Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855.

Bild:
<< vorherige Seite

Kaiservillen.
vorhanden ist) wirklich ein solches Gedankenbild aufgestellt; an Ort
und Stelle ist indess kein Stein davon nachzuweisen.

Die Villa Hadrians unterhalb Tivoli verlangt in ihrem jetzi-a
gen Zustande, nach dem totalen Verlust ihrer Steinbekleidung und
ihrer Säulenbauten, eine starke Phantasie, wenn man die einzelnen,
meist nicht sehr bedeutenden Räume noch für das erkennen soll, was
sie einst waren; dennoch ist der Besuch (welchen ich bisher versäumt
zu haben bedaure) sehr lohnend, sobald man sich mit dem Plan der
Villa (von Fea) versehen hat; in diesem wird nämlich die ehemalige
Bedeutung der einzelnen Bauten angegeben. Hadrian hatte hier die
berühmtesten Localitäten der alten Welt im Kleinen nachahmen lassen
und auch von den Gattungen des römischen Prachtbaues immer je
ein kleines Specimen errichtet, das Ganze in einem Umfang von mehr
als einer Stunde. Wenn andere Bauherren ähnliche Phantasien aus-
führten, so lässt sich denken, wie schwer gewisse Ruinen römischer
Villen und Paläste einleuchtend zu erklären sein müssen.

Von den zum Theil riesenhaften und äusserst ausgedehnten Vil-
lentrümmern der römischen Campagna scheint das Rundgebäude "Torb
de' Schiavi" der Überrest einer sehr namhaften Anlage der Gordiane
(III. Jahrhundert) zu sein. -- Ungeheure Räume auf einem noch kennt-
lichen Grundplan findet man namentlich in der sog. Roma vecchia.c
-- Die Villa Domitians umfasst gegenwärtig den Raum des Städt-d
chens Albano und der Landgüter an dessen Westseite, gewährt aber
nirgends mehr ein Bild des ehemaligen Bestandes, so zahlreich und
gross angelegt auch die einzelnen Trümmerstücke sind. -- Wie die
Kaiserthermen mehr als blosse Thermen, so waren die Kaiservillen
auch etwas Anderes als blosse Villen, vielmehr ein Inbegriff vieler
einzelnen Prachtbauten der verschiedensten Art und Gestalt.


Das Bild der antiken Bauwerke vervollständigt sich erst, wenn
man sich einen reichen farbigen Schmuck hinzudenkt. Fürs Erste wur-
den bis in die römische Zeit einzelne Theile des Baugerüstes selbst,
also der Säulen, Gebälke, Giebel etc. mit kräftigen Farben bemalt, und

Kaiservillen.
vorhanden ist) wirklich ein solches Gedankenbild aufgestellt; an Ort
und Stelle ist indess kein Stein davon nachzuweisen.

Die Villa Hadrians unterhalb Tivoli verlangt in ihrem jetzi-a
gen Zustande, nach dem totalen Verlust ihrer Steinbekleidung und
ihrer Säulenbauten, eine starke Phantasie, wenn man die einzelnen,
meist nicht sehr bedeutenden Räume noch für das erkennen soll, was
sie einst waren; dennoch ist der Besuch (welchen ich bisher versäumt
zu haben bedaure) sehr lohnend, sobald man sich mit dem Plan der
Villa (von Fea) versehen hat; in diesem wird nämlich die ehemalige
Bedeutung der einzelnen Bauten angegeben. Hadrian hatte hier die
berühmtesten Localitäten der alten Welt im Kleinen nachahmen lassen
und auch von den Gattungen des römischen Prachtbaues immer je
ein kleines Specimen errichtet, das Ganze in einem Umfang von mehr
als einer Stunde. Wenn andere Bauherren ähnliche Phantasien aus-
führten, so lässt sich denken, wie schwer gewisse Ruinen römischer
Villen und Paläste einleuchtend zu erklären sein müssen.

Von den zum Theil riesenhaften und äusserst ausgedehnten Vil-
lentrümmern der römischen Campagna scheint das Rundgebäude „Torb
de’ Schiavi“ der Überrest einer sehr namhaften Anlage der Gordiane
(III. Jahrhundert) zu sein. — Ungeheure Räume auf einem noch kennt-
lichen Grundplan findet man namentlich in der sog. Roma vecchia.c
— Die Villa Domitians umfasst gegenwärtig den Raum des Städt-d
chens Albano und der Landgüter an dessen Westseite, gewährt aber
nirgends mehr ein Bild des ehemaligen Bestandes, so zahlreich und
gross angelegt auch die einzelnen Trümmerstücke sind. — Wie die
Kaiserthermen mehr als blosse Thermen, so waren die Kaiservillen
auch etwas Anderes als blosse Villen, vielmehr ein Inbegriff vieler
einzelnen Prachtbauten der verschiedensten Art und Gestalt.


