am genausten und vollständigsten durch ihn, sodass seinen Gemälden jedenfalls der Werth religionsgeschichtlicher Urkunden ersten Ranges gesichert ist. Wen Fiesole unbedingt anwidert, der möchte auch zur antiken Kunst kein wahres Verhältniss haben; man kann sich die fromme Befangenheit des Mönches gestehen und doch in der himm- lischen Schönheit vieles Einzelnen und in der stets frischen und be- glückenden Überzeugung die ihm zur Seite stand, eine Erscheinung der höchsten Art erkennen, die im ganzen Gebiet der Kunstgeschichte nicht mehr ihres Gleichen hat. In der dramatischen Erzählung ist Fiesole immer einer der tüchtigsten Nachfolger Giotto's; da er von Hause aus ein grosser Künstler war, so bemühte er sich sein Leben lang um eine möglichst gleichmässige Beseelung Alles dessen, was er schuf; bei näherer Betrachtung wird man finden, dass er einer der ersten ist, welcher den Köpfen durchgängig das Allgemeine benimmt und sie auf die zarteste Weise persönlich belebt; nur stand seiner Gemüthsart der Ausdruck der Leidenschaft und des Bösen nicht zu Gebote, und seine Verlegenheit wirkt dann (im streng ästhetischen Sinne) komisch.
Wie seine Bildung ursprünglich die eines Miniators war, so geben auch seine kleinern, miniaturartig ausgeführten Tafeln beinahe den ganzen Künstler wieder. Obenan stehen die Glorien, wie z. B. das aprächtige Bild in den Uffizien (tosc. Sch.), auch die Umgebung des Erlösers und der Empfang der Seligen in den Weltgerichtsbildern b(das schönste in Pal. Corsini zu Rom, ein anderes in der Acad. zu cFlorenz, Saal d. kl. B.), während die Seite der Verdammten auf keine Weise zu genügen pflegt. Von den heiligen Geschichten haben nach meinem Gefühl diejenigen den Vorzug, welchen altübliche Motive der florentinischen Schule zu Grunde liegen, also wesentlich die oftgemal- ten des neuen Testamentes; in den Legenden macht sich die eigene Erfindung oft frisch und schön, oft aber auch befangen ihre Bahn. d(Leben Christi in 35 Bildchen, Acad. v. Florenz, Saal d. kl. B., wo esich noch mehreres von F. befindet; -- Uffizien, tosc. Sch.; -- 3 Bild- fchen in einem Wandschrank der Sacristei von S. Maria novella in gFlorenz; -- Kirche del Gesu zu Cortona: zwei Predellen mit dem Leben der Maria und den Wundern des heil. Dominicus; -- vatican. Galerie hdie Wunder des heil. Nicolaus von Bari, aus der letzten Zeit und sehr
Malerei des germanischen Styles. Fiesole.
am genausten und vollständigsten durch ihn, sodass seinen Gemälden jedenfalls der Werth religionsgeschichtlicher Urkunden ersten Ranges gesichert ist. Wen Fiesole unbedingt anwidert, der möchte auch zur antiken Kunst kein wahres Verhältniss haben; man kann sich die fromme Befangenheit des Mönches gestehen und doch in der himm- lischen Schönheit vieles Einzelnen und in der stets frischen und be- glückenden Überzeugung die ihm zur Seite stand, eine Erscheinung der höchsten Art erkennen, die im ganzen Gebiet der Kunstgeschichte nicht mehr ihres Gleichen hat. In der dramatischen Erzählung ist Fiesole immer einer der tüchtigsten Nachfolger Giotto’s; da er von Hause aus ein grosser Künstler war, so bemühte er sich sein Leben lang um eine möglichst gleichmässige Beseelung Alles dessen, was er schuf; bei näherer Betrachtung wird man finden, dass er einer der ersten ist, welcher den Köpfen durchgängig das Allgemeine benimmt und sie auf die zarteste Weise persönlich belebt; nur stand seiner Gemüthsart der Ausdruck der Leidenschaft und des Bösen nicht zu Gebote, und seine Verlegenheit wirkt dann (im streng ästhetischen Sinne) komisch.
