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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855.

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Sculptur des XV. Jahrhunderts. Venedig. Rizzo.
genden giebt die Fortitudo ein herrliches Motiv, welches so ganz ver-
schieden von Ghiberti's Art und doch parallel mit derselben die Frei-
heit des neuen Styles mit der Würde des germanischen verbindet 1).
a-- (An dem Hauptfenster gegen die Riva hin, welches der Verf. Re-
paraturhalber verdeckt fand, will man in den Statuen ebenfalls B.'s
Styl erkennen. Ausserdem werden ihm die Apostel und der heil.
bChristoph an der Fassade von S. Maria dell' Orto zugeschrieben;
letzterer wohl am ehesten mit Recht; die Apostel scheinen von ver-
schiedenen Händen zu sein 2).


Dem wachsenden Kunstbedürfniss der Republik scheinen diese
und andere einheimische Kräfte bald nicht mehr genügt zu haben.
Donatello erschien in Padua (S. 597 ff); Verocchio wurde für ein grosses
Denkmal in Anspruch genommen (S. 603, a). Auch andere Toscaner ar-
beiteten früher und später in Venedig, wie z. B. die sonst nicht be-
kannten Piero di Niccolo aus Florenz und Giovanni di Martino aus
eFiesole, welche das Dogengrab Mocenigo (+ 1423) im linken Seiten-
schiff von S. Giovanni e Paolo fertigten, offenbar unter Donatello's
Einfluss (und kaum vor 1450); ein Werk das sich durch die Schön-
heit der Köpfe an den zahlreichen Statuetten auszeichnet.

Die paduanische Malerschule mit ihrem scharfen, fleissigen Mo-
delliren, ihren plastischen und antiquarischen Studien musste ihrer-
seits ebenfalls auf die Sculptur wirken; keine Malereien des damaligen
Italiens haben einen so ausgesprochenen plastischen Gehalt wie die
ihrigen, Verocchio etwa ausgenommen. -- Wahrscheinlich empfing von
ihr aus der veronesische Bildhauer Antonio Rizzo seine Anregung.
dVon ihm sind (um 1471) die Statuen Adam und Eva im Dogenpalast
(unten gegenüber der Riesentreppe) gearbeitet; ersterer eine vorzüg-

1) Fast gleichzeitig mit der Porta della carta entstand das Heiligengrab des
*Beato Pacifico (+ 1437) im rechten Querschiff der Frari. Schlecht erhalten
und ungünstig in dunkler Höhe befestigt, scheint es der Art des B. ähnlich.
2) Von zwei verschiedenen guten Zeit- und Stylgenossen sind in Madonna dell'
**orto vorhanden: auf dem 3. Altar rechts eine lebensgrosse stehende Madonna,
von etwas deutschem Charakter; über der Sacristeithür die Halbfigur einer
Madonna, milder und anmuthiger.

Sculptur des XV. Jahrhunderts. Venedig. Rizzo.
genden giebt die Fortitudo ein herrliches Motiv, welches so ganz ver-
schieden von Ghiberti’s Art und doch parallel mit derselben die Frei-
heit des neuen Styles mit der Würde des germanischen verbindet 1).
a— (An dem Hauptfenster gegen die Riva hin, welches der Verf. Re-
paraturhalber verdeckt fand, will man in den Statuen ebenfalls B.’s
Styl erkennen. Ausserdem werden ihm die Apostel und der heil.
bChristoph an der Fassade von S. Maria dell’ Orto zugeschrieben;
letzterer wohl am ehesten mit Recht; die Apostel scheinen von ver-
schiedenen Händen zu sein 2).


Dem wachsenden Kunstbedürfniss der Republik scheinen diese
und andere einheimische Kräfte bald nicht mehr genügt zu haben.
Donatello erschien in Padua (S. 597 ff); Verocchio wurde für ein grosses
Denkmal in Anspruch genommen (S. 603, a). Auch andere Toscaner ar-
beiteten früher und später in Venedig, wie z. B. die sonst nicht be-
kannten Piero di Niccolò aus Florenz und Giovanni di Martino aus
eFiesole, welche das Dogengrab Mocenigo († 1423) im linken Seiten-
schiff von S. Giovanni e Paolo fertigten, offenbar unter Donatello’s
Einfluss (und kaum vor 1450); ein Werk das sich durch die Schön-
heit der Köpfe an den zahlreichen Statuetten auszeichnet.

