgaben aber (Chornische von S. Simpliciano)h nimmt sich die Übertragung der Gedanken des XIV. Jahrh. in ziem- lich leblose Formen des XV. ganz matt aus. Eine grosse Himmelfahrt Mariä (Brera) erinnert an abgestandene Peruginer. Einzelne Madonnen,i mit Engeln, die hie und da vorkommen, haben dagegen eine höchst liebenswürdige Gemüthlichkeit. -- Bedeutende Fresken in der Certosak von Pavia. -- (Allerlei Malereien dieser alten Schule, auch in der Art Borgognone's, in Madonna delle grazie bei Locarno, Tessin.)l
Von einer Anzahl anderer lombardischer Maler, welche den Styl des XV. Jahrh. mehr oder weniger beibehielten bis über 1530 hinaus, finden sich die meisten Werke in Provincialstädten, welche Verfasser dieses nicht besucht hat: so von Foppa d. j., Civerchio d. j., An- drea da Milano, Girol. Giovenone, dem Piemontesen Macrino d'Alba u. A. Am meisten Interesse sollen die Bilder der beiden
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Veroneser. Mailänder.
Je weiter man nach Westen dringt, desto mehr schwindet die paduanische Kenntniss der Lebensformen und die Lust an deren schar- fer Bezeichnung, hört auch wohl z. B. bei einigen piemontesischen Malern ganz auf.
Schon der Brescianer Vincenzo Foppa d. ä. erreicht in seinem Frescobild der Marter S. Sebastian’s (Brera zu Mailand) die Durch-a bildung selbst der Veroneser nicht mehr. — Die Fresken des ältern Vincenzo Civerchio und des Bernardino Buttinone in S. Pietro in gessate zu Mailand (von jenen die Antoniuscap., von diesemb die Ambrosiuscap.) sind dem Verfasser nicht bekannt. — Von Bra- mantino dem ältern, der eine tüchtige paduanische Schule hatte, ist gerade in Mailand nichts von Belang; von Bramantino dem jüngern nicht vieles: eine Madonna von reicher und voller Bildung, mit zweic Engeln (in der Brera); eine Lunette über der Thür von S. Sepolcro;d dann die Gewölbefresken der Brunocapelle in der Certosa von Pavia.e Bernardo Zenale’s grosse Madonna mit Kirchenvätern und Do- natoren (Brera), bei einigen Härten doch ein treffliches Bild, stehtf schon unter Lionardo’s Einfluss.
Der vielbeschäftigte Borgognone (eigentlich Ambrogio Fossano, st. nach 1522; vgl. S. 201, f), thut in einzelnen kleinen Frescoscenen bedeutende Würfe (Malereien hinten in S. Ambrogio: Christus unterg den Schriftgelehrten, der Auferstandene mit Engeln, Pietà, Alles über- malt); — bei grossen Aufgaben aber (Chornische von S. Simpliciano)h nimmt sich die Übertragung der Gedanken des XIV. Jahrh. in ziem- lich leblose Formen des XV. ganz matt aus. Eine grosse Himmelfahrt Mariä (Brera) erinnert an abgestandene Peruginer. Einzelne Madonnen,i mit Engeln, die hie und da vorkommen, haben dagegen eine höchst liebenswürdige Gemüthlichkeit. — Bedeutende Fresken in der Certosak von Pavia. — (Allerlei Malereien dieser alten Schule, auch in der Art Borgognone’s, in Madonna delle grazie bei Locarno, Tessin.)l
Von einer Anzahl anderer lombardischer Maler, welche den Styl des XV. Jahrh. mehr oder weniger beibehielten bis über 1530 hinaus, finden sich die meisten Werke in Provincialstädten, welche Verfasser dieses nicht besucht hat: so von Foppa d. j., Civerchio d. j., An- drea da Milano, Girol. Giovenone, dem Piemontesen Macrino d’Alba u. A. Am meisten Interesse sollen die Bilder der beiden
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Veroneser. Mailänder.
Je weiter man nach Westen dringt, desto mehr schwindet die
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fer Bezeichnung, hört auch wohl z. B. bei einigen piemontesischen
Malern ganz auf.
Schon der Brescianer Vincenzo Foppa d. ä. erreicht in seinem
Frescobild der Marter S. Sebastian’s (Brera zu Mailand) die Durch-
bildung selbst der Veroneser nicht mehr. — Die Fresken des ältern
Vincenzo Civerchio und des Bernardino Buttinone in S.
Pietro in gessate zu Mailand (von jenen die Antoniuscap., von diesem
die Ambrosiuscap.) sind dem Verfasser nicht bekannt. — Von Bra-
mantino dem ältern, der eine tüchtige paduanische Schule hatte, ist
gerade in Mailand nichts von Belang; von Bramantino dem jüngern
nicht vieles: eine Madonna von reicher und voller Bildung, mit zwei
Engeln (in der Brera); eine Lunette über der Thür von S. Sepolcro;
dann die Gewölbefresken der Brunocapelle in der Certosa von Pavia.
Bernardo Zenale’s grosse Madonna mit Kirchenvätern und Do-
natoren (Brera), bei einigen Härten doch ein treffliches Bild, steht
schon unter Lionardo’s Einfluss.
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Der vielbeschäftigte Borgognone (eigentlich Ambrogio Fossano,
st. nach 1522; vgl. S. 201, f), thut in einzelnen kleinen Frescoscenen
bedeutende Würfe (Malereien hinten in S. Ambrogio: Christus unter
den Schriftgelehrten, der Auferstandene mit Engeln, Pietà, Alles über-
malt); — bei grossen Aufgaben aber (Chornische von S. Simpliciano)
nimmt sich die Übertragung der Gedanken des XIV. Jahrh. in ziem-
lich leblose Formen des XV. ganz matt aus. Eine grosse Himmelfahrt
Mariä (Brera) erinnert an abgestandene Peruginer. Einzelne Madonnen,
mit Engeln, die hie und da vorkommen, haben dagegen eine höchst
liebenswürdige Gemüthlichkeit. — Bedeutende Fresken in der Certosa
von Pavia. — (Allerlei Malereien dieser alten Schule, auch in der
Art Borgognone’s, in Madonna delle grazie bei Locarno, Tessin.)
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Von einer Anzahl anderer lombardischer Maler, welche den Styl
des XV. Jahrh. mehr oder weniger beibehielten bis über 1530 hinaus,
finden sich die meisten Werke in Provincialstädten, welche Verfasser
dieses nicht besucht hat: so von Foppa d. j., Civerchio d. j., An-
drea da Milano, Girol. Giovenone, dem Piemontesen Macrino
d’Alba u. A. Am meisten Interesse sollen die Bilder der beiden
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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 819. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/841>, abgerufen am 18.12.2024.
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