Das Bild der antiken Bauwerke vervollständigt sich erst, wenn
man sich einen reichen farbigen Schmuck hinzudenkt. Fürs Erste wur-
den bis in die römische Zeit einzelne Theile des Baugerüstes selbst,
also der Säulen, Gebälke, Giebel etc. mit kräftigen Farben bemalt, und

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0079" n="57"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Kaiservillen.</hi></fw><lb/>
vorhanden ist) wirklich ein solches Gedankenbild aufgestellt; an Ort<lb/>
und Stelle ist indess kein Stein davon nachzuweisen.</p><lb/>
        <p>Die <hi rendition="#g">Villa Hadrians</hi> unterhalb <hi rendition="#g">Tivoli</hi> verlangt in ihrem jetzi-<note place="right">a</note><lb/>
gen Zustande, nach dem totalen Verlust ihrer Steinbekleidung und<lb/>
ihrer Säulenbauten, eine starke Phantasie, wenn man die einzelnen,<lb/>
meist nicht sehr bedeutenden Räume noch für das erkennen soll, was<lb/>
sie einst waren; dennoch ist der Besuch (welchen ich bisher versäumt<lb/>
zu haben bedaure) sehr lohnend, sobald man sich mit dem Plan der<lb/>
Villa (von Fea) versehen hat; in diesem wird nämlich die ehemalige<lb/>
Bedeutung der einzelnen Bauten angegeben. Hadrian hatte hier die<lb/>
berühmtesten Localitäten der alten Welt im Kleinen nachahmen lassen<lb/>
und auch von den Gattungen des römischen Prachtbaues immer je<lb/>
ein kleines Specimen errichtet, das Ganze in einem Umfang von mehr<lb/>
als einer Stunde. Wenn andere Bauherren ähnliche Phantasien aus-<lb/>
führten, so lässt sich denken, wie schwer gewisse Ruinen römischer<lb/>
Villen und Paläste einleuchtend zu erklären sein müssen.</p><lb/>
        <p>Von den zum Theil riesenhaften und äusserst ausgedehnten Vil-<lb/>
lentrümmern der römischen Campagna scheint das Rundgebäude &#x201E;<hi rendition="#g">Tor</hi><note place="right">b</note><lb/><hi rendition="#g">de&#x2019; Schiavi</hi>&#x201C; der Überrest einer sehr namhaften Anlage der Gordiane<lb/>
(III. Jahrhundert) zu sein. &#x2014; Ungeheure Räume auf einem noch kennt-<lb/>
lichen Grundplan findet man namentlich in der sog. <hi rendition="#g">Roma vecchia</hi>.<note place="right">c</note><lb/>
&#x2014; Die <hi rendition="#g">Villa Domitians</hi> umfasst gegenwärtig den Raum des Städt-<note place="right">d</note><lb/>
chens <hi rendition="#g">Albano</hi> und der Landgüter an dessen Westseite, gewährt aber<lb/>
nirgends mehr ein Bild des ehemaligen Bestandes, so zahlreich und<lb/>
gross angelegt auch die einzelnen Trümmerstücke sind. &#x2014; Wie die<lb/>
Kaiserthermen mehr als blosse Thermen, so waren die Kaiservillen<lb/>
auch etwas Anderes als blosse Villen, vielmehr ein Inbegriff vieler<lb/>
einzelnen Prachtbauten der verschiedensten Art und Gestalt.</p><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <p>Das Bild der antiken Bauwerke vervollständigt sich erst, wenn<lb/>
man sich einen reichen farbigen Schmuck hinzudenkt. Fürs Erste wur-<lb/>
den bis in die römische Zeit einzelne Theile des Baugerüstes selbst,<lb/>
also der Säulen, Gebälke, Giebel etc. mit kräftigen Farben bemalt, und<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[57/0079] Kaiservillen. vorhanden ist) wirklich ein solches Gedankenbild aufgestellt; an Ort und Stelle ist indess kein Stein davon nachzuweisen. Die Villa Hadrians unterhalb Tivoli verlangt in ihrem jetzi- gen Zustande, nach dem totalen Verlust ihrer Steinbekleidung und ihrer Säulenbauten, eine starke Phantasie, wenn man die einzelnen, meist nicht sehr bedeutenden Räume noch für das erkennen soll, was sie einst waren; dennoch ist der Besuch (welchen ich bisher versäumt zu haben bedaure) sehr lohnend, sobald man sich mit dem Plan der Villa (von Fea) versehen hat; in diesem wird nämlich die ehemalige Bedeutung der einzelnen Bauten angegeben. Hadrian hatte hier die berühmtesten Localitäten der alten Welt im Kleinen nachahmen lassen und auch von den Gattungen des römischen Prachtbaues immer je ein kleines Specimen errichtet, das Ganze in einem Umfang von mehr als einer Stunde. Wenn andere Bauherren ähnliche Phantasien aus- führten, so lässt sich denken, wie schwer gewisse Ruinen römischer Villen und Paläste einleuchtend zu erklären sein müssen. a Von den zum Theil riesenhaften und äusserst ausgedehnten Vil- lentrümmern der römischen Campagna scheint das Rundgebäude „Tor de’ Schiavi“ der Überrest einer sehr namhaften Anlage der Gordiane (III. Jahrhundert) zu sein. — Ungeheure Räume auf einem noch kennt- lichen Grundplan findet man namentlich in der sog. Roma vecchia. — Die Villa Domitians umfasst gegenwärtig den Raum des Städt- chens Albano und der Landgüter an dessen Westseite, gewährt aber nirgends mehr ein Bild des ehemaligen Bestandes, so zahlreich und gross angelegt auch die einzelnen Trümmerstücke sind. — Wie die Kaiserthermen mehr als blosse Thermen, so waren die Kaiservillen auch etwas Anderes als blosse Villen, vielmehr ein Inbegriff vieler einzelnen Prachtbauten der verschiedensten Art und Gestalt. b c d Das Bild der antiken Bauwerke vervollständigt sich erst, wenn man sich einen reichen farbigen Schmuck hinzudenkt. Fürs Erste wur- den bis in die römische Zeit einzelne Theile des Baugerüstes selbst, also der Säulen, Gebälke, Giebel etc. mit kräftigen Farben bemalt, und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/79
Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 57. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/79>, abgerufen am 04.05.2024.