Die paduanische Malerschule mit ihrem scharfen, fleissigen Mo-
delliren, ihren plastischen und antiquarischen Studien musste ihrer-
seits ebenfalls auf die Sculptur wirken; keine Malereien des damaligen
Italiens haben einen so ausgesprochenen plastischen Gehalt wie die
ihrigen, Verocchio etwa ausgenommen. — Wahrscheinlich empfing von
ihr aus der veronesische Bildhauer Antonio Rizzo seine Anregung.
dVon ihm sind (um 1471) die Statuen Adam und Eva im Dogenpalast
(unten gegenüber der Riesentreppe) gearbeitet; ersterer eine vorzüg-

1) Fast gleichzeitig mit der Porta della carta entstand das Heiligengrab des
*Beato Pacifico († 1437) im rechten Querschiff der Frari. Schlecht erhalten
und ungünstig in dunkler Höhe befestigt, scheint es der Art des B. ähnlich.
2) Von zwei verschiedenen guten Zeit- und Stylgenossen sind in Madonna dell’
**orto vorhanden: auf dem 3. Altar rechts eine lebensgrosse stehende Madonna,
von etwas deutschem Charakter; über der Sacristeithür die Halbfigur einer
Madonna, milder und anmuthiger.
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[620/0642] Sculptur des XV. Jahrhunderts. Venedig. Rizzo. genden giebt die Fortitudo ein herrliches Motiv, welches so ganz ver- schieden von Ghiberti’s Art und doch parallel mit derselben die Frei- heit des neuen Styles mit der Würde des germanischen verbindet 1). — (An dem Hauptfenster gegen die Riva hin, welches der Verf. Re- paraturhalber verdeckt fand, will man in den Statuen ebenfalls B.’s Styl erkennen. Ausserdem werden ihm die Apostel und der heil. Christoph an der Fassade von S. Maria dell’ Orto zugeschrieben; letzterer wohl am ehesten mit Recht; die Apostel scheinen von ver- schiedenen Händen zu sein 2). a b Dem wachsenden Kunstbedürfniss der Republik scheinen diese und andere einheimische Kräfte bald nicht mehr genügt zu haben. Donatello erschien in Padua (S. 597 ff); Verocchio wurde für ein grosses Denkmal in Anspruch genommen (S. 603, a). Auch andere Toscaner ar- beiteten früher und später in Venedig, wie z. B. die sonst nicht be- kannten Piero di Niccolò aus Florenz und Giovanni di Martino aus Fiesole, welche das Dogengrab Mocenigo († 1423) im linken Seiten- schiff von S. Giovanni e Paolo fertigten, offenbar unter Donatello’s Einfluss (und kaum vor 1450); ein Werk das sich durch die Schön- heit der Köpfe an den zahlreichen Statuetten auszeichnet. e Die paduanische Malerschule mit ihrem scharfen, fleissigen Mo- delliren, ihren plastischen und antiquarischen Studien musste ihrer- seits ebenfalls auf die Sculptur wirken; keine Malereien des damaligen Italiens haben einen so ausgesprochenen plastischen Gehalt wie die ihrigen, Verocchio etwa ausgenommen. — Wahrscheinlich empfing von ihr aus der veronesische Bildhauer Antonio Rizzo seine Anregung. Von ihm sind (um 1471) die Statuen Adam und Eva im Dogenpalast (unten gegenüber der Riesentreppe) gearbeitet; ersterer eine vorzüg- d 1) Fast gleichzeitig mit der Porta della carta entstand das Heiligengrab des Beato Pacifico († 1437) im rechten Querschiff der Frari. Schlecht erhalten und ungünstig in dunkler Höhe befestigt, scheint es der Art des B. ähnlich. 2) Von zwei verschiedenen guten Zeit- und Stylgenossen sind in Madonna dell’ orto vorhanden: auf dem 3. Altar rechts eine lebensgrosse stehende Madonna, von etwas deutschem Charakter; über der Sacristeithür die Halbfigur einer Madonna, milder und anmuthiger.

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Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 620. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/642>, abgerufen am 17.07.2024.