Wie seine Bildung ursprünglich die eines Miniators war, so geben auch seine kleinern, miniaturartig ausgeführten Tafeln beinahe den ganzen Künstler wieder. Obenan stehen die Glorien, wie z. B. das aprächtige Bild in den Uffizien (tosc. Sch.), auch die Umgebung des Erlösers und der Empfang der Seligen in den Weltgerichtsbildern b(das schönste in Pal. Corsini zu Rom, ein anderes in der Acad. zu cFlorenz, Saal d. kl. B.), während die Seite der Verdammten auf keine Weise zu genügen pflegt. Von den heiligen Geschichten haben nach meinem Gefühl diejenigen den Vorzug, welchen altübliche Motive der florentinischen Schule zu Grunde liegen, also wesentlich die oftgemal- ten des neuen Testamentes; in den Legenden macht sich die eigene Erfindung oft frisch und schön, oft aber auch befangen ihre Bahn. d(Leben Christi in 35 Bildchen, Acad. v. Florenz, Saal d. kl. B., wo esich noch mehreres von F. befindet; — Uffizien, tosc. Sch.; — 3 Bild- fchen in einem Wandschrank der Sacristei von S. Maria novella in gFlorenz; — Kirche del Gesù zu Cortona: zwei Predellen mit dem Leben der Maria und den Wundern des heil. Dominicus; — vatican. Galerie hdie Wunder des heil. Nicolaus von Bari, aus der letzten Zeit und sehr
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Malerei des germanischen Styles. Fiesole.
am genausten und vollständigsten durch ihn, sodass seinen Gemälden
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gesichert ist. Wen Fiesole unbedingt anwidert, der möchte auch zur
antiken Kunst kein wahres Verhältniss haben; man kann sich die
fromme Befangenheit des Mönches gestehen und doch in der himm-
lischen Schönheit vieles Einzelnen und in der stets frischen und be-
glückenden Überzeugung die ihm zur Seite stand, eine Erscheinung
der höchsten Art erkennen, die im ganzen Gebiet der Kunstgeschichte
nicht mehr ihres Gleichen hat. In der dramatischen Erzählung ist
Fiesole immer einer der tüchtigsten Nachfolger Giotto’s; da er von
Hause aus ein grosser Künstler war, so bemühte er sich sein Leben
lang um eine möglichst gleichmässige Beseelung Alles dessen, was er
schuf; bei näherer Betrachtung wird man finden, dass er einer der
ersten ist, welcher den Köpfen durchgängig das Allgemeine benimmt
und sie auf die zarteste Weise persönlich belebt; nur stand seiner
Gemüthsart der Ausdruck der Leidenschaft und des Bösen nicht zu
Gebote, und seine Verlegenheit wirkt dann (im streng ästhetischen
Sinne) komisch.
Wie seine Bildung ursprünglich die eines Miniators war, so geben
auch seine kleinern, miniaturartig ausgeführten Tafeln beinahe den
ganzen Künstler wieder. Obenan stehen die Glorien, wie z. B. das
prächtige Bild in den Uffizien (tosc. Sch.), auch die Umgebung des
Erlösers und der Empfang der Seligen in den Weltgerichtsbildern
(das schönste in Pal. Corsini zu Rom, ein anderes in der Acad. zu
Florenz, Saal d. kl. B.), während die Seite der Verdammten auf keine
Weise zu genügen pflegt. Von den heiligen Geschichten haben nach
meinem Gefühl diejenigen den Vorzug, welchen altübliche Motive der
florentinischen Schule zu Grunde liegen, also wesentlich die oftgemal-
ten des neuen Testamentes; in den Legenden macht sich die eigene
Erfindung oft frisch und schön, oft aber auch befangen ihre Bahn.
(Leben Christi in 35 Bildchen, Acad. v. Florenz, Saal d. kl. B., wo
sich noch mehreres von F. befindet; — Uffizien, tosc. Sch.; — 3 Bild-
chen in einem Wandschrank der Sacristei von S. Maria novella in
Florenz; — Kirche del Gesù zu Cortona: zwei Predellen mit dem Leben
der Maria und den Wundern des heil. Dominicus; — vatican. Galerie
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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 788. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/810>, abgerufen am 18.12.2024.
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